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Eichborns Ende Hungerstreik statt Diät: Wie der Verlag, der mit seiner "Anderen Bibliothek" legendär wurde, unzeitgemäß wurde und nun Insolvenz anmelden muss

Es staunte mancher Fachmann und wunderte sich der Laie, als der Eichborn-Verlag in der vergangenen Woche Insolvenz anmeldete. Seit Jahren wurde über die finanziellen Schwierigkeiten des Verlags gemunkelt – umso überraschender die Meldung über das Ende zu einem Zeitpunkt, da Rettung in Sicht schien. Der Eigentümer des Aufbau-Verlags ist seit diesem Jahr Mehrheitseigner bei Eichborn und plante, den Verlag sowie ein knappes Drittel der Beschäftigten in seinem Berliner Haus aufzunehmen. Die Frage, warum ein Unternehmen, das wegen der Qualität seiner Produkte in vieler Munde ist, einen Bilanzverlust von knapp 2,5 Millionen Euro ausweisen muss, bleibt unbeantwortet.

Es wäre ein Leichtes, den Grund für die Insolvenz in Eichborns Gang an die Börse im Jahr 2000 zu finden: Weiß doch jeder, dass sich die hehre Literatur der profanen Profitgier stets formidabel widersetzt! Tatsächlich hatte der Verlag vor allem an den Investitionen zu leiden, die aus der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft folgten. Die Eichborn AG erwarb bis zu 100-prozentige Beteiligungen an Unternehmen der Filmbranche sowie an einer Berufsberatung – nur, um diese wenig später wieder zu verkaufen oder abzuwickeln. Das Harry-Potter-Merchandising lohnte genauso wenig und wurde Ende 2002 ebenfalls aufgegeben.

Eine Erweiterung der Geschäftsfelder mag Unternehmen anderer Branchen helfen, sich gegen das Wegbrechen des Mittelstands zu stemmen. Für Eichborn aber endete die Diversifizierung mit bemerkenswerten Verlusten und dem kleinlauten Bekenntnis, man werde sich auf seine „Kernkompetenz“ besinnen. Allein, an einem Profil, dem vielleicht wichtigsten Merkmal eines Buchverlags von heute, mangelte es weiterhin: In der Liste der aktuellen Toptitel steht das neue Buch von Sahra Wagenknecht neben dem jüngsten Werk des Lügen-des-Sozialstaats-Enttarners Günter Ederer – und für Ersteres wirbt man mit einer Rezension aus der Jungen Freiheit. Was Eichborn immer ausgezeichnet hat – dass viel ver­schiedenes Zeug unter seinen nicht allzu großen Hut passte –, scheint zu der Verpflichtung verkommen zu sein, jede Mode irgendwie bedienen zu wollen. Mit der bitteren Folge, dass die Perlen des Programms oft übersehen werden. Mittlerweile ragt nur mehr die legendäre Reihe „Die Andere Bibliothek“ noch intellektuell aus der konzeptionellen Anarchie.


Zu befürchten steht, dass der Verlag jenem Trend zum Opfer fiel, der womöglich absichtsvoll verpasst wurde: „Imprint“. Statt wie Eichborn programmatisch alles in denselben Topf zu werfen, verteilen Verlage ihre Titel seit einigen Jahren auf verschiedene Unterverlage, die nur pro forma eigenständig sind. Was Geld, aber kein Ansehen bringt, wird nominell outgesourct, um hübsche Märchen über die Vielfalt der Branche zu bedienen und die Muttermarke sauber zu halten.

Random House etwa publiziert jede Menge Esoterik in den hauseigenen „Verlagen“ Arkana, Ansata, Lotos, Sphinx und so weiter. Der Aufbau Verlag wiederum hat Rütten Loening, wo die „unterhaltsamen, emotionalen Stoffe und spannenden Geschichten, die das Leben bekanntlich am besten selber schreibt“, veröffentlicht werden. Ob dort irgendwann die Historie des Eichborn Verlags erscheint, wird man sehen. Spannend und emotional genug ist die Geschichte von dem Verlag, der lieber in den Hungerstreik trat, als lebenslang auf Diät gesetzt zu werden, allemal.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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