Mama, mach mal lieber Karriere

Übermutter Wie Eva Hermans Sohn die Karriere seiner Mutter wieder anschieben könnte. Und warum es für den Zwölfjährigen besser wäre, wenn seine Mutter sich überflüssig machen würde

„Mama, jetzt wird es aber Zeit, dass du mal wieder ins Fernsehen gehst“ - Ein kleiner Satz, der die Phantasie beflügelt. „Sohn hat genug von Übermutter!“, oder „Eva-Prinzip nervt Teenie“ – oder, oder, oder… mir würden eine Menge Bild-ähnlicher Titel ob dieses Satzes einfallen.
Diesen Satz hat nach Angaben Eva Hermans ihr zwölfjähriger Sohn fallen lassen. Und tatsächlich: Herman denkt laut, also öffentlich, darüber nach, wieder anzufangen mit ihrer 2007 abrupt beendeten Karriere (zur Erinnerung: die Karriere wurde extern abgebrochen, aufgrund ihrer Äußerungen zum Mutterbild in der NS-Zeit. Sie wurde nicht etwa freiwillig durch Herman selbst beendet, aufgrund ihrer tiefschürfenden Erkenntnisse aus dem Eva Prinzip).

Die Netzeitung kommentierte Hermans Karrierepläne entsprechend hämisch: „Das Eva-Prinzip scheint im Hinblick auf ein TV-Comeback recht flexibel zu sein.“ Aber seien wir mal ehrlich: Man sollte Frau Herman ob des Wiedererlangens ihrer geistigen Gegenwart beglückwünschen. Denn das Letzte, was ein Zwölfjähriger brauchen kann ist eine überbemühte Mutter mit Schuldgefühlen.

Kinder brauchen vor allem das Vertrauen ihrer Eltern, auch einmal etwas alleine machen zu können. Zwölfjähige zum Beispiel sollten schon selbst für sich kochen können, ihren eigenen Dreck wegputzen, morgens auch ohne einen Weckruf von Mama aufstehen. So sieht das zumindest Familientherapeut und „Kinderflüsterer“ Jesper Juul. Mamas Hauptjob als pädagogisch tätiger Mensch ist es, sich selbst überflüssig zu machen – eine Weisheit des Philosophen Rousseau, die aus dem 18. Jahrhundert stammt.

Bei Herman ist diese Weisheit noch nicht angekommen: „Sollte ich je wieder beim Fernsehen arbeiten, würde ich versuchen, eine Abstimmung mit dem Sender zu treffen, etwa, dass wir mehrere Folgen in einem Stück aufzeichnen und ich dann wieder ein paar Monate am Stück zu Hause sein kann.“ Denn, so Herman weiter im Interview mit der Bunten: „Ich selbst bekenne mich heute schuldig, gedankenlos viele Jahre lang allein auf mich konzentriert gelebt zu haben.“

Sie sollte lieber auf Juul hören, sein Das kompetente Kind verkauft sich sowieso viel besser als Evas Prinzip – und das seit Jahren. Ein kompetentes Kind ist wesentlich mehr wert, als die eigenen, von irgendwelchen Hardcore-Christen eingeimpften Schuldgefühle verjagen zu wollen, durch unangebrachtes Gluckentum gegenüber einem offensichtlich recht pfiffigen Zwölfjährigen. Denn das fördert nichts als das eigene Mutter-Ego, und das will Frau Herman ja gerade endlich einmal beenden, nicht wahr?

Katrin Rönicke, geboren 1982 in Wittenberg, studiert Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften in Berlin und ist Mutter eines einjährigen Jungen. Ab April ist sie Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung. Für den Freitag schreibt sie in ihrer wöchentlichen Kolumne über Gender- und Bildungsthemen. Außerdem schreibt sie für den feministischen Blog

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Katrin Rönicke

ich bin... einfach so; ich bin nicht... so einfach

Katrin Rönicke

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden