„Wenn ‚Mausi‘ plötzlich Zähne zeigt“ hieß Anfang November ein Artikel in der Neuen Braunschweiger. Die „Fahrschulgemeinschaft Braunschweig“ habe sich etwas ausgedacht, um „den guten Ruf der Branche zu retten“: Kung-Fu. Der Ruf ist ruiniert, weil mehrere Medien seit einem Jahr über mutmaßliche sexuelle Übergriffe durch Fahrlehrer berichten. Eine Fahrschülerin hatte sich zur Wehr gesetzt und der Stadt eine Debatte über ihre Erfahrungen aufgezwungen. Wenn ein Fahrlehrer eine Schülerin betatscht, nutzt er aus, dass das Mädchen von seiner Gunst abhängig ist, dass im Auto niemand Zeuge wird, dass Fahrschüler unter großem Stress stehen, dass Fahrstunden für junge Leute viel Geld kosten, dass das Opfer wesentlich jünger ist, dass Gegenwehr noch schwieriger ist, wenn man sich gerade auf den Verkehr konzentriert.
Die Lösung für all das, wenn es nach der „Fahrschulgemeinschaft Braunschweig“ geht, ist also Kung-Fu. Die Neue Braunschweiger zitiert „Sifu“ Peter Graun: „Ich vermittele die Grundtechniken des Wing Chun, führe die Schüler aber auch in die Regeln und Werte des Kampfsports ein – Respekt und Höflichkeit.“ Auf den Fotos neben dem Artikel sieht man fünf alte Männer, eines zeigt die Herren in Faustkampfstellung.
Dass ein „respektvolles und höfliches“ Nein aber eigentlich nichts wert ist und Täter darüber im Zweifelsfall lachen, wird schon mal vorausgesetzt. Dann sollen die jungen Frauen eben, wie Uma Thurman in Kill Bill, die sexuelle Belästigung mal kurz mit Gewalt regeln. Gerade bei 130 Sachen auf der Autobahn wird das den grapschenden Fahrlehrer gewiss beeindrucken: so tough, so selbstbewusst, so sexy.
Der Name der Kampagne, bei der alte Männer jungen Mädchen beibringen sollen, ihre Fahrlehrer zu verprügeln, ist übrigens: „Nein heißt Nein“. Echt jetzt? Solange sie nicht „Nein“ gesagt haben, dürfen Männer also alles mit Mädchen anstellen – mindestens ein Mal Hinlangen ist drin.
Dabei ist das Motiv der wehrhaften Frau ein frauenfeindlicher Reflex, bei dem sich Feministinnen mit Frauenfeinden immer wieder einig zu sein scheinen. Männliche Verantwortung wird delegiert – und einige Feministinnen fallen drauf rein, weil sie sich zu sehr mit dem Bild der starken Frau identifizieren. Dann doch lieber die alte Forderung der zweiten Welle der Frauenbewegung, dass Frauen gefälligst gewaltfrei leben können sollen.
Übrigens: Der Produzent von Kill Bill, dem Film mit der Ikone weiblicher Gegenwehr im gelben Einteiler, war: Harvey Weinstein.
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