Bildung für alle. Ist Annette Schavan jetzt in der SPD? Hat sie das wirklich so gemeint, als sie vergangene Woche die Leitlinien ihrer Politik als neue Bildungsministerin ankündigte? Oder war das nur ein rhetorischer Trick, um die SPD links zu überholen? Die Frau wurde immer als ideologische Wunderwaffe der Konservativen gepriesen. Und nun schwingt sie SPD-Parolen.
Auch die andere Seite übt sich in Mimikry. In die Große Koalition der Weimarer Republik unter dem Sozialdemokraten Hermann Müller schickte die SPD 1923 und 1928 als Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding. Der hatte in seinem hellsichtigen Buch Das Finanzkapital den Imperialismus analysiert. Hjalmar Schacht und die Bankenlobby brachten ihn rasch zu Fall. In die Große Koalition 2005 schickt die SPD einen Mann namens Peer Steinbrück. "Der könnte auch Christdemokrat sein" lobten viele Unionisten den neuen Bundesfinanzminister, einen steifen Bürokraten, den Josef Ackermann seiner Bank vermutlich jederzeit als Steuerberater empfehlen würde. So sehen heute lupenreine Sozialdemokraten aus.
Als die Wähler 1998 Gerhard Schröder eine Koalition mit Bündnis90/Die Grünen aufgaben, schluckten die Sozialdemokraten. Was hatte die Neue Mitte mit diesen Systemveränderern und Krötenschützern zu schaffen? Mit den Christdemokraten gab es bei der jüngsten Regierungsbildung offenbar keine Berührungsängste. Nicht, dass es nicht erleichternd gewesen wäre, zu sehen, wie man die ideologischen Masken auch mal fallen lassen kann. Friedlich saß die linke Rebellin Andrea Nahles neben Roland Kochs rechter Spendenhand Franz-Josef Jung. Aber an die neue politische Beweglichkeit, die jetzt überall gepriesen wird, wollen wir erst glauben, wenn sie auch mal wieder neben Oskar Lafontaine sitzt. Wenn der Chef der Linkspartei im Bundestag rechts zur SPD herüber schaut, blickt er auf geschlossene Visiere.
Der Berliner Koalitions-Show-Down kommt uns wie ein später Sieg der Konvergenztheorie vor. Wie zu bipolaren Zeiten hatten sich zwei Machtblöcke ideologisch bis an die Zähne bewaffnet. Doch bei näherer Betrachtung erweisen sich beide als die gleichen, eilfertigen Mechaniker desselben Systems: des Wachstumsfetischs. Auch Union und SPD glauben - frei nach Heinrich Böll - an "jenes höhere Wesen, das wir alle verehren". Wir kennen keine Ideologien mehr, scheinen ihre neuen Spitzen zu sagen, Pragmatismus pur, die Maschine ölen, heißt jetzt die Devise. Handwerker aller Parteien, vereinigt Euch! Hier wächst zusammen, was offenbar längst zusammen gehört.
Der einlullende Systemsprech vom "das Land nach vorne bringen", den diese Protagonisten jetzt unisono abfackeln, liegt in der Logik eines schon länger schwelenden Flirts. Henning Scherf, ein ehemaliger SPD-Linker, mochte sich zum Schluss nicht mehr von der besonders bräsigen Bremer CDU trennen. In Brandenburg war Matthias Platzeck die Große Koalition wichtiger als ein kritisches Wort zu Jörg Schönbohms Ausfällen gegen die "asozialen" Ostdeutschen. In Berlin hingen CDU und SPD wie Kletten mehr als zehn Jahre aneinander. Die Linkskoalition, mit der sich Klaus Wowereit dann über Nacht ins Rote Rathaus beförderte, unterscheidet sich beim Sparen aber kaum von dem neuen Bündnis im Berliner Reichstag. Warum ziehen die Systemparteien also nicht endlich die fälligen Konsequenzen aus ihrer mehr als unterschwelligen Sympathie und feiern Elefantenhochzeit?
Wenn CDU, CSU und SPD jetzt den Wählern den Gürtel enger schnallen wollen, könnten sie doch schon einmal bei sich selbst anfangen. Die Parteien zusammen zu legen, böte sich nicht nur ideologisch an, es brächte auch gewaltige Synergieeffekte: Beim Ticketverkauf und beim Broschürenversand. Man könnte jede Menge Vorstandsposten einsparen und die Hälfte des Immobilienbesitzes versilbern. Gingen die drei in der Christlich-Sozialen Partei Deutschlands auf, hätten wir ein Bollwerk gegen die Linkspartei und endlich eine Parti mit funktionierenden Flügeln: Das Finanzkapital schwörte auf Friedhelm Merz, die Bellizisten auf Bushs Irak-Claqeuse. Und die Sozialstaatler hielten sich an Horst Seehofer und Ottmar Schreiner fest. Noch zieren sie sich. Noch sprechen sie verschämt von Zweckehe. Doch eigentlich gehören sie längst zusammen. Die Große Koalition im Parlament kann nur der Anfang sein. Zeigen Sie uns, dass Berlin nicht Weimar ist. Tun Sie etwas gegen die Parteienzersplitterung: Geben Sie sich einen Ruck und ringen Sie sich zur Großen Fusion durch. Deutschland wartet auf die CSPD. Zur Belohnung gibt´s auch einen Großen Zapfenstreich!
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