Kolonialismus-Aufarbeitung: Über eine moderne Spielart der Missionierung

Essay Die kolonialen Verbrechen der Deutschen werden im öffentlichen Diskurs eher verklärt bis ignoriert. Zu einer Aufarbeitung trägt die kollektive Erinnerungsverweigerung jedenfalls nicht bei. Der Postkolonialismus hat aber auch seine Tücken
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 27/2023
Als Kolonialisten waren die Deutschen nicht weniger grausam als andere. Bild: Deutsch-Südwestafrika, 1910er Jahre
Als Kolonialisten waren die Deutschen nicht weniger grausam als andere. Bild: Deutsch-Südwestafrika, 1910er Jahre

Foto: Häckel Archiv/Ullstein

Kann mir jemand erklären, warum Postfaschisten zu den Bösen gehören und Postkolonialisten zu den Guten? Mir erscheint das unlogisch. Ich wohne in Berlin nahe dem Kaiserdamm; von dort kann man die Siegessäule sehen, die Heerstraße ist nicht weit, im Tiergarten stehen die Statuen früherer Mächtiger, die legal und mit dem Segen der Kirche ihre Angriffskriege führten, die nur noch nicht so empört hießen, weil sie normal waren.

Ohne diese Kriege hätte es keine Nationen gegeben. Auch das nach 1945 geschrumpfte Deutschland ist gegründet auf den Gräbern unzähliger Soldaten aus vielen Jahrhunderten. Aber „das Vergangene ist nicht tot“, schrieb der US-amerikanische Autor William Faulkner, „es ist nicht einmal verg