Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg hat gute Beziehungen zur Bild-Zeitung. Er gibt sich keine Mühe, das zu verbergen. Sein erstes Interview als Verteidigungsminister, in dem er von den „kriegsähnlichen Zuständen“ sprach, die manche Soldaten in Afghanistan vielleicht erleben könnten, gab er dem Blatt mit den großen Buchstaben. Dafür wurde er sehr gelobt, obschon er selbst von Krieg nicht sprechen wollte. So surreal ist die deutsche Außen- und Kriegspolitik inzwischen geworden. Die Veröffentlichung der Wahrheit über Kundus fand ebenfalls in der Bild statt, und wenn man sich die bisherigen, eher bescheidenen investigativen Leistungen des Blattes auf dem diesem Feld ansieht, müsste man schon sehr dämlich sein, hier nicht die freiherrliche Hand am Werk zu sehen. Und dann lud der Minister kürzlich auch noch das erklärende Interview zu den Veröffentlichungen und ihren Folgen eigenhändig in Springers Sturmgeschütz der Demagogie.
Glück des Tollkühnen
All das ist bemerkenswert. Es fällt einem so schnell kein Fall ein, in dem ein Politiker sich gleichsam mit Haut und Haaren einer Zeitung verschrieben hat. Und dann so einer. Nichts gegen die Bild. Sie ist nicht mehr die Sudelpostille der Vergangenheit. Die Zeiten von Günter Prinz und seinen denkwürdigen Schlagzeilen („Angst vor Frühjahrsputz. Hausfrau erschlug sich mit Hammer“) sind lange vorüber. Der heutige Bild-Chef Kai Diekmann ist ein kluger Medienmanager, der im Streit um eine Berliner Fassadenapplikation in Penisformat gerade mal wieder zeigt, wo der selbstironische Hammer hängt und die Genossen von der taz dabei ganz schön alt und dösbaddelig aussehen lässt. Er hat sein Blatt in die gesellschaftliche Mitte geführt und fühlt sich jetzt in Sichtweite all der anderen Blätter ganz wohl, die sich da inzwischen tummeln. Dennoch ist Diekmann gefährlich und die Bild ist es auch, und Guttenberg geht ein Risiko ein, wenn er sich derart diesem Blatt verschreibt.
Er wird dieses Risiko für sich kalkuliert haben. Anders kann man sich diesen Mann, nach allem, was man inzwischen von ihm weiß, nicht vorstellen. Er weiß, was er tut und er ist bislang gut damit gefahren. In seiner kurzen Zeit als Wirtschaftsminister hat er sich mit Angela Merkel über Opel angelegt und mit Horst Seehofer über Quelle. Dass er erst wenige Wochen im Amt war, hat ihn bei Merkel nicht gestört und dass Seehofer ihn in dieses Amt gehoben hatte, hat ihn bei Quelle nicht gestoppt. Dieser Guttenberg ist entweder sehr klug oder sehr tollkühn. Oder er hatte bislang einfach eine Menge Glück. Aber das hilft ja bekanntlich auch nur dem Tüchtigen.
Er ist hoch gestiegen in kurzer Zeit. Solche Leute können sich vor allem selbst gefährlich werden. Die Hybris greift nach ihnen. Und sie geben sich ihr hin. Das ist eine Widrigkeit, die dem Helden Guttenberg noch schwerer zu schaffen machen kann als die vielköpfige Hydra des Boulevards.
Auf die Krise von Kundus hat Guttenberg mit einem heftigen Befreiungsschlag reagiert: Er hat den Generalinspekteur der Bundeswehr, mithin den höchsten deutschen Soldaten, und seinen Staatssekretär, mithin seinen zweiten Mann, kurz und knapp entlassen. Wenn die Geschichte stimmt, die zu lesen war, dann hat er ihnen zweimal die Chance gegeben, ihre Falschaussagen im Zwiegespräch zu korrigieren. Und hat sie dann abgesägt.
Das letzte Aufgebot
Das nennt man Vorwärtsstrategie. Es erinnert an den ziemlich lustigen Action-Film Crank, in dem Jason Statham nie zur Ruhe kommen darf, sein Blut immer mit Adrenalin überschwemmen muss, um nicht an einer besonderen Vergiftung zu sterben. Aber was, wenn Guttenberg einmal zur Ruhe kommt? Was bleibt dann? Wird er mit dem Apparat des Verteidigungsministeriums zurechtkommen? Wird er mit der Bundeswehr zurechtkommen, von der wir inzwischen Dinge gelernt haben, die wir lieber nicht wüssten. Es gibt dort offenbar einen unverantwortlichen Corpsgeist, der weder vor den außen- und verteidigungspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland halt macht noch vor den innenpolitischen Verwerfungen, die daraus erwachsen.
Präsident Obama hat in seiner Rede in West Point nun ein Rückzugsszenario angedeutet. Ab Sommer 2011 sollen die GIs nach Hause geholt werden. Das ist eine absehbare Zeit. Erst einmal aber werden 30.000 zusätzliche US-Soldaten in Marsch gesetzt. Bis Mitte 2010 werden also 100.000 Amerikaner und 45.000 Soldaten aus anderen Nationen in Afghanistan stehen. Das ist das letzte Aufgebot. Der Westen hat diesen Krieg satt und sucht nur noch den gesichtswahrenden Abzug. Die ersten gehen jetzt schon nach Hause: Kanadier und Holländer haben angekündigt, das Gepäck aufzunehmen. Merkel ist nicht Schröder. Sie wird sich nicht offen gegen Amerika stellen, zumal nicht gegen einen Präsidenten, der von Rückzug spricht. Sie wird versuchen, ihr Kabinett in amerikanischer Deckung durch die afghanischen Widrigkeiten zu manövrieren. Aber der Krieg ist die Hölle – nicht nur für Soldaten, auch für Politiker. Guttenberg ist bislang vor allem darum eine Ausnahmeerscheinung, weil er sich den Nimbus der Glaubwürdigkeit geschaffen hat. Jetzt kommt es für ihn darauf an, diese Glaubwürdigkeit für den Rest des Krieges zu bewahren. Wenn ihm das gelingt, wer weiß, was dann noch aus ihm werden kann.
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