Was sagen schon Zahlen? Meist nicht besonders viel, Anlass zu Stolz und Feierlichkeiten bieten sie dennoch - und diese Woche war damit RTL an der Reihe. Seit über 16 Jahren, genauer: seit dem 11. Mai 1992, läuft auf dem Privatsender täglich von Montag bis Freitag, von 19.40 bis 20.15 Uhr, die Daily Soap Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Die Jubiläums-Pressemeldung erläutert: "Gut wäre nicht möglich ohne schlecht. Und schlecht kann nicht ohne gut. Das Resultat davon sind mittlerweile 4.000 Folgen der erfolgreichsten deutschen Soap." Das ist ausnahmsweise nicht übertrieben: GZSZ - wie der Kenner die Serie initialisiert - ist mindestens unter den Top-Ten bei den Einschaltquoten eines Tages und oft genug unter den Top 3 zu finden, die 4000. Folge führt das Ranking vom Montag sogar an mit einer Quote von fast 30 Prozent. Man muss davon ausgehen, dass kaum ein anderes Fernsehprodukt die Heranwachsenden hierzulande so d regelmäßig vom Abendessen weg und vor den Fernseher gelockt hat wie GZSZ.
Das ist eben genau das Richtige für den pummeligen Bauch: Präsentiert wird die Serie von einem Schokoriegel mit den "fünf knusprigen Cerealien", dann singsangt eine Stimme davon, dass sie in "dein Herz" (statt auf die Figur!) sieht, die Kamera fährt wie entlang einer Bühne an einer Reihe zumeist jüngerer Menschen vorbei. Und dann erblickt man zwei hübsche Mädchen beim Candle-Light-Dinner inklusive Koks-Line, eine verschwindet in die Küche, es gibt einen Knall, die Küche brennt. Die andere läuft ihr nach, ein heruntergestürzter Balken verhindert, dass sie zur Verschütteten vordringt, deswegen ruft sie die Bewusstlose an mit Sätzen wie "Mensch, jetzt sag doch was!" oder "Jetzt steh auf, okay?". Es dauert gefühlte Stunden, bis sie zum Telefon greift. Allerdings ruft sie anstatt der Feuerwehr einen Freund an.
Beständig spürt man - wohl gerade als GZSZ-Neuling -, dass hier allerlei Heimlichkeiten herrschen und Unausgesprochenes die Szenerie bestimmt. Eilig hat es GZSZ nie - nicht nur, wenn es darum geht, Intrigen und Missverständnisse aufzuklären oder endlich mal Klartext zu reden, sondern in allem, was die Handlung irgendwie vorantreiben könnte. Nicht einmal ästhetisch kann von echter Dramatik die Rede sein: So wie die Flammen in ein paar Pfannen auf dem Herd herumfunzeln und hier und da ein wenig flackern, ist es nur nachvollziehbar, dass die Feuerwehrmänner ebenfalls eher langsam voranschreiten. Die mehrfachen Werbeunterbrechungen tun binnen der guten halben Stunde das Übrige zur alles andere als hektischen Einstimmung auf den Fernsehabend - auch wenn sie im Vergleich wahrhaft grelle Aufreger sind.
Wie GZSZ die jugendliche Gesellschaft von heute inszeniert, erzählt dabei weniger über die tatsächlichen Vorstellungen der Autoren als über die anvisierte Zielgruppe. Um zu erkennen, dass die vor allem aus Frauen besteht, genügt diese eine Jubiläumsfolge: Es brennt, und kein Mann tut etwas. Der eine ist nämlich auf einer Motorradmesse oder -tour oder so ähnlich, und der andere scheut - so kühl und herzlos sind die Männer - den Gang in die Flammen (ein dritter, dem Alkohol verfallen, wird am Rande erwähnt); selbstlose Leidenschaft und Tatkraft ist deren Sache sichtlich nicht. Stattdessen stürzt sich ein Mädchen, das offenbar in jüngster Zeit ihre lesbischen Neigungen entdeckt hat, ins Feuer, um ihre Geliebte zu retten. Und stattdessen behält eine Babysitterin einen kühlen Kopf und verstopft die Türen mit feuchten Tüchern: "Der nasse Stoff bindet die Giftstoffe." Erst mit der Feuerwehr treffen schließlich die zugehörigen Männer ein, erst als ihre Frauen schon schwer atmend im Krankenwagen liegen und von anonymen Typen in Uniform behandelt werden, bekennen sie sich zu ihnen. Von Rittern auf weißen Pferden soll man nicht erst anfangen zu träumen.
Doch nicht nur in Männer-Angelegenheiten bekommen die GZSZ-Guckerinnen Selbstbewusstsein injiziert, sondern auch für ihre Arbeitsverhältnisse. Der patenten Babysitterin steht naturgemäß eine toughe Frau gegenüber, eine, die sich - wie es so schön heißt - "aus eigener Kraft nach oben gearbeitet hat", im Rauch jedoch die Nerven verliert. So siegt die vernünftige Untergebene über die offensichtlich traumatisierte (wo soll ihr Ehrgeiz auch sonst herkommen?) Vorgesetzte, die in ihrem Gejammer nur noch demontierter erscheint als bereits im vorhergehenden Zickentalk ("Sie sind ja paranoid" - "Und Sie entlassen!").
Für eine lang und groß angekündigte Jubiläumsfolge ist das zwar sinn-, aber auch außerordentlich schwerfällig - wie umständlich GZSZ sonst abläuft, mag man sich da lieber nicht vorstellen. Immerhin verspricht der Cliffhanger eine Tote, der Scheinwerfer eines Hubschraubers illustriert die Vision vom Licht am Ende des Tunnels, die Sanitäter bedienen sich wieder und wieder des Defibrillators. Der Busen der Sterbenden wippt dazu im güldenen Ausschnitt: Für männliche Zuschauer bei und von GZSZ gibt es die weibliche Erotik erst im Tod.
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