Briefwechsel zwischen Einstein und Freud: „Warum Krieg?“

1932 Albert Einstein fragt Sigmund Freud nach den psychologischen Ursachen für Kriege und sucht nach Wegen zu dauerhaftem Frieden.

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Im Sommer 1932 bittet der Völkerbund, eine 1919 gegründete Vorgängerinstitution der UNO, den Physiker und Pazifisten Albert Einstein einen Brief an eine beliebige Person zu schreiben - zu einem Thema seiner Wahl. Einstein wendet sich an Sigmund Freud. Seine Kernfrage an den Psychologen lautet:

Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und Vernichtens gegenüber widerstandsfähiger werden?“

Die Antwort Freuds fällt nicht besonders optimistisch aus. Er sehe keine Aussicht auf Erfolg, dass die aggressiven Neigungen der Menschen überwunden werden können. Dennoch drückt Sigmund Freud die Hoffnung aus, dass positive kulturelle und zivilisatorische Entwicklungen sowie die Angst vor den Folgen zukünftiger Konflikte der Entstehung von Kriegen in absehbarer Zeit ein Ende bereiten könnten. In diesem Zusammenhang stellt Freud ausführliche historische und staatstheoretische Überlegungen an. Hinsichtlich der psychologischen Eigenschaften des Menschen erläutert Sigmund Freud seine Triebtheorie. Diese beinhaltet auch den Aggressionstrieb, welchen Freud für nicht zu beseitigen hält. Die Neigungen zu destruktiven Aggressionen könnten jedoch in Grenzen gehalten werden, so dass sie nicht zum Krieg führen müssen.

Heutzutage wird das Triebkonzept weitgehend abgelehnt und von vielen Psychologen als zu biologistisch angesehen. Aus der philosophischen Anthropologie ergibt sich allerdings, dass keine letztgültigen Aussagen zum wahren Wesen des Menschen möglich sind. Zum Menschenbild sind seit tausenden von Jahren die unterschiedlichsten Meinungen geäußert worden.

Gleichwohl halte ich den Briefwechsel zwischen Einstein und Freud für ausgesprochen lesenswert. Vor allem Albert Einsteins kluge Fragen, die teilweise schon eine Antwort implizieren, könnten Friedensfreunde inspirieren und womöglich manche Militaristen nachdenklich stimmen. So führt der weltweit anerkannte Intellektuelle aus, dass oft die entschlossene, sozialen Erwägungen und Hemmungen unzugängliche Gruppe jener Menschen, denen Krieg, Waffenherstellung und -handel nichts als eine Gelegenheit sind, persönliche Vorteile zu ziehen“ dem Frieden entgegensteht.

Ergänzend stellt Albert Einstein die Frage in den Raum, wie es dieser kleinen Gruppe gelingen könne, die Masse der Bevölkerung für ihre Ziele „dienstbar“ zu machen. Diesbezüglich formuliert Einstein die These, dass die „Minderheit der jeweils Herrschenden vor allem die Schule, die Presse und meistens auch die religiösen Organisationen“ kontrolliert. Deshalb könnten die politisch und wirtschaftlich Mächtigen die Gefühle der breiten Masse manipulieren.

Am Ende seines Briefes meint Einstein, dass es wahrscheinlich noch weitere Gründe gebe, die Menschen für Kriege zu „entflammen“. Es müsse wohl auch Ursachen geben, die tief in der Psyche jedes Einzelnen liegen. Deshalb stellte er an Sigmund Freud die oben genannte zentrale Frage, ob es psychologische Möglichkeiten gebe, die Menschheit insgesamt friedlicher werden zu lassen.

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