Ruandas Präsident lässt mit sich reden

Netzgeschichten Politiker diskutieren bei Twitter mit, das kommt vor. Dass ein Politiker mitmischt, den "Reporter ohne Grenzen" zu den "Feinden der Pressefreiheit" zählt, nicht. Oder?

Twitter ist, wie bei weit geöffnetem Fenster so laut über jemanden zu reden, dass der es mitkriegt, wenn er will. Es ist schon deshalb nicht ungewöhnlich, dass man eine Erwiderung bekommt, wenn man dort jemanden kritisiert. Ian Birrell aber, ein Journalist, der während des Wahlkampfs 2010 als David Camerons Redenschreiber gearbeitet hatte, war dann doch baff. Ein Mann hatte sich auf eine öffentliche Diskussion mit ihm eingelassen, von dem es nicht unbedingt zu erwarten war: Ruandas Präsident Paul Kagame.

Der Ausgangspunkt war ein Kagame-Zitat in der Financial Times: "Ich glaube nicht, dass irgendjemand in den Medien, den Vereinten Nationen oder von Menschenrechtsorganisationen das moralische Recht hat, Anschuldigungen gegen mich oder Ruanda zu richten." Als es "um Ruanda" gegangen sei, seien sie schließlich alle "komplett nutzlos" gewesen.

@ianbirrell nannte ihn daraufhin bei Twitter "despotisch und verblendet". Was Kagame, der bei Twitter einen jener verifizierten ­Accounts hat (@PaulKagame), die ihre Inhaber als die ausweisen, die sie zu sein vorgeben, veranlasste, zu schreiben: "Auch Sie haben dieses moralische Recht nicht." Er, Birrell, nehme sich "das Recht, universell festzulegen, was richtig oder falsch ist", schrieb Kagame und verzierte seine Tweets mit diversen Ausrufezeichen und Abkürzungen: "Wrong u r."

Ob man die Diskussion, die sich entwickelte (wobei Kagame von seiner Außenministerin Louise Mushikiwabo, @LMushikiwabo, unterstützt wurde), ergiebig nennen muss, sei dahingestellt. Birrell verdrehte einige von Kagames Worten, Kagame wies nach, dass er Kritiker pauschal unverschämt findet. Und doch führte die Tatsache, dass der öffentliche Wortwechsel überhaupt stattfand, Ian Birrell zu einer Erkenntnis, die schwer von der Hand zu weisen ist: "Na toll", mikrobloggte er: "@PaulKagame streitet auf Twitter mit einem Kritiker wie mir. Eine Schande nur, dass er eine solche Debatte nicht in Ruanda mit seinen Leuten führt."

Erst 2011 wurden laut der Organisa­tion Reporter ohne Grenzen zwei ruandische Journalistinnen zu langen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie den Präsidenten kritisiert hatten. Wer dort eine Zeitung oder einen Sender gründen will, muss hohe Gebühren entrichten, 41.000 Euro sind es für eine neue Zeitung – auch ein Weg, die Medienvielfalt einzuschränken. Und so zählt Reporter ohne Grenzen Kagame zu den Feinden der Pressefreiheit. Sein Land steht auf der Liste der 178 Länder, die am meisten Pressefreiheit gewährleisten, auf Platz 169.

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