Achtung, Nachricht von Papa

Netzgeschichten Annäherung per Mausklick: Wenn adoptierte Kinder von ihren leiblichen Eltern per Facebook erfahren, ist die Freude nicht immer groß

Als endloses Spiel mit Masken und Pseudonymen wird die virtuelle Interaktion im Netz oft beschrieben. Wenn Datenschützer besorgt die Stirn darüber runzeln, was Teenager alles auf Facebook und Co. verraten, lachen viele junge Menschen und verweisen darauf, dass das doch alles nichts mit ihrem „echten Leben“ zu tun habe. Die Profilfotos sind bearbeitet, bis man einer Comic-Figur ähnelt. Fähigkeiten und Hobbys werden frei erfunden oder stark geschönt. Statt sich zu präsentieren, wie man ist, präsentiert man sich lieber, wie man sein möchte – eine Fantasiegestalt, ein besseres Netz-Ich.

Dass die Wirklichkeit im Internet aber manchmal auf unerwartete Weise in dieses Identitätenspiel einbrechen kann, zeigt eine aktuelle Debatte in Großbritannien. Dort berichten Jugendämter und Adoptionsagenturen laut Guardian von einem neuen Phänomen: Die leiblichen Eltern von Adoptivkindern, die bisher keinen direkten Kontakt mit ihrem Nachwuchs hatten, melden sich über Facebook. In der Regel läuft der Kontakt bei adoptierten Kindern oder jenen, die das Jugendamt aus Schutzgründen aus ihrer ursprünglichen Familie herausgenommen hat, über den Postweg. Die Adoptions­familie schreibt den leiblichen Eltern jährlich einen Brief, in dem sie über die Entwicklung des Kindes berichtet. Meist werden aktuelle Fotos beigelegt.

Kurznachrichten mit Brisanz

Kennt man aber etwa das genaue Geburtsdatum des Kindes, ist es ein Leichtes, es über seinen Facebook-Account aufzuspüren. Jugendpsychologen warnen jedoch vor den Folgen, die eine solche unvermittelte Kontaktaufnahme mit sich bringen kann. Die Jugendlichen erwarten in ihrem Postfach kurze Mitteilungen ihrer Freunde und lesen eine Nachricht, deren Tragweite kaum abzusehen ist. Eine Pflegemutter berichtete, dass ihre 16-jährige Adoptivtochter tagelang nicht ansprechbar war, nachdem ihr leiblicher Vater sie unvermittelt auf Facebook kontaktiert hatte. Eine besondere Brisanz bekommt die Debatte, weil etwa zwei Drittel der Kinder, die in anderen Familien leben, Fälle sind, in denen die Kinder von ihren leiblichen Eltern zuvor misshandelt oder missbraucht wurden. Oft können sich die Kinder daran aber nicht mehr erinnern, weil sie zur Zeit der Tat zu klein waren.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg könnte also nicht nur deutsche Datenschutzfreaks besänftigen, als er nun in der Washington Post Fehler eingestand. In den kommenden Wochen werde der Datenschutz verschärft, die Kontrolle der Nutzer vereinfacht, kündigte er an. Wie genau dies aussehen soll, ließ er ­allerdings erstmal offen.

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