Helfen nach Kontingent

WARNUNG Laut Innenministerium darf ein in Deutschland lebender Sohn seinen Eltern aus dem Kosovo keine Zuflucht gewähren

Seit Dienstag vergangener Woche hat Christa K. keine Nacht mehr durchgeschlafen. Nachdem am Sonntag abend die Eltern ihres Ehemannes Adem K. im Friedrichshafener Eigenheim angerufen und von ihrer endlich gelungenen Flucht aus dem Kosovo nach Skopje berichtet hatten, beschloß das Ehepaar K., sie auf eigene Faust nach Deutschland zu holen. »Mein Mann hat sich Urlaub genommen, und dann sind wir am nächsten Tag losgefahren«. Vier Tage hat das seit drei Jahren verheiratete Paar gebraucht, um auf dem Landweg über Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien an die mazedonisch-bulgarische Grenze zu gelangen. Dort wurde Adem K. von den Grenzbeamten abgewiesen. Der Grund: Wie die meisten im Ausland lebenden Kosovo-Albaner hat auch er einen Paß der Bundesrepublik Jugoslawien, und damit ist zur Zeit eine legale Einreise nach Mazedonien unmöglich. Auch das Angebot einer größeren Summe in D-Mark konnte die Grenzbeamten nicht umstimmen. Also fuhr das Ehepaar nach Sofia zurück, und Adem K. gelang es, eines der heißbegehrten Flugtickets für einen Flug in die albanische Hauptstadt Tirana zu erwischen. »Wir haben noch mit der deutschen Botschaft in Sofia Kontakt aufgenommen und sie um Hilfe gebeten. Aber dort hieß es nur, daß wir auf uns alleine gestellt sind«, erzählt die 45jährige. Also ist Christa K. noch einmal zur mazedonischen Grenze gefahren, und »als Deutsche alleine haben sie mich dann problemlos reingelassen«.

Sie irrte am Flughafen der mazedonischen Hauptstadt Skopje durch die Flüchtlingsfamilien, die in Bussen und kleinen Gruppen, nach Ländern, in die sie ausgeflogen werden sollen, sortiert, seit Stunden auf den Abflug nach Deutschland, die Türkei oder die Schweiz warteten. Zwischen schreienden Kindern und am Boden sitzenden Frauen versuchte sie, ihre Verwandten zu finden. Sie solle sich am besten ans Rote Kreuz oder das UNHCR in Skopje wenden und dort die Listen der von den Hilfsorganisationen und mazedonischen Behörden registrierten Flüchtlinge durchsehen, lautete schließlich der gutgemeinte Rat eines französischen OSZE-Beobachters, der den Abflug mit überwacht. Doch Christa K.s Schwiegereltern gehören zu der nicht unerheblichen Gruppe von Flüchtlingen, die sich auf eigene Faust und aus Angst vor dem Zugriff der mazedonischen Behörden in Städte des Landes wie Skopje und Tetovo durchgeschlagen haben und daher auch nirgendwo registriert sind.

Auch wenn Christa K. in Deutschland per Internet und e-mail einen direkteren Zugriff auf die Listen der Flüchtlinge hätte, als hier in Skopje: Infragestellen will sie die Suche vor Ort auf keinen Fall. Der Anruf, daß es der Familie gelungen sei, sich nach Skopje durchzuschlagen, sei »wie eine Erlösung gewesen«. Wie die Schwiegereltern allerdings nach Deutschland kommen sollen, weiß Christa K. noch nicht.

Denn die Handyverbindung zu den Schwiegereltern ist schon seit ein paar Tagen abgerissen, und aus Deutschland erreicht Christa K. die Nachricht vom Beschluß der Innenministerkonferenz: »Sollten hier lebende Albaner versuchen, ihre Angehörigen selbst herauszuholen, so würde ihnen an der Grenze das Visum verweigert. Eine Verpflichtungserklärung, wonach Gastgeber sich bereit erklärten, für alle anfallenden Kosten aufzukommen, sei nicht möglich«, heißt es in den Agenturmeldungen. Für Betroffene wie Christa K. ist die Entscheidung von Innenminister Schily ein Schlag ins Gesicht: »Wir können selber für unsere Angehörigen sorgen. Außerdem müssen die Menschen doch ein Anrecht darauf haben, sich nach allem, was sie erlebt haben, frei zu bewegen« sagt Christa K. verbittert. Doch das wichtigste sei, die Schwiegereltern zu finden. Dann könne man sich immer noch mit den deutschen Behörden herumstreiten.

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