S21 schärft den Blick aufs politische System

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Hat die Entscheidungs-Schlacht begonnen ?

Die Schluß-Offensive der einen Seite heißt "INFO-Offensive", auf der andern Seite ganz dezent : "Kampagne". Die "Offensive"will mit geistigen Waffen zum Erfolg, die Kampagne, naja, wie soll man da sagen. Da werden ganz eindeutig auch geistige Waffen eingesetzt, ganz anderes Kaliber eben. Da wird auch viel niedriger gehalten, meist tief unter die Gürtellinie. Und : gewinnen wird die Partei, die ihreWaffen adäquat aufs Ziel abgestimmt einsetzt, das es zu treffen gilt. Und genau unter diesem Gesichtspunkt habe ich meine Bedenken bei der Info-Offensive. Diese "Waffe" entfaltet ihre (positive) Wirkung im Ziel nur, wenn sie dort auf ausreichend Hirnmasse trifft. Jedoch, leider, kampfentscheidend ist am Ende die Wähler-Mehrheit in der VA. Ich fürchte, die beiden Parameter sind nicht deckungsgleich.

Ich hoffe nur, die Info-Offensive schafft es noch, die EINE, zentrale Oberfläche aller Anti-S21-Gruppierungen zu werden, die vor allem für die große Abstimmungs-Mehrheit (!) der eher uninteressierten, oberflächlich mit dem Konflikt befassten Passiv-Bürger attraktiv und übersichtlich genug ist,

a)deren Interesse zu wecken bzw. zu reaktivieren

b)über eine verständliche klare Struktur von den Haupt-Themen zu vertiefenden Detailinformationen weiterzuleiten,

c)ohne den Suchenden gleich in einem Ozean von unzähligen Detail-Detail-Infos, Grafiken, Artikeln ertrinken zu lassen,

um so den aufgeschlossenen, denkfähigen Wähler-Anteil auf der argumentativen Schiene noch zu erreichen.


Und die "Kampagne" des Vereins "Pro Stuttgart 21" ?

Wieder gibt es keine überzeugenden Argumente für den Tiefbahnhof, im wesentlichen soll die Drohung mit den imaginären 1,5 Mrd. Euro "für nichts" im Falle des Ausstiegs ausreichen.

"Der Verein Pro Stuttgart 21 will mit einer landesweiten Plakatkampagne für das Schienenprojekt werben. Die Befürworter sprechen dabei vor allem die Folgen eines Ausstiegs des Landes an. "Für jeden Baden-Württemberger würden 150 Euro fällig, insgesamt 1,5 Milliarden Euro für nichts", rechnete Roger Kehle, der geschäftsführende Präsident des Gemeindetages, am Montag bei einer Pressekonferenz im Bahnhofsturm vor."(STN vom 11.10.2011)

www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.s21-plakatkampagne-strobl:-gruene-betreiben-volksverdummung.ec27bb87-9959-40f9-9c11-500cec0a6e73.html

und

www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=8714296/1e5xdi4/

Also das Modell Einschüchterung und Bangemachen vorm Abweichen vom vorgegebenen rechten Weg, so wie in den CDU-Wahlkampagnen der 50er Jahre, und jahrhundertelang von der katholischen Kirche vorexerziert.

Insgesamt wenig überraschendes. Dass alle großen Lobbyverbände, alle potentiellen Kriegsgewinnler und deren gewissenlose Trommler und Lautsprecher jetzt ihr Kriegsgeschrei noch infernalischer aufdrehen würden, war ja zu erwarten.

Immer noch nicht verdaut (also seelisch) habe ich allerdings das menschenverachtende Verhalten der Partei namens SPD. Es ist wohl so, politische Heuschrecken hatten sich längst der "guten, alten" SPD bemächtigt, sie ausgehöhlt und die leere Hülle, lange unbemerkt, mit neuen Inhalten gefüllt.

"Lebenslangen Stammwählern, in deren Familien teilweise über Generationen hinweg SPD gewählt wurde - in der unhinterfragten Annahme, es handele sich um eine Arbeiterpartei, deren Ziel die Verwirklichung eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates sei -, müsste spätestens jetzt dämmern, dass sie einem Trugbild nachgejagt waren, nicht der Realität. „Benzin im Blut“ und „Wo ein Bagger steht, da geht es uns gut“ sind mittlerweile die Primitivst-Parolen der vermeintlich sozialdemokratischen Partei, nicht das einst sozialliberale „Mehr Demokratie wagen“ eines Willy Brandt [… ]

Mit Sozialdemokratie hat dies und haben zumindest diese Funktionäre der Partei nichts mehr zu tun."(seriousguy47 _10.10.2011)

Kurz und drastisch die Erklärung von mcmac (10.10.2011):

"Die Alte Tante ist eine drogensüchtige Hafennutte geworden."

