Die Frage war nicht, ob die Wulff-Affäre verfilmt wird, sondern wann. Der Produzent Nico Hofmann, der schon Guttenberg, Kohl, Dutschke und vielfach irgendwas mit Nazis bearbeitet hat, meldete bereits im Januar 2012 Ansprüche an. Auch der Regisseur Dieter Wedel sprach damals davon, dass es sich um einen „tollen Stoff für eine Verfilmung“ handle. Tatsächlich hätte selbst Helmut Dietl in seinen besten Tagen das Korsett der realen Geschichte kaum besser errichten können. Schon das Figurentableau!
• Da ist ein Bundespräsident von der konservativen Partei, gewählt demonstrativ erst im x-ten Wahlgang. Er hat seine Frau zugunsten einer Oberarmtätowierten sitzen gelassen, was ihm dank der Unterstützung seiner Buddys vom Boulevard aber nicht offiziell krumm genommen werden darf. Inoffiziell freilich alle so: Tuschel tuschel, haste seine Alte gesehen?, tuschel, woher hat der eigentlich sein Haus?, tuschel, und hat er da echt was pro Islam gesagt?, tuschel tuschel.
• Seine neue Frau, deren Tattoo es auf jede Titelseite in der mehrfarbigen Ecke des Bahnhofskiosks gebracht hat, weil es angeblich das moderne Deutschland symbolisiere – ein Tribal-Tattoo, das sich kein Mensch stechen lässt, dessen Lebensziel nicht Reihenhaus heißt
• Dann der Pressesprecher und sein Handy.
• Geschäftsleute, die dem Präsi Dinge spendieren, Übernachtungen, Bobbycar, billige Kredite, Wahlkämpfe, Freundschaft, natürlich ohne Hintergedanken.
• Des weiteren: die Jungs vom Boulevard, deren Job die Erschaffung von Affirmationsmöglichkeiten ist. Stimmungen anheizen, das ist die Kunst. Um Politik geht es eigentlich nicht. Es sei denn, jemand sagt etwas pro Knoblauchfresser.
• Weitere Medienvertreter en masse, die in den anschwellenden Nachrichtenstrom springen und immer neue Skandalbausteinchen beitragen, damit sie sich nicht hinterher vorwerfen lassen müssen, sie hätten den Bundespräsidenten nicht kritisch genug behandelt. Insgesamt etwas hirnlos, das schon. Aber Kritik an den Zuständen, ja Gottchen, das ist halt die Aufgabe.
• Und die Staatsanwälte, die der allgemeinen Stimmung nachgeben und gegen den Bundespräsidenten ermitteln, woraufhin er in Gottes Namen verletzt zurücktritt, neben sich eine Frau, die in diesem Moment eineinhalb Meter Abstand hält, worüber sie später dann ein persönliches Buch schreiben kann, Darstellung der Bellevue-Kücheneinrichtung inklusive.
Lauter Getriebene. Wäre die Geschichte Fiktion, hätte der Film, vor 20 Jahren gedreht, richtig lustig werden können. Satire, klar. Aber der Stoff soll, weil er im derzeitigen Reflexionszustand kaum überhöht werden kann, zum „packenden Dokudrama“ (Sat.1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow) verarbeitet werden, basierend wohl auf dem Buch zweier Bild-Redakteure. Noch in diesem Jahr, berichteten Focus und Bild, könnte es bei Sat.1 ausgestrahlt werden.
Der Film wird sicher gut geguckt und auch prominent rezensiert werden. Und weil er von der Produktionsfirma Teamworx kommt, die regelmäßig hotte Schulbuchthemen anpackt und die blendend zu verkaufen weiß, wird er nochmal so gut geguckt und prominent rezensiert werden. Wenn aber in irgendeiner Kritik der Satz fallen sollte, der in jeder dritten Besprechung einer Teamworx-Produktion fällt – „Die Geschichte wird danach neu geschrieben werden müssen“ –, empfiehlt es sich, ihn nicht zu glauben. Die Geschichte der Wulffs ist ja noch nicht einmal in einer ersten Fassung zu Ende geschrieben. Es hat schon der Satire Der Minister über Aufstieg und Fall Karl-Theodor zu Guttenbergs geschadet, dass alles, was darin passierte, soeben erst als Realsatire in Echtzeit gelaufen war. Und auch die Wulffs bräuchten erst einmal Abstand.
Ungefähr im gleichen Moment, in dem die Nachricht veröffentlicht wurde, dass ein Dokudrama über die Wulff-Affäre entstehen soll, setzte, anderswo in den Medien, eine Diskussion darüber ein, ob sie nicht besser neu bewertet werden müsste. Der Anlass war ein Zeitungsbericht, demzufolge es im Rahmen der juristischen Aufarbeitung der Affäre nur noch um einen Streitwert zwischen 400 und 770 Euro gehe. Natürlich sind juristische Fragen nicht allein ausschlaggebend für die Bedeutung der Affäre. Es ging dabei ja darum, dass ein Repräsentant des Staates, eine Institution, sich zum Repräsentanten der Person schrumpfte, die sie ausfüllte. Aber die Diskussion über die Affäre ist so wenig abgeschlossen wie die Affäre selbst.
Wenn das Fernsehen eine wahre Geschichte nacherzählt, deren Fakten einigermaßen präsent sind, geht es darum, eine neue Perspektive auf die Dinge zu eröffnen. Jemand schaut von außen auf die Dinge, zoomt von dort, von einer Aussichtsplattform aus, auf wichtige Details und macht so Handeln verständlich, überblickt Geschichte, ordnet in Zusammenhänge ein, erklärt eine abgelaufene Zeit. Im Rückblick erscheinen die Dinge dann in neuem Licht.
Es mag sein, dass die Spekulation über einen Film, der noch nicht einmal gedreht wird, ungerecht erscheint. Aber der Stoff ist bekannt, und er lässt den Schluss zu, dass ein Dokudrama über die Wulffs zum jetzigen Zeitpunkt eher eine Soap werden dürfte, die als exklusiver Badezusatz verkleidet ist. Christian geht in die Wohnküche von Schloss Bellevue, in der Bettina gerade den Kopf schüttelt. „Gut, dass es bald vorbei ist“, sagt sie. „Diese Dunstabzugshaube ist ein Skandal.“ Gegen Ende sehen wir vielleicht den Zapfenstreich, der schönen Uniformen wegen. Die eigentliche Mitteilung des Films jedenfalls dürfte sein, dass die Wulff-Affäre ein mediales Event war. Mit ein wenig Glück markiert er selbst dessen Abschluss.
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