Lieber Wunderwuzzi

Nachwuchs Österreich hat jetzt einen 27-jährigen Außenminister. Aber was bringt das der Jugend? Ein offener Brief einer Gleichaltrigen

Lieber Sebastian,

seit gestern bist du österreichischer Außenminister. Und du bist 27 Jahre alt. Ich auch. Und weil ich finde, dass einen dasselbe Alter trotz aller weltanschaulichen, politischen und auch sonst noch möglichen Unterschiede auf eine gewisse Weise eint, möchte ich dir einen kleinen Brief schreiben. Ich will jetzt auch gar nicht über das Aaron-Carter-Prinzip ranten, weil es ja prinzipiell nicht Schlechtes ist, wenn junge Menschen in der Politik früh Verantwortung übernehmen dürfen. Im Gegenteil, es ist ein bisschen wie mit der Quote. Junge Menschen in einflussreichen Positionen garantieren, dass bestimmte Themen vorkommen – und zwar mit einem berechtigten Blickwinkel.

Aber so ein paar Fragen habe ich doch. Es ist ja immer verführerisch, sich mit Gleichaltrigen zu vergleichen, um zu sehen: Wer arbeitet schon, wer hat Kinder, wer Geld, wer Erfolg und wer hat vielleicht schon einen festen Lebensplan. Gesellschaftlicher Standardvergleich, meistens auf Facebook natürlich. Machen wir alle.

Also habe ich mal bei dir reingeschaut und gesehen: Das ist ein waschechtes Politikerprofil. Eine Menge hochoffizieller Bilder, sogar eines mit dem Dalai Lama. Wäre ich Politikerin, würde ich vor Neid erblassen. 34.840 Follower. Das ist fast so viel wie mein Arbeitgeber. Aber, und das kann einem dann doch ein bisschen leid tun, nichts Privates. Wann bist du letzten Freitagabend ins Bett gegangen? Und wann letzten Sonntag wieder aufgestanden? Das soll kein Coolness-Vergleich sein, darüber sind wir ja lange hinaus (räusper!). Aber puh, gar nicht mehr ausschlafen? Immer Sakko tragen? In jeder Bar aufpassen, das keine peinlichen Partypics geschossen werden? Naja, und dann deine Geschichte mit den gefakten Facebookfreunden und Tweets. Wie die alten Säcke!

Das ist doch ein Widerspruch in sich: Als Vorzeigejüngling für eine konservative Partei vorgeschickt zu werden, weil man rund 20 Jahre unter dem Altersdurchschnitt liegt – und dann doch alles genauso oll mit dem Anstrich von fancy-aufgepeppt zu machen, wie die Etablierten, um ernst genommen zu werden. (Okay, es war damals 2008. Aber "Schwarz macht Wien geil"? Really? Und vielleicht sollte man auch noch mal über die Kategorien sexy und sexistisch sprechen? ) Was dann, mit Verlaub, eher so mäßig funktioniert. Und an den Film Der seltsame Fall des Benjamin Button denken lässt, in dem Brat Pitt einen jungen Mann spielt, der aussieht wie ein Greis.

"Wunderwuzzi" als Spitzname ist jetzt zumindest nicht nur respektvoll, wobei es im Österreichischen so viel wie "Tausendsassa" bedeutet. Aber dieses komische WUWU, also lauttechnisch beschleicht einen das leise Gefühl, sie würden dich nicht ganz ernst nehmen.

Vielleicht macht dir das aber auch nichts. Aber wenn das so läuft, lieber Sebastian, dann kann ich deine Angelobung als Außenminister leider nicht liken. Dir natürlich trotzdem nur das Allerbeste.

Hochachtungsvoll,

oder wenn du lieber magst: Ahoi Babo.

Deine Jule

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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