Ziemlich leeres Geschwätz

Rettungsroutine Die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat "Rettungsroutine" zum Wort des Jahres gewählt. Und benennt damit vor allem eine akute Sprachlosigkeit.

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Da vergriff sich am Freitag sogar das ZDF an einer Art Ironie, als es galt, vom Wort des Jahres zu berichten. Nahezu frech schnitten Redakteure die Erklärungen der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gegen das Schulterzucken überraschter Germanistikstudenten. “Rettungsroutine”? Nie gehört, nie gelesen, sagt kein Mensch.

Nach Stresstest, Wutbürger oder Abwrackprämie in den Vorjahren soll diesmal ein Wort für die Welt der Deutschen 2012 stehen, das CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach wohl mal im Munde geführt hat. Irgendwann im März. Bezogen auf die Euro-Hilfen.

GfdS-Chef Armin Burkhardt sieht in der “Rettungsroutine” das „seit Jahren aktuelle Thema der instabilen europäischen Wirtschaftslage“ gespiegelt, es stehe „für die immer wiederkehrenden Maßnahmen zur Rettung des Finanzsystems“. Dafür könnte es stehen, steht es aber nicht. Zumindest nicht im relevanten Sprachgebrauch.

“Die GfdS hat sich zum Ziel gesetzt, die Sprachentwicklung kritisch zu beobachten und auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung Empfehlungen für den allgemeinen Sprachgebrauch zu geben”, heißt es auf der eigenen Website. Es gehe darum, das “Bewusstsein für die deutsche Sprache zu vertiefen und ihre Funktion im globalen Rahmen sichtbar zu machen”.

Diesmal wird aber eben nicht dem Volk aufs Maul geschaut oder eine Sprachblüte aus politischen Debatten gerupft. Diesmal ist die Entscheidung der Jury ein eigener Kommentar auf die Zeit. Da wird nichts vertieft oder sichtbar gemacht, sondern behauptet. Von “einer Art” Rettungsroutine übrigens hatte Bosbach gesprochen.

Die Jury delektiert sich an dem sprachlich interessanten Umstand einer widersprüchlichen Bedeutung der Wortbestandteile: „Während eine Rettung im eigentlichen Sinn eine akute, initiative, aber abgeschlossene Handlung darstellt, beinhaltet Routine – als Lehnwort aus dem Französischen – eine wiederkehrende, wenn nicht gar auf Dauer angelegte und auf Erfahrungen basierende Entwicklung.“ Da ist was dran. Doch reicht das für die Wahl zum Wort des Jahres?

Es ist aber auch schwer. In die engere Wahl kamen noch “Kanzlerpräsidentin”, “Bildungsabwendungsprämie”, “Schlecker-Frauen”, “wulffen” oder “Punk-Gebet”. Auf Platz 10 ist gar die Wendung "ziemlich beste ...” zu finden.

Das offenbart vor allem eins: Sprachlosigkeit. Und einen Mangel an Themen, die derart den gesellschaftlichen Diskurs prägen, dass sich neue Begriffe dafür etablieren. Hinzu kommt die uninspirierte Sprache der Feigheit - aus Angst, nicht von allen verstanden zu werden. „Doppelbödigkeiten sind gefährlich und führen oft zu Missverständnissen“, hat Kabarettist Bruno Jonas neulich konstatiert, weshalb Politiker mit „ganz einfachen Botschaften“ arbeiteten.

Alles klingt danach, als schwatzten sich die Deutschen 2012 durch eine Verdrängungsroutine, vielleicht auch Mitspracheverdrossenheit, für die schlicht die Worte fehlen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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