Dieter Bohlen, der Tambourmajor der Bussi-Bussi-Szene ohne die unerlässlichen Veronas, Nadjas und Estefanias, wo hat man das schon mal gesehen? Vorige Woche zeigte sich der Schlagerstar in der Berliner Ausgabe der Bild ohne Gefährtin, jedoch umringt von einer Gruppe Wiederkäuer. Dieter Bohlen ist nämlich ein Pferderetter, einer von vielen Prominenten, die in den Hauptstadt-Gazetten ihren Obolus zur Rettung der Berliner Reiterstaffel anbieten. Das ist eine geschichtsträchtige Einrichtung der Berliner Polizei, die der neue Senat mitsamt des Polizeiorchesters abschaffen will, aus Spargründen.
Dieser Plan treibt zur Zeit die Berliner, glaubt man den Zeitungen, auf die Barrikaden, zumindest seitdem die B.Z. Anfang der vorigen Woche vermeldete, 44 Polizeipferde müssten wegen der Sparpläne auf die Schlachtbank. Das sofortige Dementi der Senatsverwaltung verpuffte sogleich. Doch nachdem Bohlen angekündigt hatte, zehn Pferden auf seinem Gut in einem niedersächsischen Kaff mit dem pikanten Ortsnamen Tötensen das Gnadenbrot zu schenken, folgte täglich eine neue herzzerreißende Folge der Serie "Die B.Z. rettet die Berliner Polizeipferde". Natürlich hat die Zeitung eine Unterschriftenaktion initiiert.
Unterschreiben kann der geschätzte Leser derzeit auch bei der Berliner Morgenpost. Die rettet keine Pferde, sondern gleich ein ganzes Krankenhaus - die Uniklinik Steglitz - obwohl es nicht im eigentlichen Sinn geschlossen werden soll. Die Freie Universität bildet hier ihre Medizinstudenten aus, und der Senat will den Hochschulbereich in fünf Jahren schließen, die Studenten sollen dann an die Humboldt-Universität und damit an die Charité wechseln. Kurz gesagt: das Krankenhaus bleibt, es verliert aber seine Professoren. In Berlin hat es in den vergangenen Jahren viel Streit und viele Demos um die Schließung von Krankenhäusern gegeben. Doch niemals war der Protest so groß wie nun; wobei das eigentliche Politikum, dass nämlich die ehrwürdige Westberliner Freie Universität mit der Hochschulmedizin ihren Status als Voll-Universität verliert, am wenigsten der Anlass dafür sein dürfte, dass Demonstranten sich aufmachten, einen SPD-Parteitag zu stürmen. Alle reden nur vom "Aus für das Klinikum".
Rot-Rot - erwartungsgemäß sollten die Springerblätter doch dagegen zu Felde ziehen: Beklagen, wie die Genossen ihre Seele an die Postkommunisten verkaufen, anprangern, wie die Söhne der Mauerbauer nun wieder die Macht in der Hauptstadt übernehmen, und in pathetischen Worten das Ende aller Metropolenträume verkünden. Letzteres tut nur der Tagesspiegel, der Rot-Rot offenbar als persönlichen Angriff gegen seine rastlose Tour zum Gipfel der Hauptstadtzeitungen begreift. Die anderen Berliner Zeitungen dagegen melden brav den Austritt eines jeden "verdienten" SPD-Genossen und haben im Übrigen für ihre Kommentare und Leitartikel Defätismus gebucht. Nicht allein Georg Gafron, der Chefredakteur der B.Z., übt sich resigniert im republikanischen Treueschwur, als Demokrat natürlich auch den Ostberliner Wählerwillen zu respektieren.
Es scheint, als müsste dieser Respekt auf seine Weise kompensiert werden. Neben den Kampagnen für die Polizeipferde und das Klinikum hat in den Hauptstadt-Zeitungen auch ein Wowereit-Bashing mit ganz besonderer Note begonnen. Da zeigen sie wieder, was für Tugendwächter sie sind. Nach jeder neuen Ball-Woche kommen die pikierten Fragen, was der Regierende den jetzt schon wieder auf der x-ten Benefiz-Gala zu suchen gehabt habe. Regieren soll der "Partymeister" und nicht poussieren!
Die Geschichte der Zeitungskampagne ist so alt wie der Journalismus selbst und reicht von der Berichterstattung im Fall Sebnitz über die Abkürzung DDR in Gänsefüßchen bis zur Affäre Dreyfuß zurück. Befragt man ein Lexikon des Journalismus, heißt es dort, der Kampagnenjournalismus neige dazu, "die vermittelnde Botschaft wichtiger zu nehmen als die tatsächliche Faktenlage". Im aktuellen Fall trifft das nur zum Teil zu. Denn die Fakten stimmen. Doch es kann nur eine Form der Botschaft geben, davon scheinen die Redaktionen der Häuser Holtzbrinck, Springer und Gruner + Jahr - einzige Ausnahme die Berliner Zeitung - überzeugt. So tätscheln sie allesamt ein juste milieu, das, wenn es wirklich so groß wäre wie diese Blätter offensichtlich annehmen, Rot-Rot leicht unter die Fünf-Prozent-Hürde gedrückt hätte.
Während ihrer Koalitionsverhandlungen waren PDS und SPD dagegen noch allseits medialer Milde würdig. Auch damals waltete die Macht des Faktischen: Nur diesem Bündnis traute die von der großen Koalition übersatte Hauptstadtpresse eine stabile Mehrheit zu. Kaum installiert, wacht sie nun vor dem Scherbenhaufen auf. Das führt nun zu jener seltsamen Art der Political Correctness, die den Begriff schon fast ins Gegenteil verkehrt: Ist es noch "korrekt", wenn man sich verbietet, zu kritisieren, was man für politisch falsch hält, nämlich Rot-Rot, und gleichzeitig anprangert, wofür man sonst jede andere Konstellation in die Pflicht genommen hätte, nämlich zu sparen? In diesem Sinne ist Frank Steffel ein Aufrechter, er hat noch nie was von Rot-Rot gehalten.
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