Naziterror: Die Sache mit dem Ansehen

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Noch ist überhaupt nichts geklärt in der Angelegenheit „Nationalsozialistischer Untergrund“. Die Hintergründe der Mordtaten sind unklar, der Verfassungsschutz hat einige unangenehme Fragen zu beantworten, die Aussage der Beate Z. steht noch aus. Selbst Menschen, die sich seit Jahren mit Nazis und ihrer Gewalt beschäftigen, sind ob des Ausmaßes der aktuellen Ereignisse entsetzt.

Obwohl sich die deutsche Gesellschaft also erst einmal Zeit nehmen müsste, das Entsetzen sacken zu lassen, ist unsere Bundesregierung schon wieder einen großen Schritt weiter. Bundesausßenminister Guido Westerwelle (FDP) weiß nämlich schon, was das Schlimmste an den Mordtaten ist: Deutschland könnte wieder als ein Land dastehen, in dem es Nazis gibt.

„Das ist nicht nur furchtbar für die Opfer, das ist nicht nur schlimm für unser Land, es ist vor allen Dingen auch sehr, sehr schlimm für das Ansehen unseres Landes in der Welt.“

Wie bitte? „Vor allen Dingen?“ Es ist schon erstaunlich, wie Westerwelle neun Opfer rassistisch motivierter Morde in einem Halbsatz abhandelt, um dann darauf zu sprechen zu kommen, was am Rechtsterrorismus „vor allen Dingen auch sehr, sehr schlimm“ ist. Empathie mit den Opfern sieht anders aus.

Dass es überall in Deutschland Nazis gibt, weiß jeder, der es wissen will. Im Ausland weiß man es oft nicht, und Westerwelle wäre es offenbar lieb, wenn das so bliebe. Daher scheint er zu befürchten, dass der „Nationalsozialistischen Untergrund“ jetzt wieder ein Schlaglicht auf nazistische Umtriebe in Deutschland wirft. Und damit ist der Außenminister schon wieder mittendrin in der Logik des Wegschauens und Nicht-Wahrhaben-Wollens, die rassistische Mordtaten überhaupt erst ermöglicht.

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Geschrieben von

Hanning Voigts

journalist – „das unglück muss überall zurückgeschlagen werden“

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