Punkt. Alles gesagt.

Oder, doch noch nicht alles. Es ist ja auch bodenlos !

Kommentar der SPD-Spitze zur Standfestigkeit der Grünen in Berlin in der "A 100-Frage" (die ca. 3km Verlängerung der Stadt-Autobahn durch die Schrebergarten-Gebiete Neuköllns, um den damit herangeführten Mehr-Verkehr direkt auf die Frankfurter Allee auszuspucken) lt. WELT vom 10.10.11 :

SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel rief die Grünen dazu auf, ihre Haltung zu Verkehrsprojekten "generell zu überdenken".

Hat niemand einen Spiegel, groß genug, ihn dem Gabriel vorzuhalten ?

Und in Bayern komplettiert Alt-SPD-Sonnenkönig Christian Ude das Dreigestirn 'Stuttgart-Berlin-München' der Hoch- und Tiefbau-SPD. Der Spielplan für die Bayern-Wahl 2013 ist eine Blaupause von S21 bzw. A100. Zur Vervollständigung der Serie geht’s hier nicht um Straße oder Schiene sondern um die dritte Startbahn für MUniC-Airport.

Wie heißt es so schön in einem oben zitierten Artikel : SPD, die Infrastruktur-Partei.

Infrastruktur ist Hardware. Hirn ist etwas weiches.Wäre beides vorhanden, sinnvoll vereint, könnte daraus etwas zukunftsweisendes entstehen. Tja, leider ungerecht verteilt …

Ude als langjähriger Münchner Stadt-Monarch ist der– einzige -Hoffnungsträger der Bayern-SPD für die Landtagswahl 2013. Sein Preis, um sich dafür herzugeben, ist für die SPD die Zustimmung zum Bau der umstrittenen dritten Start- und Landebahn, gegen ihren zum möglichen Machtwechsel notwendigen Koalitionspartner, die Grünen.

So, und wem gerade mal so richtig zum Kotzen ist, dem sei als hochwirksames Mittel das Pamphlet (offenbar aus 2009) der BaWü-Landtags-SPD empfohlen :

www.spd.landtag-bw.de/index.php?docid=3586

(Scheint ein aktuelles Dokument zu sein, da unter der aktuellen Homepage der Landtagsfraktion abgreifbar, allerdings der Verweis im Text auf "Verkehrsminister Tiefensee" irritiert etwas ..?)

Womit wir wieder im Ländle wären.

Wenigstens sollte man seitens des Aktionsbündnisses vermeiden, es den polemischen Reaktionen der Pro-tagonisten zu leicht zu machen. Die aktuell vorgestellte K-Bahnhofs Variante von VR als Beispiel. Dieses genial erscheinende Konzept, mit den zusätzlichen Gleisen anstelle der bisherigen Gepäck-Bahnsteige, zum leichteren Verständnis nur in groben Skizzen präsentiert, bietet reichlich Raum für detaillierte und im Kern nicht inkompetente, ansonsten von Polemik triefende Anti-K21-Agression.

www.fuerstuttgart21.de/alle-blogs-anschauen/viewpost/209.html

Ergebnis : "Volk" bleibt, wieder mal, ratlos zurück. Nur die Überzeugten, Verstehenden, werden je gegen S21 abstimmen. Die "ratlosen", verunsicherten, bleiben zusammen mit den unwissenden und gänzlich uninteressierten zuhause und landen damit ungefragt in der Kiste der S21-Befürworter. So grausam ist die Welt, hier die von der amtierenden Koalition geschaffene Welt des Volks-"Entscheids".

(Ich habe wirklich die allergrößte Hochachtung, vor den unvergleichlichen Leistungen der Bündnis-Aktivisten gerade bei der Aufklärung und Information. Ich will hier gewiß nicht deren Arbeit schlecht machen, dafür gibt es keinen Grund. Nur, wäre es vielleicht hilfreich , sich noch mehr in die Denkweise der eigentlichen, oben charakterisierten, Adressaten zu versetzen um diese wirkungsvoll zu erreichen.)

