Muslime, die Spaß haben – diesen Tumblr wollte die Drehbuchautorin Emily Gordon einmal einrichten, weil sich in den USA vor lauter Stereotypen und Angstrhetorik kaum noch jemand unspektakulär lebende Muslime vorstellen könne. Für Gordon dagegen ist das Alltag, schließlich ist sie mit Kumail Nanjiani verheiratet, einem muslimischen Comedian. Über ihre Beziehung haben beide nun auf Anregung von Judd Apatow eine in den USA äußerst erfolgreiche Indie-RomCom geschrieben, in der Nanjiani auch die Hauptrolle spielt.
Und in der es schon als gesellschaftspolitisches Statement zu werten ist, dass in den ersten zehn Minuten eine Studentin aus North Carolina mit einem Stand-up-Comedian und Uber-Fahrer aus pakistanischer Familie zielstrebig im Bett landet, woraus schließlich eine Beziehung wird, bevor überhaupt über Kultur, Religion oder Hautfarbe geredet wird.
Andererseits zeigt sich The Big Sick von Anfang an durch das biografisch gefärbte Stand-up-Programm von Nanjiani informiert, das sich ziemlich scharf an westlichen Stereotypen abarbeitet. Irritierten Blicken einer Familie im Café begegnen er und sein Bruder in einer Szene mit dem inbrünstigen Ausruf: „Wir hassen Terroristen!“ Nach einem Statement (natürlich: als Muslim) zu 9/11 gefragt, antwortet er trocken: „Eine Tragödie! Wir haben schließlich 19 unserer besten Männer verloren!“
Es sind diese bühnengeprüften Pointen, die Nanjianis Figur im Film profilieren und eine interessante minoritäre Subjektposition ins amerikanische Indiekino einbringen, die eng mit der Comedy-Form verknüpft sind: Sprachfiguren, die Bewegungsfreiheit im übercodierten Kulturdiskurs verschaffen, Tabus überhaupt sprachfähig machen. Leider wird genau das im Film zunehmend zum Problem, denn die Genreformeln der romantischen Komödie erweisen sich gegenüber den produktiven Störungen der Stand-up-Comedy als wenig integrationsfähig.
Pakistanische Kuppel-Mutti
Zunächst entwickeln Gordon und Nanjiani aus ihren biografischen Erfahrungen eine vorhersehbare Culture-Clash-Komödie, um nach dem unspektakulären Beginn Konfliktpotenzial aufzubauen: Der in seinen Shows so profiliert auftretende Comedian ist in seiner dominanten (aber natürlich liebenswerten) pakistanischen Familie ein ziemlicher Pantoffelheld, der wenig Gegenwehr gegenüber den Versuchen seiner Mutter aufbringt, ihn mit Single-Frauen aus ebenso dominanten pakistanischen Familien zu verkuppeln. Weswegen er seine neue weiße Freundin verheimlicht, was die wiederum irgendwann erfährt und daraufhin natürlich fürs Erste Schluss macht.
Aus dem Widerspruch zwischen öffentlicher Gesellschaftskritik und ängstlicher Konfliktvermeidung im Privatleben zieht The Big Sick schöne Pointen, wenn der Film etwa Nanjianis Solo-Show (deren Entwicklung ist analog zu seiner Persönlichkeitsreifung roter Faden des Films) anfänglich als lahmen Abriss über Geschichte und Geografie Pakistans skizziert, der nicht zuletzt Freundin Emily (Zoe Kazan) ratlos macht: „Ich hätte ja lieber mehr über dich erfahren!“ Allerdings homogenisiert der Film wiederum Nanjianis Migrationshintergrund als Drohkulisse, vor der die Beziehungsprobleme von Kumail und Emily überhaupt erst erzählbar werden.
Zu deren Lösung findet The Big Sick dann über einen interessanten Umweg: Nachdem Emily Schluss gemacht hat, führt eine lebensgefährliche Infektion dazu, dass sie acht Tage lang ins künstliche Koma versetzt wird. Eine Variation der RomCom-Formel – die sich gegen alle Widerstände entwickelnde Annäherung des Helden mit den Eltern der aus der Geschichte verschwundenen Heldin. Das verschafft Holly Hunter und Ray Romano als schrulligem Bildungsbürgerpaar dankbare Auftritte und ist Vorbild dafür, wie man sich heteronormativ zusammenraufen kann.
The Big Sick meint nun ganz wortwörtlich einen Zustand, bei dem Gags und Pointen fehl am Platz sind: Schluss mit lustig. Nanjianis Figur muss lernen, erwachsen zu werden. Sein biografisches und Bühnen-Wissen erweisen sich dabei als nutzlos. Mitten im Film entschuldigt er sich plötzlich für seine IS-Witze und gibt seiner Mutter recht, deren Standardseufzer lautet: „Du immer mit deiner Comedy!“ Wenn am Ende jeder Konflikt gelöst ist, passen die abgeschliffenen Kanten des Nanjiani’schen Humors, die trotz aller Politur nicht mehr recht glänzen wollen, zur Mattheit der beigen Interieurs bürgerlicher Wohnungen, auf die Emilys und Kumails Beziehung als gelebte Utopie schließlich zusteuert.
Großartig wäre The Big Sick geworden, wenn er versucht hätte, den existenziell beweglichen Sprachraum der Stand-up-Comedy mit der Krise der um ihr Leben kämpfenden Freundin zu verknüpfen – stattdessen scheint in dem Moment, wo es im Leben ernst wird, kein Witz mehr angemessen. Da führen falsch gesetzte Gegensätze dazu, die Integrationskraft eines normativen Film-Erzählens zu beschwören. Das „Wohoo“ von Emily bei Kumails letztem Auftritt (seine Solo-Show ist nun eine ziemlich humorlose – aber natürlich total reife – Selbstdarstellung geworden) pariert er noch scharfsinnig mit der Bemerkung, dass Anfeuerungen von Freundinnen jeden Komiker sabotieren würden.
Doch genau im Festhalten der sich über den Saal zublinzelnden Liebenden steigt der Film aus dem Programm aus, weil es für ihn seinen Zweck erfüllt hat: Muslime, die etwas ernst nehmen.
Info
The Big Sick Michael Showalter USA 2017, 120 Minuten
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