Wenn Barack Obama das Modell war für die Erneuerung der USA 2008, könnte der Republikaner Mitt Romney aus Sicht der Elite der Mann für 2012 und das Credo sein: Amerika hat über seine Verhältnisse gelebt, deshalb muss gespart werden. Romney ist Vollblut-Kapitalist; vor seiner Karriere in der Politik war er 1984 Gründer einer Private-Equity-Gesellschaft und Pionier des Heuschrecken-Finanzwesens. Er ist einer, der sagt, dass man halt „manchmal die bittere Medizin nehmen“ müsse, um „den Patienten zu retten“. Und dabei nach eigenen Angaben auf einem persönlichen Vermögen von 190 Millionen bis 250 Millionen Dollar sitzt.
Der Vorwahlkampf der Republikaner zieht sich nun schon durch zehn Fernsehdebatten. Allzu viele schauen nicht zu, aber die Shows unterhalten mit kernigen Soundbites von Newt, Herman und Rick. Newt Gingrich hat zuletzt wieder etwas zugelegt. Rick Perry ist eingebrochen, weil er sich eine schreckliche Minute lang nicht mehr erinnern konnte, welche drei Ministerien er abschaffen wolle. Bei Herman Cain kriselt es. Die Vorwürfe von vier Frauen, er habe sie sexuell belästigt, lassen sich nicht wegreden, obwohl Cains Spendeneinnahmen angeblich gestiegen sind infolge der Beschuldigungen. Es bildet sich ein Konsens bei den Kommentatoren. An Mitt Romney – Sohn des 1995 verstorbenen Chefs des Autoriesen American Motors, George Romney – führe wohl kein Weg mehr vorbei. Der 64-Jährige, eigentlich heißt er Willard mit Vornamen, gilt angesichts der Schwäche seiner Rivalen zunehmend als der einzige, der gewinnen könnte gegen Obama. Auch wenn er nicht besonders gut ist beim Babyküssen. In einer Bäckerei wäre Mitt das Graubrot.
Scharfe Manager
Der Bewerber ist Ex-Gouverneur von Massachusetts, war Mitorganisator der Olympischen Winterspiele von Salt Lake City 2002 und unterlag John McCain beim Kampf um die Präsidentschaftskandidatur 2008. Er hat offenbar aus seiner Niederlage gelernt. Romney bleibt cool, lässt innerparteiliche Kritik abprallen an seinem gelackten Äußeren und zielt auf Barack Obama, unter dessen Führung „Millionen Jobs verschwunden sind“. Gegenwärtig spricht Romney viel über seine Erfahrungen vor der Politik – als Unternehmer und Finanzmann. Damit könne er Amerikas Krise überwinden. Obama sei doch nur Politiker. Unter einem Präsidenten Romney käme freilich allerhand zu auf die USA, analysiert die New York Times: Romney praktizierte schon Mitte der achtziger Jahre das damals neue Konzept der fremdfinanzierten Firmenübernahmen, bei denen scharfe Manager Konzerne auf Vordermann bringen und dann gewinnbringend wieder verkaufen, ohne Rücksicht auf „ungewollte menschliche Kosten“, wie die Zeitung formuliert. Von 1984 bis 1999 war Romney Haupteigentümer der Investmentfirma Bain Capital, die nach Medienberichten an die 150 Firmen gekauft, „saniert“ und dann wieder verkauft hat.
Allzu viel Genaues sagt Romney noch nicht über seine Wirtschaftspolitik. Nur soviel: Man müsse die Kapitalertragssteuer stark reduzieren, die Erbschaftssteuer weitgehend abschaffen, „belastende“ Umweltvorschriften entschärfen. Romney dringt auf Kürzungen der staatlichen Rentenversicherung Social Security und der Krankenversicherung für Senioren, denn „viele unserer Mitbürger haben keine Ahnung, dass diese Auslagen eine Krise ausgelöst haben“.
Missionierender Mormone
Der Politiker Romney beunruhigt freilich den bei republikanischen Vorwahlen tonangebenden konservativen Parteiflügel. Rhetorisch rückt er weit genug ins politische Zentrum, um Wähler außerhalb der Tea-Party-Gruppierungen nicht zu erschrecken. Schon seine Wahl zum Gouverneur von Massachusetts, einem politisch eher liberalen Bundesstaat, galt als Sensation: Der Republikaner vermied damals sozialkonservative Rhetorik und schuf als Gouverneur ein Krankenversicherungswesen, das dem von Barack Obama zum Verwechseln ähnlich sieht. Was Romney an Charisma fehlt, macht er wett mit Organisation und Geld. 2008 hat er 45 Millionen Dollar seines Vermögens in den Wahlkampf gesteckt. 2012 muss er wohl nicht auf seine Konten zurückgreifen, denn er hat deutlich mehr in der Kasse als seine Rivalen. Bei seinen Spendengalas zahlt das Who’s Who der Finanzindustrie. Von Goldman Sachs über die Bank of America bis zu Morgan Stanley hat man den selben Stallgeruch. Aus Sicht der Occupy-Bewegung ist Romney Prototyp des einen Prozents.
In Romney-Profilen steht ein Hinweis, dessen Bedeutung sich noch nicht abschätzen lässt: Romney ist Mormone, Mitglied der 1830 gegründeten „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.“ In Deutschland gelten die Mormonen als Sekte, in den USA sind sie die viertgrößte Kirche. Evangelikale stehen aber auf Kriegsfuß mit den aggressiv missionierenden Mormonen; jeder kennt sie, die jungen Männer mit weißen Hemden, oft mit Fahrrad unterwegs, immer zu zweit. Das Mormonentum stützt sich auf das Buch Mormon, das Gründer Joseph Smith von einem Engel erhalten haben will. Romney wäre der erste mormonische US-Präsident und ist doch nicht irgendein Mormone. Er hat hohe Ämter bekleidet, alle ehrenamtlich. 1981 bis 1986 war er Bischof einer Gemeinde in Massachusetts und von 1986 bis 1994 Präsident des „Pfahls“ von Boston, eines mormonischen Gemeindeverbandes (der katholischen Diözese vergleichbar). Als junger Mann hat Romney 30 Monate lang in Frankreich missioniert. Das kann nicht leicht gewesen sein. Mormonen trinken keinen Alkohol und keinen Kaffee. Die Vorwahlen 2012 sind da ein anderes Pflaster.
Konrad Ege schrieb zuletzt über Occupy
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