Kunstform

Kommentar Streit um die Frankfurter Buchmesse

Nur nicht dran rühren. Das war die unerklärte Devise dieser Tage als es galt, das nach Klagenfurt zweitschrecklichste Ritual des Literaturbetriebs zu retten. In Sachen Frankfurter Buchmesse zeigten sich die Funktionäre der Kunst plötzlich als Traditions-Avantgarde. Sonst soll die Kunst am besten Zeit und Raum durchbrechen. Aber die Buchmesse, unsere gute alte Buchmesse soll bitteschön in Frankfurt bleiben. Die ortsansässige FAZ spielte sich auf, als gelte es, den Raub der Sabinerinnen zu vereiteln.

Nur, wo steht geschrieben, dass man mit Ritualen nicht auch einmal brechen darf? Die Zentralfeier zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober wandert auch zwischen den deutschen Bundesländern. Warum soll die Frankfurter Buchmesse nicht mal wandern können? Paulskirche hin, Paulskirche her. Es geht doch um das Buch. Nicht um die Stadt. Oder? Leider hat sich die Aufregung in Frankfurt nach dem ersten Schuss vor den Bug der Hotelpiraten schon wieder gelegt. Sie und die konkurrierenden Messepiraten können das jetzt wieder unter sich ausmauscheln. Und es sieht so aus, als ob das gut abgeschottete Raumschiff Buchmesse wieder wie gehabt in Frankfurt starten und landen darf. In der Empörung über die Pläne des Buchmessenchefs schwang immer die über das nahe Ende einer Kunstform mit, die sich gegenüber dem Bild in die Defensive gedrängt fühlte. Gerade deswegen bedürfte dieser Jahrmarkt einer grundlegenderen Reform als der der Hotelbetten und Standmieten. Der Messe mit ihren ausgetretenen Pfaden zwischen den geschlossenen Gesellschaften der Abendempfänge vom Frankfurter bis zum Hessischem Hof sollte sich noch stärker zur Gesellschaft öffnen. Und sie braucht mehr wirklichen »Geist« als den aufgeblasenen Intellektuellenkongress »Futura Mundi« - dem verunglückten give-away vom letzten Jahr.

Andere verstehen sich darauf: Auch wenn der Platz in den neuen Leipziger Messehallen der Falsche ist. Mit seinem Festival »Leipzig liest« hat die Stadt im Osten gezeigt, wie man gesellschaftliche Verankerung für eine Kunstform in der Krise organisieren kann. Trotzdem ist die liebenswerte Messe der Begegnungen und Gespräche als zweite deutsche Messe überflüssig. Sie schlägt zwar die Brücke nach Osteuropa, konzentriert aber insgesamt den Blick des Betriebs zu sehr auf den deutschen Bauchnabel. Eine einzige deutsche Messe, als Mischung aus den beiden Formen Leipzig und Frankfurt, an welchem Platz auch immer, wäre eine gute Lösung. Das enge Terminkorsett zwischen Leipzig und Frankfurt lässt nämlich auch wenig Raum für Exkursionen. Jetzt, wo sich alles globalisiert, würden wir liebend gern mal zur Buchmesse nach Mexiko oder Tokio fahren. Wenn man das viele Subventions-Geld, das in den Leipziger Messesand gesetzt wurde, dafür aufwendete, um jährlich einen deutschen Messestand auf einer der zahlreichen internationalen Buchmesse zu finanzieren, wäre viel gewonnen. Dem Horizont von Produktion und Kritik würde das nur gut tun.

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