Cindy Klink ist hochgradig schwerhörig. „Wisst ihr, was ich an Musik so bezaubernd finde? Der Enthusiasmus, der sich dahinter verbirgt“, schreibt sie in ihrem Buch Hören wird überbewertet. Hier erzählt sie offensiv ihre Geschichte, räumt mit Vorurteilen auf, zum Beispiel damit, dass Gehörlose nicht tanzen könnten. Sie fühle den Bass im ganzen Körper, erklärt Klink. Doch für die Songtexte brauche es Übersetzungen.
Die 21-Jährige lebt in einem kleinen Ort an der Mosel und macht gerade eine Ausbildung in der Verwaltung parallel zu ihrem Abitur. 2015 stellt sie ihr erstes Gebärdenvideo online. Ein großer Schritt war das: „Ich war nie beliebt und wollte es auch nicht sein. Ich lernte, auf Menschen zuzuzugehen, wurde selbstbewusster.“ Das schreibt Klink im Chat-Interview. Chatten ist für sie die ideale Kommunikationsform, ihr Alltag sieht oft anders aus: „Mich nervt, wenn der Gesprächspartner sich keine Mühe macht, mit mir zu sprechen.“
Im Kindergarten der Freak
Klink wächst bilingual auf. Ihre Eltern sind beide gehörlos und kommunizieren mit ihr und ihren beiden Geschwistern in der Gebärdensprache. Ihre Oma habe sich irgendwann gewundert, warum sie ihre Rufe nicht höre. Als ein Hörtest zeigt, dass ihre Enkelin so wie ihr Sohn taub ist, setzt die Großmutter alles daran, ihr Sprechen beizubringen. Cindy ist heute froh darüber: Sie wolle „beruflich nicht an der Kante sitzen“, es ist ihr wichtig, auch in Lautsprache zu kommunizieren. Klink bewegt sich zwischen zwei Welten. Ihre Schwerhörigkeit ist erblich bedingt, sie wächst mit vielen Gehörlosen auf. Im Kindergarten wird sie gemobbt. Kinder stempelten sie als „Freak“ ab. Sie erlebt körperliche Übergriffe und Ausgrenzung, hat auch später keine hörenden Freunde. Doch auch von Gehörlosen erfährt sie Diskriminierung. Eben weil sie etwas hören kann. Im Buch erzählt Klink offen von ihren Mobbingerfahrungen, von der Gewalt, die sie erfahren hat. Im Gegensatz zu ihren Videos macht sie hier ihrer Wut über Erlebtes Luft, will aber auch über die Hörbehinderung informieren. Und manchmal, da hat sie keine Lust, sich zu erklären: „Ich weiß, dass ich einen Sprachfehler habe und man mich durch das Lispeln nicht wirklich ernst nimmt. Ich bin gern unter Leuten, aber nur, wenn man mich sieht, sich gerne mit mir unterhält.“
Im Netz bekam sie viel Zuspruch für ihre Videos. „Am Anfang wollte ich damit Gehörlose erreichen.“ Dann bekommt die Youtuberin fast täglich Nachrichten von Menschen, die inspiriert sind, die Gebärdensprache zu lernen. Eine Tatsache, die Gehörlose zwiespältig aufnähmen, meint Klink. Sie findet: „Jeder, der die Gebärdensprache lernt, hat meinen Respekt.“ Doch sie kenne Gehörlose, die das befremde, die die Gebärdensprache als ihre eigene Kultur begreifen würden.
Vereinzelt gibt es bei Konzerten und bei Festivals bereits Simultanübersetzungen in Gebärdensprache. Klink wünscht sich mehr davon: „Ich würde gerne mal eine Comedyshow besuchen. Aber wenn dann das ganze Publikum lacht, finde ich es schade, dass ich vielleicht nicht weiß worüber.“ Bei Konzerten sei es anders, denn da spüre sie die Musik, aber „ich würde sie auch gerne verstehen“. Klink kann sich gut vorstellen, häufiger Lieder zu übersetzen. Gerne würde sie das mal mit einer Band live auf der Bühne machen – und natürlich weiterhin bei Youtube.
Info
Hören wird überbewertet Cindy Klink Hirnkost KG 2018, 91 S., 12 €
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