Was brauche mir des Scheissolympia!

Sportplatz »Frankfurt! Was wolle die in Frankfurt?« schreit ein bis zum Anschlag befüllter Tresenrentner im Frankfurt-Bornheimer Lokal Zum Alten Schlagbaum zwei ...

»Frankfurt! Was wolle die in Frankfurt?« schreit ein bis zum Anschlag befüllter Tresenrentner im Frankfurt-Bornheimer Lokal Zum Alten Schlagbaum zwei Tage vor der Entscheidung über die deutsche Olympiabewerberstadt. »Frankfurt, des kannst vergesse! Düsseldorfer hat des verdient, Düsseldorf hat alles! Dene fehlt nix!«

»Ja, S-Bahne und alles habbe die da!«, pflichtet ihm der Schnapskumpan bei, und der Dritte im Bierbunde lotet die Geographie der Kandidatenregion Düsseldorf-Rhein-Ruhr aus: »Mensch, vo Düsseldorf bis Castrop-Bottrop geht des, alles da! Was brauche mir des Scheißolympia! Des müsse die Düsseldorfer und die Wuppertaler mache!«

Das Rennen gemacht hat Leipzig, und am Sonntag, einen Tag nach der Überraschungswahl, heißt Trinkhallenchef Costa die Entscheidung gut: »Was will Frankfurt? Die ham doch nix!«, regt er sich auf und erzählt, in Griechenland sei Leipzig als »beste deutsche Stadt« anerkannt, wegen Kultur und so fort, es gebe sogar einen griechischen Namen für Leipzig, für Frankfurt natürlich nicht. »Frankfurt und Kultur? Ha!« faucht Costa und ist´s zufrieden.

Prophetisch hatte der Stern (16/2003) vorausgesagt, »dass die Funktionäre keine Wahl haben« und an der »sympathischsten deutschen Stadt«, an Leipzig, einer Stadt auch mit sogenannter und großer »Tradition« in Sportdingen, kein Weg vorbeiführe. Überdies versammele keine andere Stadt »im Moment mehr Sympathien in der Welt« auf sich. Die internationalen Metropolenkonkurrenten im jetzt beginnenden Struggle of Olympiaaustragung 2012? Rio de Janeiro? Lächerlich. London? Blair. Madrid? Aznar. New York? Also bitte!

»Nie war eine Uhr spannender als heute«, lachte Wolf-Dieter Poschmann, ZDF-Moderator der stundenlangen Liveübertragung aus dem Münchner Hilton am Samstag und feixte, als der von der Düsseldorfer Kö zugeschaltete Kollege einen nervositätsbedingt steigenden Bierkonsum vermeldete: »Was auch sonst? Abwarten und Bier trinken!«

In Leipzig wurde derweil für den Sieg geweint und gebetet und zumal das eine oder andere Kontingent Rotkäppchen-Sekt eingefahren. Vor dem Hamburger Rathaus allerdings konterte parallel ein Lokalmime der Polizeiserie Großstadtrevier: »Wir trinken gerne!« Das indes langte nur bis zum Showdown.

Ob denn die Sektreserven auf dem Leipziger Markt reichten, erkundigte sich wenig später Poschmann besorgt, und der zuständige Reporter bestätigte, neben ihm sei bereits »ein ganzer Sack Sekt« seiner Bestimmung zugeführt worden. Simultan war zu vernehmen, es gehe, so Poschmann, im Segelrevier Rostock-Warnemünde »so langsam der Sprit aus«, während hinterher die ehemalige Kanutin Birgit Fischer, eine Befürworterin Leipzigs, erklärte, der unerwartete Triumph der Sachsen sei das Ergebnis »einer absoluten Energiegeschichte«.

»Leipzig? Um Gottes Wille! Die habbe unsere Milliarden im Arsch! Die solle ihren Scheiß hinkriege!« hatte das Frankfurter Rentnertrio entschieden und damit beim Doppelten auf doppelter Linie danebengelegen. Ob nun die prognostizierten 8.000 Arbeitsplätze in und um Leipzig entstehen, ist nicht verifizierbar. Zumindest die geistige Getränkeindustrie aber wird sich über neue Aufträge freuen können. An den Frankfurter Tresen und Trinkhallen und in Leipzigs Kellern stehen die Aktien auf Radikalrausch, und die Hamburg-Düsseldorfer Frustbewältigung dürfte gleichfalls in klassischer Manier betrieben werden.

Die Stuttgarter? Die horten weiter ihr blödes Geld. Stocknüchtern, ja stuttnüchtern.

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