Denken ist nicht Ländersache

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Schleswig-Holstein will ein eigenes Internet. Nunja, nur der für das Bundesland zuständige Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert will es, und er will auch nur ein eigenes Facebook. Aber absurd klingt es auch im Kleinen. Weichert gefällt der „Gefällt mir“-Button nicht. Mit jedem Klick würden zu viele Daten übertragen, gespeichert, missbraucht. Er droht, gegen Betreiber von Seiten zu klagen, die den Button einbinden. Weichert wirkt dabei ein wenig verbissen, auch weltfremd.

Heute haben Facebook, Google und andere Internetfirmen im Innenministerium zusammengesessen, hinter Türen, die verschlossener waren als das Profil eines ehemaligen Facebook-Nutzers.
Es geht um einen freiwilligen Verhaltenskodex für mehr Datenschutz. „Ich sehe den Staat in der Pflicht dafür zu sorgen, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch beim Umgang von Unternehmen mit persönlichen Daten geschützt wird", sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar der taz. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wolle auf neue Gesetze für mehr Datenschutz im Internet verzichten.

Schon im kommenden Frühjahr soll ein Entwurf für den freiwilligen Verhaltenskodex vorliegen. Gleich im darauffolgenden Herbst wird man sich darüber streiten, ob und wie dessen Einhaltung kontrolliert werden kann. Die einen werden einen Verhaltenskodex-Trojaner fordern, andere eine Beschränkung der „Gefällt mir“-Button-Klick-Zahlen auf 300 pro Tag und Bundesland, wobei in Bayern nur bis 20.15 Uhr geklickt werden darf, in Thüringen nicht vor 8 Uhr früh.
Wer morgens im Spiegel sein Gesicht nicht zu erkennen glaubt, darf seinen Namen googeln, muss aber die Wohnungstür angelehnt lassen, damit das für die Nachbarn transparent bleibt.

Irlandreisen sind auch für deutsche Internet-Nutzer weiter möglich, allerdings nur, wenn sie sich freiwillig verpflichten, an der europäischen Facebook-Niederlassung in Dublin ein „Gefällt mir nicht“ an die Fassade zu nageln. Oder das zumindest zu denken. Stichproben sind möglich.

Darüber hinaus müssen die User nichts in ihrem Leben ändern. Sie dürfen weiter posten, warum sie diesmal nicht wählen waren und morgen nicht auf Arbeit gehen und wer genau auf welchem Party-Foto zu sehen ist. Je mehr ihnen vorgegaukelt wird, es sei möglich, Datenmissbrauch staatlich vorzubeugen oder auf Länderebene zu verhindern, umso mehr werden sie verlernen, den Kopf einzuschalten, während der Computer hochfährt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer