Im Markt ist Wahrheit nur allein. Die Geschichte der Menschheit ist die Suche nach dieser Erkenntnis, so jedenfalls könnte die bündige Formel heißen, die künftig alle Lebensbereiche beherrschen soll. Und die Bildung soll hier keine Ausnahme machen. Deswegen die Idee, aus dem Bildungswesen einen Markt zu machen, mit Anbietern, die sich im Wettbewerb behaupten müssen. Endlich können die Lernenden selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln, und auch in den Bildungseinrichtungen muss sich nicht mehr der Kopf darüber zerbrochen werden, was denn zu lehren sei: Es genügt, sich an der Nachfrage auszurichten. Staatliche Mittel gibt es vermehrt dort, wo Drittmittel zu erwarten sind - von der Privatwirtschaft. Und auch die Wissenschaftsministerien sind nun davon befreit zu entscheiden, welche Forschung und Lehre zu fördern sind.
Regredieren und Unterwerfen als Mittel zur Freiheit? Hayek, der geistige Anführer des Neoliberalismus, hat die Sache in seinem "Weg zur Knechtschaft" beim Namen genannt: "Gerade dadurch, daß die Menschen sich früher den unpersönlichen Kräften des Marktes unterworfen haben, ist die Entwicklung der Kultur möglich gewesen (...) Der springende Punkt ist, dass es unendlich viel schwerer ist, logisch zu erfassen, warum wir uns Kräften, deren Wirkungen wir nicht im einzelnen verfolgen können, unterwerfen müssen, als dies zu tun aus demütiger Ehrfurcht, die die Religion oder auch nur die Achtung vor den Lehren der Nationalökonomie einflößte."
Was das für das Bildungssystem bedeutet, lässt sich in Friedmans "Kapitalismus und Freiheit" nachlesen: Es werden Bildungsgutscheine ausgegeben an Eltern oder Studierende. Diese haben damit die freie Wahl, welche Schule, oder welche Kurse sie besuchen. Damit sei die Wahrscheinlichkeit gemindert, dass sich der Staat in die Schule einmischte. Gewinnorientierte Erziehungsdienstleistungen würden nun möglich. Dies führe zu Wettbewerb und zu einer gesunden Vielfalt im Schulsystem.
Und so, durch zwei beinharte Neoliberale und Nobelpreisträger der Ökonomie angeleitet, blasen die Reformer zur Attacke auf das Bildungssystem. Wie wird das neue aussehen? Da die meisten davon leben, dass sie sich erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt anbieten, wird jeder versuchen, sich möglichst genau über die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu informieren und seine Bildungsnachfrage danach ausrichten. Damit produzieren Schule oder Universität jenen Output, der von der Kundschaft nachgefragt wird. Diese Kundschaft wiederum ist Input für die Unternehmen, die Arbeit auf dem Markt nachfragen. Diese Entwicklung verstärkt sich, je schwerer es ist, Arbeit zu finden.
Ist damit alles auf das Beste bestellt? Unter zwei Bedingungen: Wenn Vollbeschäftigung durch angemessene individuelle Berufsausbildung erreicht werden kann und wenn die Gesellschaft für ihre Entwicklung zum Besseren nichts weiter braucht als Fachleute.
Wenn aber Keynes oder Kalecki doch Recht hatten und Arbeitslosigkeit durch eine unzureichende Nachfrage als Folge eines zu hohen Gewinnanteils am Volkseinkommen verursacht wird, dann sinkt die individuelle Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden nicht, wenn alle - und nicht nur wenige - besser ausgebildet sind. Dann ließe sich die Sache nur politisch meistern. Wenn aber niemand diese traditionelle Makroökonomie als Bildung nachgefragt hat, dann weiß schließlich niemand mehr, wo die Lösung zu suchen ist. Dann ist die Unterwerfung unter die anonymen Kräfte des Marktes unser Lebenszweck und die Wissensgesellschaft der Fachleute vollendet.
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