Andererseits, wo S21 doch als so elementar europäisches Projekt gepriesen wird, (das Parlament in Bratislava zeigt ja dem pan-europäischen Banken-Unterstützerkreis bei ihren hemmungslosen public-private Steuergeld-Transfers gerade was eine Harke ist !) reisen wir noch ein Stückchen weiter auf dem imaginären Korridor, bis in die Ukraine. Und als völkerverbindende Maßnahme unterstellen wir das Projekt "S21" ukrainischem Recht. Dann würden die politischen S21-Verantwortlichen zu gegebener Zeit wegen "Amtsmissbrauch zu Lasten des Staates durch Abschluß nachteiliger Verträge" für etliche Jahre in den Knast wandern. Nette Vorstellung.

Ich meine, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Demokratie-Modellen in Europa werden zunehmend fließender. Man lernt voneinander.

Immer mehr "Bundes-Trojaner" werden entdeckt. Bayern vorneweg. In einem Fall angeblich während der Zollkontrolle am Flughafen auf ein Laptop aufgespielt. Laut Innenminister ging "alles mit rechten Dingen zu."Na klar, mit rechten, mit Linken wäre so was nicht zu machen. Zumindest hier und heute nicht …

Der Nachtwächter-Staat braucht ja schließlich einen zuverlässigen Wecker, wenn irgendwelche nicht markt-konformen Störer des reibungslosen Systems durch die Tür wollen. Also, Piraten, versenkt die Trojaner !

Immerhin, im Unterschied zu manch östlicher gelegenen, gelenkten Demokratien darf der Skandal öffentlich thematisiert werden (noch) und es darf dagegen gemeckert werden. Ob sich deshalb etwas ändert ?

Hauptsache, für die Steuerbetrüger bleibt weiterhin die Anonymität gewahrt. Und die Absolution gibt’s noch dazu, zum Spar-Tarif. Moderner Ablasshandel. Dumm nur, dass jetzt wieder die EU-Behörden da etwas dran auszusetzen haben. War der Schäuble-Merkel-Deal mit unsern eidgenössisch alemannischen Brüdern jedenseits des Bodensees wieder nicht sorgfältig genug abgesichert !

Ansonsten funktioniert das kreative Steuerbefreiungs-System im Lande doch ziemlich reibungslos. Nicht markt-konforme Steuerprüfer, die irgendwie unkontolliert durch die Ausleseverfahren gerutscht sind und dann noch so renitent sein sollten, gleiches Recht für alle anwenden zu wollen ( Ja, wo kämen wir denn da hin ? … ) werden nach totalitärem Vorbild teils in der Psychiatrie kaltgestellt. Wer das nicht glaubt in unserem Land, der lese nach.

Da ist also das "Meckern" schon nicht mehr ungefährlich, z.B. gibt's mehrere Fälle in Hessen :

www.fr-online.de/steuerfahnder-affaere/steuerfahnder-affaere-kontrolle-unerwuenscht,1477340,2793240.html

oder der Fall Diehl :

www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/nuernberg/geheimgutachten-deal-mit-diehl-1.525735

oder ein ähnlicher "Fall" der seit über 5 Jahren in der Psychiatrischen Klinik in Bayreuth einsitzt. Er hatte Fälle von Schwarzgeld-Transfers einer Nürnberger Bank, an denen seine eigene Frau als Bankangestellte maßgeblichen Anteil hatte, angezeigt. (Nürnberger Nachrichten vom 07.10.2011) leider nicht im Netz zu finden (?!).

Naja, und hatte nicht unser sympathischer frühere Finanzminister Mayer-Vorfelder seinerzeit, in seiner Funktion als Amtschef, Unternehmen im Ländle über Steuerspar-Modelle beraten ?Zudem hatte er selbst vom VfB Stuttgart erhaltene Zuwendungen von mehreren Hunderttausend Euro nicht versteuert :

www.handelsblatt.com/archiv/neue-vorwuerfe-gegen-mayer-vorfelder/2160930.htmluns

Uns bleibt ein Trost : sämtliche S21 – Gegnerin psychiatrischen Einrichtungen unterzubringen, um wieder Ruhe im Lande herzustellen, ist kapazitäts-technisch nicht möglich. Das Komplementär-Modell , das könnte aber funktionieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kopfmachen21

S21 Das dümmste Großprojekt

Kopfmachen21

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