Gibt es faschistische Kunst? Die Frage ist so alt wie ungelöst. An breiten Schultern und Fackeln in der Kriegerfaust allein, so viel steht fest, kann man sie nicht erkennen. Und selbst die Heim-und-Scholle-Malerei, die das Dritte Reich favorisierte, begründete noch keinen spezifischen Stil. Sie war vor allem schlechte Kunst. Gerade weil die Frage, ob es eine Kunst des Faschismus gibt, wer dazu zählt und wie mit ihren Zeugnissen umzugehen ist, nicht nur äußerst schwierig zu beantworten, sondern in Zeiten eines neuen Rechtsextremismus auch so brisant ist, versteht es sich von selbst, dass alle Versuche, dieses Kapitel aufzuarbeiten, mit Argusaugen beobachtet werden.
Dass mit der Ausstellung Arno Brekers, die das Land Mecklenburg-Vorpommern am Wochenende in Schwerin eröffnen will, Hitlers Lieblingsbildhauer "in den künstlerischen Kontext eingeführt und als ästhetisches Mittel in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zurückgewonnen" werden soll, wie eine örtliche Initiative warnt, scheint übertrieben. Ein Komplott verkappter Neonazis war da nicht am Werk. Freilich vermisst man die nötige Sensibilität für dieses Unterfangen. In McPomm ist immerhin Ernst Barlach von den Nazis in den Tod getrieben worden. Und was die Ausstellungskonzeption anbetrifft, setzte man an der Küste offenbar mehr auf spektakuläre Alleinstellungsmerkmale im Kunstbetrieb als auf kritische, vergleichende Kunsthistorie.
Eine symptomatische Affäre: Gerade noch schien die Nation mit dem fröhlichen Fußballfest die Lizenz erworben zu haben, in den siebten Himmel des "geläuterten Patriotismus" entschweben zu dürfen, da kehren die Gespenster der Vergangenheit zurück. Genau zwanzig Jahre ist es her, dass eine Initiative mit dem Alarmruf "Keine Nazi-Kunst in unsere Museen" schon einmal verhindern wollte, dass Breker ungeschoren in einen Musentempel einzieht. Im Sommer 1986 grassierte in Köln das Gerücht, das Sammler-Ehepaar Peter und Irene Ludwig wolle ihre von Breker angefertigten Porträtbüsten im eigenen Stifter-Museum am Rhein aufstellen. Das Gerücht war falsch, doch Ludwig musste Äußerungen zu Breker und zur Kunst der NS-Zeit zurechtrücken. Wie heute hieß der erste Anti-Breker-Frondist Klaus Staeck.
So froh man ist, dass noch ein paar Restmengen von kritischem Patriotismus in der Suppe des neuen, "unverkrampften" Nationalgefühls gären. So sehr fragt man sich aber auch, ob Ausklammern und Ächten dem Problem auf Dauer gerecht wird. Ist Brekers frühes Werk, von dem Cocteau so schwärmte, hinfällig weil er später in der Reichskanzlei Heroenfiguren aufstellte? Müsste, moralische Konsequenz zur Richtschnur des ästhetischen Urteils erhoben, dann nicht auch Emil Nolde aus den Museen verbannt werden, der sich den Nazis früher als Breker andiente und die Überlegenheit der "germanischen Kunst" pries? Oder muss er drin bleiben, weil er trotzdem als "entartet" verfemt wurde? Und was ist mit Werner Marchs Olympiastadion? Müsste Berlin das einstige "Reichssportfeld" nicht eigentlich sperren?
Das Verhältnis der Kunst zur Macht eint den Fall Breker mit dem ansonsten ganz unvergleichbaren Fall Tübke. Nie hat der 2004 gestorbene Maler auch nur mit den Faschisten geliebäugelt. Sein Werk Lebenserinnerung des Dr. jur. Schulze aus der Mitte der sechziger Jahre gilt geradezu als Inkunabel des malerischen Antifaschismus zu einer Zeit, als im Westen Breker schon wieder Jünger-Büsten modellierte. Freilich hat sich der ästhetische Dissident Tübke als Hochschulrektor auf einen Seiltanz mit der realexistierenden Diktatur namens DDR eingelassen. Und er glaubte offenbar an Propaganda. "Faschistischer Terror" betitelte er eine Zeichnung aus dem Jahr 1956, das Gefallene aus dem ungarischen Volksaufstand zeigte. Die Frage, ob ein solches Bild im Jahr seiner 50. Wiederkehr in einer deutschen Volksvertretung hängen darf, ist berechtigt. Doch die Kennzeichnung als Artefakt des Irrtums oder der Verblendung wäre für die Besucher erhellender gewesen, als seine Verbannung in die historische Dunkelkammer, die Thüringens Parlamentspräsidentin Dagmar Schipanski von der CDU verfügte.
So groß die Unterscheide sind - der Streit um Breker und Tübke manifestiert eine sehr deutsche Sehnsucht nach dem reinen, unkompromittierten Künstler. Nach diesem Unikum kann man lange suchen. Wenn Anbiederung an die Macht ein Kriterium für den Ausschluss aus dem Museum wäre - der Olymp der Kunstgeschichte wäre rasch entvölkert. So lange wie die politische Verführbarkeit der Künstler nicht endlich ernsthaft kulturhistorisch aufgearbeitet wird, und zwar gerade im Museum, so lange stolpern wir zielsicher zur nächsten Skandal-Show.
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