Optimismus ist seine Sache nicht

Filmschau Das Festival "goEast" widmet sich der "Neuen Rechten" im osteuropäischen Film, und zeigt erschreckende Parallelen auf. Ansonsten spielte Politik eher selten eine Rolle

Es begann ganz nostalgisch mit einem Film von 1971, aus einem Land, das es nicht mehr gibt: Jugoslawien. Von dort kamen einst Filme, die durch eine neue Ästhetik überraschten. Karpo Godinas Film Vojvodina porträtiert nicht ohne Ironie und auch musikalisch die Vertreter jener Volksgruppen, die in diesem Teil Jugoslawiens lebten. Multikulti war in Vojvodina friedlicher Alltag. Auch er ging mit dem Zerfall des Tito-Staates verloren.

In einem anderen Beitrag zum Festival „Aufmarsch in Bildern – die Neue Rechte im osteuropäischen Film“ fordern Musiker einer nationalen Rockband die „Heimkehr“ der Vojvodina in ein Groß-Ungarn. Die heutigen Grenzen hatte der Vertrag von Trianon gezogen, für dessen Revision die ungarische Neue Rechte Propaganda macht. Da konnte man an die nationale Agitation gegen das „Schanddiktat von Versailles“ in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg denken. Beim Symposion des Festivals drängten sich solche Parallelen öfter auf.

In den zehn Spiel- und sechs Dokumentarfilmen des Wettbewerbs dagegen spielte Politik kaum eine Rolle. Private Konflikte wie das Scheitern von Ehen ermöglichen westlichen Zuschauern Identifikation mit östlichen Varianten des überall virulenten Problems. Drei Stunden lang folgt der rumänische Regisseur Christi Puiu in Aurora den Wegen des von ihm selbst gespielten, wortkargen Protagonisten durch ein tristes Bukarest und die Treffen mit Menschen seiner Umgebung. Mehr erfährt man über den Mann erst, als er sich der Polizei stellt und gesteht, mit seinem Jagdgewehr drei Menschen getötet zu haben: einen Anwalt und die Schwiegereltern. Das Motiv lässt sich nur erraten: Er gibt ihnen die Schuld an seiner Scheidung. In dem kroatischen Film Majka Asfalta (Mutter des Asphalts) von Dalibor Matanić verlässt die Frau mit dem siebenjährigen Sohn ihren Mann und das komfortable Eigenheim. Aus einem Abenteuer wird eine Autofahrt ins Ungewisse, bei der sie nicht minder frustrierten Menschen begegnet. Mehr als ein Ehedrama, eine genaue Studie der Einsamkeit.

Rückkehr des Avantgardisten

Optimismus ist nicht Sache des osteuropäischen Films. Mit dem Eröffnungsfilm Essential Killing kehrt der inzwischen 78-jährige polnische Avantgardist Jerzy Skolimovski auf den Regiestuhl zurück. Ohne Worte beschreibt er die Flucht eines arabischen Einzelkämpfers aus amerikanischer Gefangenschaft. Hungrig und erschöpft ist ihm nun eine eiskalte Schneelandschaft zum Feind geworden.

Vom russischen Regisseur Alexej Balabanow erwartet man meist einen Schocker. Im Mittelpunkt seiner jüngsten Arbeit Kochegar (Der Heizer) steht ein ehemaliger Major und Held der Sowjetunion, der heute das Geld für sich und seine anspruchsvolle Tochter mit der Verbrennung von Müll, aber auch unbequemen Leichen verdient. Als solche landet zuletzt auch seine Tochter im Ofen. Zu den Skurrilitäten gehörte neben einer Retrospektive des Prager Animationsmagiers Jan Švankmajer auch die ländliche Groteske einer vampirischen Familie, Wiegenlied von Janusz Machulski. An Vielfalt und Qualität ließ der 11. Jahrgang von „Go East“ unter der neuen Leitung von Gaby Babić kaum zu wünschen übrig.

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