Der gute Westen, der böse Osten -im Süden und in Russland gibt es eine andere Wahrnehmung

Ost-West,USA-Russland,Ukraine Der Verfasser hat seit Jahrzehnten Kontakte mit Menschen aus dem Globalen Süden und aus Russland, und hat vor allem viele Gespräche mit Wissenschaftlern aus Indien, China , Mexiko und Russland geführt

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Der gute Westen, der böse Osten - im Globalen Süden und in Russland gibt es eine andere Wahrnehmung

Von Hans-Jörg Schneider

Russland führt einen verbrecherischen Krieg, tut alles für den Erhalt seiner Macht und Einflusssphäre. Der Westen, besonders seine amerikanische Führungsmacht tut vermeintlich nicht mehr als die Demokratie, Menschenrechte und die Freiheit der Völker zur Selbststimmung zu verteidigen. Die Wahrnehmung der meisten Südamerikaner, Inder, Chinesen und Russen ist eine ganz andere – für diese war und ist es auch die Supermacht USA, welche ohne Rücksicht auf Völkerrecht und Verluste ihre Interessen und ihre Einflusssphäre mit Gewalt reklamiert. Erinnert wird in Gesprächen daran, dass der Vietnamkrieg Millionen Menschenleben gekostet hat, dass in Laos durch USA-Bomben 1964 bis 1973 Zehntausende starben, der Angriff im Irak zu über 100.000 Toten führte. Die CIA hat über Jahrzehnte mittelamerikanische Staaten kontrolliert, und in Chile den mörderischen Diktator Pinochet installiert. Bis heute leidet Kuba unter den Sanktionen der USA, deren Ende die UN-Vollversammlung immer wieder gefordert hat, erneut 2018 mit 189 Für- mit nur zwei Gegenstimmen (USA und Israel). Westlichen Regierungen haben gegenüber völkerrechtswidrigen Aktionen der USA fast nie Einspruch erhoben.

Russland als die andere Supermacht hat sich in keiner Weise anders verhalten. Die Sowjetunion hat im Zeichen des Kommunismus große Teile Europas über Jahrzehnte in Abhängigkeit gehalten und Diktaturen installiert, Kriege u.a. in Afghanistan und Tschetschenien geführt, ebenso viele Stellvertreterkriege in Afrika. Besonders die vermehrten Aktivitäten der russischen Wagner-Kampftruppen in Mali und anderen afrikanischen Ländern zeigen, dass Russland bei der Verfolgung seiner politischen Ziele keine Hemmungen kennt. Für die meisten Menschen im Globalen Süden ignorierten und ignorieren beide Supermächte das Völkerrecht wenn es um ihre Einflusssphären ging.

Die Deutschen hätten besondere Gründe, auch auf die Stimmen aus der dritten Welt zu hören, wenn es um die angeblich hehren Ziele des Westens und die teuflischen Ziele Russlands geht. Kein Land hat sosehr unter der Kriegsmacht Deutschland gelitten wie Russland. Die Traumatisierung durch diese mörderische Vergangenheit dauert besonders in der älteren russischen Bevölkerung bis heute an. Dass Tausende deutscher Soldaten nun direkt an der Landesgrenze aufmarschschieren ist für viele Russen ein Albtraum. Eine Zeitenwende welche Deutschland endlich kriegstüchtig machen soll kann in Russland nur zu einer breiten Akzeptanz des Putin-Regimes beitragen. Das Gleiche gilt für die NATO- Erweiterung bis zur russischen Grenze, entgegen den Versprechen nicht nur der deutschen und US-amerikanischen Außenminister Genscher und Baker in den neunziger Jahren. Bereits 1997 bezeichneten 50 ehemalige Senatoren, Regierungsmitglieder, Botschafter, Abrüstungs- und Militärexperten in einem warnenden Schreiben an Präsident Clinton die Erweiterung der NATO gegen Osten als einen politischen Fehler historischen Ausmaßes, der in Russland die undemokratische Opposition stärken und die Reformkräfte schwächen würde – genau das geschieht jetzt.

Für die meisten Russen war die Ukraine ein selbstverständlicher Teil ihres Landes, und die Krim ein beliebtes Ferienziel; die russische Sprache war bis 2022 in Zeitungen und Schulen weitverbreitet, auch in der Ukraine. Schon der Kiewer Rus war ein multiethnisches Reich. Besonders die Deutschen sollten alles tun um Eskalationen anlässlich des Ukrainekriegs zu reduzieren. Für die Beendigung des mörderischen Ukrainekriegs sollte man Initiativen etwa aus Brasilien, Südafrika und Indien ernstnehmen.

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