Die Helfer der Helfer

Im Gespräch Christina Busch betreut Flüchtlingshelfer. Sowohl für Professionelle als auch für Ehrenamtliche sei es wichtig, früh Signale für Überforderung zu erkennen, sagt sie

der Freitag: Frau Busch, was ist Ihre Aufgabe bei der Caritas?
Christina Busch: Der Caritas-Verband ist ja schon länger engagiert in der Flüchtlingsarbeit. Ein Schwerpunkt ist seit August vergangenen Jahres zum Beispiel das Lageso in der Turmstraße. Außerdem haben wir Beratungsangebote für Flüchtlinge in Berlin, Brandenburg und Vorpommern.

Sie haben sowohl mit Flüchtlingen als auch mit Helfern Kontakt – und dabei sowohl mit professionellen Helfern der Caritas als auch mit Ehrenamtlichen.
Ja, wir arbeiten viel mit ehrenamtlichen beziehungsweise freiwilligen Helfern. Nicht nur am Lageso, sondern auch an unseren anderen Standorten.Wir arbeiten nicht nur gern mit Ehrenamtlichen, sondern erachten es auch als wichtig, mit ihnen zusammenarbeiten.

Wie gehen Sie mit Überforderung um? Kommen Menschen, die sich überfordert fühlen, von sich aus zu Ihnen oder sieht man es manchen Helfern auch an, dass sie sich zu viel zumuten?
Es gibt beides. Die, mit denen wir sehr viel arbeiten, die kommen entweder von sich aus und sagen: „Ich kann jetzt gerade nicht mehr.“ Die professionellen HelferInnen haben aber auch ein Auge dafür. Wir haben ja auch eine gewisse Fürsorgeverpflichtung für Mitarbeiter. Natürlich machen wir auch freiwillige Helfer darauf aufmerksam, ein bisschen für sich selbst zu sorgen. Selbstsorge kann man nicht außen vor lassen, das gilt sowohl für professionelle als auch für freiwillige Helfer.

Nun bringen viele Geflüchtete aber auch Geschichten mit, die nicht leicht zu verarbeiten sind. Gibt es Taktiken, wie man damit auch als ehrenamtlicher und ungeschulter Helfer am besten umgehen kann?
Es gibt Ehrenamtliche, die haben diese Tools, weil sie eine entsprechende Ausbildung haben. Dann gibt es aber sicherlich auch Ehrenamtliche, die keine Methodik gelernt haben, aber ein eigenes Gefühl für Nähe und Distanz haben. Das schulen wir auch.

Es gibt ja ehrenamtliche Helfer, die nicht nur die Geschichten der Geflüchteten, sondern auch tatsächlich Menschen mit nach Hause nehmen. Da ist es doch sehr schwer, eine Distanz zu gewinnen, wenn der Flüchtling in der eigenen Wohnung schläft.
Ja, aber das ist dann Aufgabe und Herausforderung, das zu lernen. Sonst ist niemandem geholfen. Das kann man kommunizieren, man kann es aber nicht verordnen. Es gibt sehr dramatische Geschichten, die müssen verarbeitet werden. Wir machen dafür auch Supervisions- und Gesprächsangebote.

Wie sieht so eine Supervision aus?
Supervision wird bei uns von entsprechenden Fachleuten durchgeführt. Es gibt Einzel- und Gruppensupervision. Da werden diese Dinge in einem Gespräch auf den Tisch gepackt. Der Supervisor gibt dann kleine methodische Ansätze mit an die Hand, damit eben keine Überforderung eintritt.

Wie sieht so etwas ganz konkret aus?
Zum Beispiel regelmäßig Pause machen. Das muss keine Mittagspause sein. Einfach nachmittags 16 Uhr für eine halbe Stunde spazieren gehen, einfach mal raus an die frische Luft.

Wie kann man denn erkennen, dass Ehrenamtliche überlastet sind, bevor es zu spät ist?
Wenn es schon relativ ernst ist, können die Menschen nicht mehr wirklich schlafen. Das sind Signale. Und die sind eine Frage der Eigenwahrnehmung. Auf diese Signale sollte man hören und sich dann Hilfe beschaffen.

Was würden Sie jemandem prophylaktisch empfehlen, der freiwillig hilft?
Ein wichtiger erster Schritt ist, sich die eigene Motivation klarzumachen: Warum mache ich das jetzt? Was treibt mich an? Die Aufgaben sind zahlreich, und die Not ist groß. Die Menschen wollen unbedingt etwas tun, aber es funktioniert nicht alles immer so schnell. Flüchtlingshilfe ist nun mal ein Marathon.

Was motiviert Menschen, zu helfen und sich dabei in ihrer Freizeit eine Menge Arbeit aufzuhalsen?
Die Motive sind sind so individuell wie die Menschen selbst. Manche Menschen wohnen in der Nachbarschaft oder helfen als Familie. Dann gibt es aber auch bestimmte Situationen, die alle spüren. Das haben wir im Sommer am Lageso gesehen. Da war es sehr heiß, und die Leute haben Wasser verteilt. Manche Menschen sprechen auch eine bestimmte Sprache und stellen ihre Fähigkeit zur Verfügung.

Wie sind Sie zum Helfen gekommen?
Ich bin schon seit über 25 Jahren bei der Caritas. Meine beruflichen Anfänge waren bereits in der Flüchtlings- und Asylarbeit.

Heute ist die Dimension der Flüchtlingsarbeit aber eine ganz andere als vor 25 Jahren ...
Jein. Was die reinen Quantitäten angeht, glaube ich das schon. Die Zahlen damals waren nicht so groß, aber auch nicht klein. Da kamen sehr viele Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Und haben Sie nach 25 Jahren keine Anzeichen von Überlastung?
Nein, dafür habe ich einen Arbeitgeber für den es wichtig ist, dass seine Mitarbeiter gesund bleiben, egal ob haupt- oder ehrenamtlich.

Zur Person

Christina Busch leitet die Koordination der Flüchtlingshilfe beim Caritas-Verband im Erzbistum Berlin

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