Spenden für Anfänger

Zum Monatsende Plasma Ein blutiger Erfahrungsbericht

"Zum Monatsende wird es hier bei uns im Plasma Center doch recht voll", meint die freundliche junge Dame am Telefon. "Vielleicht kommen Sie doch besser erst in ein paar Tagen zu uns, dann wird weniger los sein." Verwundert frage ich, warum ausgerechnet am Monatsende solcher Trubel herrscht. "Tja", kommt es lapidar, "dann wird das Geld bei den Leuten knapp. Das ist der simple Grund." Ich schlucke. Doch kurz darauf habe ich einen Termin: Donnerstag, Ende August, 9.30 Uhr. Zivile Uhrzeit, denke ich, und lege den Hörer aufgeregt zur Seite. Plasmaspenden, das geht an die Substanz.

Blutplasma kann bis heute nicht künstlich erzeugt werden. Darum müssen Spender her: Allein in Deutschland opfern tagtäglich über 7.000 Menschen ihr Plasma. 5.000 Liter wechseln dabei innerhalb kürzester Zeit ihre Besitzer. Aber selbst dieser Aderlass reicht nicht aus, um den hohen Bedarf zu decken. Deshalb werden große Mengen aus den USA importiert. Die Nachfrage ist immens. Ebenso gewaltig ist aber auch der Andrang potenzieller Spender, die am Monatsende nur aus einem einzigen Grund das Center anlaufen: Sie wollen schnell und unkompliziert Geld verdienen.

Wie im Flug vergehen die Tage, und schon ist der Plasmaspendetag angebrochen. Punkt 9.30 Uhr stehe ich wie viele Gleichgesinnte in eher verhaltener Spendierlaune vor dem Gebäude - das flaue Gefühl im Magen will nicht weichen. In den Räumlichkeiten des Centers herrscht rege Betriebsamkeit. In Dutzenden von kleinen Kabinen stehen Menschen - wie es scheint, zu allem bereit. Alles läuft wie am Schnürchen, wie ein präzises Uhrwerk, langsam aber stetig: Zuerst der Empfang, dann die Kabine, der Center-Arzt, dann wieder zurück in die Kabine. Ständig gehen Leute mit weißen Plastikbechern an mir vorbei. Ist wohl umsonst, denke ich und bleibe mit trockenem Mund und laut pochendem Herzen sitzen. Wie lange das dauert!

Schließlich wird mir mitgeteilt: Heute wird noch gar nicht gespendet, sondern nur Blut abgenommen. Ich betrete das erste Mal den ominösen Raum, in dem die Menschen blass, in mehreren Reihen liegend einen Teil von sich zurücklassen werden. In früheren Zeiten hätte man angenommen, dass sie mit dem abfließenden Blut auch ihre Seele hinter sich lassen. Damals wurde das Blut nämlich noch als Sitz der Seele und des Lebens angesehen. Wenn ich mich hier umschaue und in die blutleeren Gesichter der Liegenden blicke, ist da vielleicht auch was dran.

Aber was ist dieses wunderliche Plasma eigentlich? Und welchem Zweck dient die klare, gelbe Flüssigkeit, für die das Plasma Center gerade mal 15 Euro bezahlt? Das kostbare Plasma ist der flüssige Bestandteil des Blutes - es macht circa 55 Prozent aus - und besteht vor allem aus Wasser. Im Plasma gelöst sind Eiweiße mit besonderen, oftmals lebenswichtigen Funktionen. Als Grundlage für Medikamente ist der flüssige Stoff lebenswichtig: Insbesondere Menschen mit einer geschwächten Immunabwehr oder Patienten mit Blutgerinnungsstörungen kann mit solchen Präparaten dauerhaft geholfen werden. Allein über 200 Spenden - also 200 mal 650 Milliliter Blutflüssigkeit - benötigt beispielsweise monatlich ein Patient, der an der so genannten Bluterkrankheit leidet.

Wer aber setzt sich diesem langwierigen Prozedere aus, wer döst eine Dreiviertelstunde auf einer Liege vor sich hin oder liest, um mit einer "Aufwandsentschädigung" - Spenden dürfen nicht eigentlich "bezahlt" werden - nach Hause zu gehen? Wer annimmt, hier Leute zu treffen, die mit Hartz IV nicht auskommen und eine zusätzliche Geldquelle brauchen, liegt falsch. Diejenigen, die sich die Zeit für eine Spende nehmen, sind laut Angaben der Arbeitsgemeinschaft Plasmasphere fast zur Hälfte Angestellte. Schüler, Auszubildende und Studenten stellen ein weiteres Viertel der Spender. Interessant auch die Tatsache, dass über die Hälfte der Spender jünger als 35 Jahre ist.

Nach der Blutabnahme fühle ich mich etwas schwindlig und versuche mich an den vielen Menschen vorbei zum Ausgang zu schieben. Es gelingt. An der frischen Luft atme ich erst mal tief ein. Mein Herz klopft laut; aber es klopft. Schnell kehre ich dem Plasma Center den Rücken und spendiere mir in der nächsten Suppenbar erst mal eine kräftigende Brühe. Welch ein Monatsausklang, denke ich müde und fasse mir vorsichtig an die leicht bebende Brust. Mephisto hatte Recht: "Blut ist ein ganz besondrer Saft!"


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