Ist das nicht mal was Neues auf einer Titelseite? Eine blondgesträhnte junge Dame liegt langgestreckt, mit halb offenen Mund, und doch wenig anzüglich, eher wie vor der Glotze, auf einer pastellfarbenen Matratze, während Mann unscharf im Hintergrund vor einer Tonschale kniet und Tulpen knipst. "Oase des Glücks", steht darunter. Warum dieser klischierte Austausch der Geschlechterrollen? Ist das ein neues Magazin für den Hausmann? Die Brigitte mit einem seichten Schuss Feminismus? Die Spannung fällt schon auf der ersten Aufschlagsseite des Magazins. Da hat Mann nach vollbrachter Arbeit dösend seinen Kopf fest auf die Taille gebettet und Frau ringt sich unter dem Gewicht ein zahnweißes Lächeln in die Kamera ab. Alles wieder im Lot - nur ein kurzer Ausreißer also? Ist Modern living wieder eine dieser schnell daher gelaufenen, neuen Illustrierten, die man künftig in den zerlesenen Zeitungsstapeln beim Friseur oder Arzt finden kann. Dafür spricht viel, doch ein bestimmtes Unbehagen verlässt einen nicht, hat man das Heft einmal durchgeblättert. Und das ist nicht nur die Leere, die einen nach über 200 Seiten verteiltem, eintönigem Design, auch in anderen Blättern überkommt. Dieses Blatt hat sich Uniformität im individualitätsdienlichen Nonkonformismus zum Ziel gesetzt, mit dargestellten Ausreißern unterfüttert, und sie als mittelmäßige Heilsbotschaft formuliert.
Nach der Fitnesswelle und seinem Pilotblatt Fit for Fun wurde im September mit Modern living eine neue Ära im Zeitungsmarkt für deutsche Eitelkeiten eingeläutet. Nicht mehr der gesunde, dynamisch-sportliche Körper ist das Ziel unserer Wünsche, sondern unsere Wohnung. homefashion heißt die Wortschöpfung, die das Heft auf einen allumfassenden Nenner bringen soll. Und dabei handelt es sich nicht einfach um ein Magazin, das jetzt, nachdem sich halb Deutschland die neuen Wintergärten mit Rattan-Sofas im Landhaus-Stil eingerichtet hat, einfach auf das neue Pferd der sparsamen Designs, der leeren Räume und der funktionalen Resopal-Möbel gesetzt hat. Im Untertitel heißt Modern living "Wohnen - Leben - Wohlfühlen". Hier wird Wohnen zum Ausdruck des Individuellen stilisiert, die eigenen vier Wände werden zum Schauplatz der Selbstentfaltung, der Lifestyle erreicht einen neuen Höhepunkt mit der Wahl der Tapetenstruktur. Nicht ganz abwegig in Zeiten, da der Begriff "Eigenheim" wieder zu neuen Ehren gekommen ist, das Domizil - nach der Kleidung - zur dritten Haut des Menschen erklärt wird, und die Statusdefinition über Mode, Job oder Hobby den saisonalen Trends ausgesetzt auf Achterbahnfahrt mit Dreifach-Looping gehen muss. Lebensqualität heiße Abschalten können, schreibt Chefredakteur Thomas Garms im Editorial der Mai-Ausgabe.
Darin erschöpft sich die Flucht in die eigenen vier Wände und die Feier des neuen Privatismus aber nicht nur im Biedermeier eines mit italienischem Design angereicherten Ikea-Interieurs, zart pastell natürlich. Ganzheitlich wie die Macher von Modern Living denken, geht es um Lebensdesign, homefashion tritt gleichberechtigt neben Konsum-Knigge und die Benimm-Fibel für die häusliche Sushi-Party, und auch hier klingt alles, weich, versöhnlich und gehörig patronisierend, denn überhaupt: "Sanfte Töne anzuschlagen schafft Nähe - und auch die Harmonie kommt dann auf leisen Füssen", sagt der fragliche Artikel.
"Bewusstes Leben" heißt eine Abteilung des Magazins, und darin findet die Rubrik "Lebensart" großen Platz. Nach zwölf Seiten wissen wir, dass wir keine haben. Unser Friseur genügt schon längst keinen Ansprüchen mehr, wir sind völlige Stümper, was Versandkauf angeht ("Bieten sie den Möbellieferanten charmant eine Tasse Kaffee an und bestehen Sie dann darauf, dass sie die Verpackung wieder mitnehmen."), und haben auch seit Jahren keine halben Zitronenschnitze im Staubsaugerbeutel liegen gegen die unangenehmen Gerüche. Nein, da kann keine Lebensqualität aufkommen.
Genau dieses Wort nimmt das Heft allerorten auf die Seiten. "In sieben Schritten zu mehr Lebensqualität", heißt ein anderer Text. Wie könnte es anders sein: Das Lob des Carpe diem, aber nicht ohne disziplinierende Untertöne, wohlgemerkt. Lebensqualität heißt vor allem Einhaltung der richtigen Etikette. Falsch ist, sich ein Sofa zu kaufen, aber keinen Couchtisch, dann herrscht Chaos im Wohnzimmer. Noch falscher: Ohne Einkaufszettel in den Supermarkt zu gehen, oder gar mit einem, "der die Warenanordnung" nicht berücksichtigt. Am falschesten aber: Zu einer Verabredung mit einer flüchtig bekannten Frau zum Essen zwölf gelbe Rosen mitzubringen, neun weiße Freesien wären die Richtigen.
Mit Stil hat das wenig zu tun, aber offenbar mit dem Grundprinzip: "Mit möglichst wenig möglichst viel erreichen". Es gehe um Leben, heißt es irgendwo im Heft, "statt nur zu existieren. Der Aufwand: der kleinstmögliche, den man sich vorstellen kann. Das Ergebnis: maximale Zufriedenheit." Alles Klimbim. Stellen Sie sich mal vor die Wahl, welches der vielen erhältlichen Dschungelblätter sie einsam in einer dieser neuzeitlichen Reagenzglasvasen drapieren wollen. Der seelische Stress und Aufwand ist mit einem dicken Strauß Rosen geringer.
Und so kommt es, das sich mit diesen blütenreinen, antiseptischen Wohnlandschaften auf Hochglanzmatt und den ungeschminkten aber mit Zahnweiß polierten Visagen, die diese bevölkern eine Stimmung einstellt, für die "horror vacui" ein viel zu hübscher Begriff ist, machen wir's schlichter: gelangweilter Überdruss. Sehen wir uns den von Modern living gleich mitgeliefertem Vorschlag für die Mini-Urlaub vom pastell-farblosen und kleinbürgerlichen Alltag im 21. Jahrhundert an: Lassen wir beim Einkaufen doch mal eine Rotweinflasche auf den Boden fallen. "Locker bleiben. (...) Die Bezahlung der Ware fällt aus Kulanzgründen meistens aus", heißt es da.
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