Das Recht der Stalker

Alltagskommentar Hacker der Gruppe Anonymous wollen einen Mann des Mobbings überführen und stellen seinen Namen ins Netz. Aber war er es wirklich? Und wie gefährlich ist Selbstjustiz?
Erst erzählt sie bei Youtube ihre Geschichte, dann bringt sich Amanda Todd wegen Mobbings um
Erst erzählt sie bei Youtube ihre Geschichte, dann bringt sich Amanda Todd wegen Mobbings um

Foto: Mladen Antonov/AFP/Getty Images

Amanda Todd war 15 Jahre alt, als sie sich umbrachte. Sie wurde im Internet gemobbt und daraufhin auch im richtigen Leben. Ein Foto ihrer Brüste wurde auf Facebook gepostet und an all ihre Freunde geschickt. Das ist der Beginn ihrer Geschichte, die sie selbst in einem Youtube-Video, aufgeschrieben auf Karteikarten, erzählt. Mehrmals wechselte sie die Schule, doch ihre Peiniger verfolgten sie gnadenlos und schüchterten sie immer weiter ein.

Das Youtube-Video geht um die Welt. Viele Stimmen regen sich mit vielen unterschiedlichen Rezepten gegen Cyberbullying. Nun wollen Hacker der Gruppe Anonymous, die jeder und niemand sein kann, den mutmaßlichen Täter ermittelt haben. Sie stellten seinen Namen und seine Adresse ins Netz. Der Mann bestreitet allerdings, Amanda Todd gemobbt zu haben.

Anonymous veröffentlichte diese Daten in einer sogenannten Pastebin. Das sind Orte im Internet, wo Nutzer ohne Anmeldung Texte hochladen können. Sie werden häufig als Mittel benutzt, Informationen zu leaken. Der von Anonymous Geleakte ist ein Mann, der in Dakota gerade wegen sexueller Belästigung vor Gericht steht. Das passt natürlich gut ins Bild, doch zwei Dinge sind daran problematisch:

Gefährliche Selbstjustiz

Zum einen ist unbekannt, wer hinter Anonymous steckt. Das kann jeder sein, jeder darf sich so nennen. Das ist ja gerade ihre Zerstreuungstaktik. Damit einher geht die Möglichkeit, für alle Themen und Verlautbarungen, die im Namen von Anonymous verbreitet werden, große Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit zu generieren. Theoretisch könnte hinter dem Pastebin-Leak aber auch jemand stehen, der ein laufendes Verfahren beeinflussen will.

Zum anderen ist im Internet nichts leichter und gleichzeitig nichts gefährlicher als Selbstjustiz. Eine einmal gemachte Behauptung, ob richtig oder falsch, ist in den Dynamiken der digitalen Instant-Vernetzung schnell ein nicht mehr zu löschendes Lauffeuer.

Die Verlockung ist groß: Wer über das Internet gemobbt oder gestalkt wird, sieht sicherlich keine große Verfehlung darin, die Waffen der Täter gegen diese selbst zu richten. Das Öffentlichmachen von E-Mails samt Kontaktadressen ist keine Seltenheit mehr. Doch das ist kein legitimes Mittel, denn es handelt sich dabei um Vergeltung ohne Justiz. Bei Stalking und Mobbing ist die Beweislage oft schwierig. Zudem nehmen Polizisten Stalking häufig schlicht nicht ernst. Daran muss sich definitiv etwas ändern. Ein Freifahrtschein zur Selbstjustiz darf aus diesem Mangel aber nicht werden.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Katrin Rönicke

ich bin... einfach so; ich bin nicht... so einfach

Katrin Rönicke

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden