Bushs diplomatischer Scherbenhaufen

US-Außenpolitik Ein wirklicher Neustart kann Obamas Nahostpolitik nicht sein, dafür bürgen die alten Bekannten aus der Ära Clinton wie auch Bushs diplomatischer Scherbenhaufen

George W. Bush gehört zu den schwächsten Präsidenten, die die amerikanische Nation jemals hervorgebracht hat. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 bildeten die Wasserscheide seiner Präsidentschaft und lieferten den Grund für den „war on terror“. Dieser richtete sich zwar vordergründig gegen das Taliban-Regime in Afghanistan und das Al-Qaida-Netzwerk. Aber bereits am 12. September 2001 wurde der Überfall auf den Irak Saddam Husseins beschlossen. Sein Sturz sollte die erste Station auf dem Weg zur Zwangsdemokratisierung und dem „Kampf gegen das Böse“ im Nahen Osten sein. Dieser Demokratisierungsfeldzug ist jedoch nach der Invasion im Irak steckengeblieben.

Ein wichtiger Grund für den Widerstand der Muslime gegen eine erneute Kolonisierung ihrer Länder durch den Westen liegt in der einseitigen Haltung der USA zum Nahostkonflikt, der allein durch die Brille Israels betrachtet wird, sowie in der feindseligen Haltung gegenüber dem Islam. Seit 9/11 ist in den USA eine riesige Industrie entstanden, die sich die Dämonisierung der zweitgrößten Religionsgemeinschaft auf die Fahnen geschrieben hat.

Interessengemeinschaft USA - Israel

Zu Beginn seiner Präsidentschaft zeigte Bush wenig Interesse an der nahöstlichen Region. Auch hier waren es wieder die Ereignisse von 9/11, die zu einer intensiven Hinwendung zu israelischen Positionen geführt haben. Der damalige Premier Ariel Sharon wurde zu einem der engsten Alliierten im „war on terror“. Bush gab Sharon freie Hand, gegen Yassir Arafats Autonomiebehörde vorzugehen. Dem wurde unterstellt, er sei der Drahtzieher hinter der am 28. September 2000 ausgebrochenen Al-Aqsa-Intifada. Die daraufhin initiierte völlige Zerstörung der Autonomiebehörde erfolgte mit dem Segen der Bush-Administration. Unter diesen Umständen eskalierte im März 2002 der Nahostkonflikt erneut. Bush macht Arafat dafür verantwortlich und meldete sich im Juni 2002 mit einem eigenen Nahostplan zu Wort, der einen provisorischen Palästinenserstaat in Aussicht stellte, dies aber von einem Wechsel an der Spitze der Palästinenser sowie vom Aufbau demokratischer Institutionen abhängig machte – das Vorspiel für die nach dem Irak-Krieg präsentierte Road Map, für die sich neben den USA auch Russland, die EU und die UNO zuständig fühlten. Bis heute wurde kein Jota davon umgesetzt.

Im April 2004 vollzog Bush bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon im Weißen Haus erneut eine Kehrtwende. Er unterstützte den von Israel erhobenen Anspruch auf Teile des Westjordanlands, indem er erklärte, es sei unrealistisch zu erwarten, dass sich Israel aus allen besetzten Gebieten zurückziehen werde – faktisch die Anerkennung für die völkerrechtswidrige Einverleibung palästinensischen Landes, aber auch für den völkerrechtswidrigen Bau der Grenzmauer zur Westbank. Am 27. November 2007 fand in Annapolis (US-Staat Maryland) ein pompöser Fototermin statt, der auch als „Friedenskonferenz“ in die Annalen der Geschichte eingehen dürfte. Bush selbst wollte dieses Treffen nicht, zu dem 49 Staats- und Regierungschefs angereist waren.

Fototermin als "Friedenskonferenz"

Seine Außenministerin hatte diese Idee, wollte sie doch damit dem Druck Ägyptens, Jordaniens und Saudi-Arabiens nach „Ergebnissen“ im Israel-Palästina-Konflikt nachgeben. Dieser Fototermin ist nur zustande gekommen, weil die USA ihre arabischen Verbündeten in ihrer Konfrontation mit Iran und der Hamas dringend benötigten. Eigentlich waren weder die USA noch Israel an einer Lösung dieses Konfliktes interessiert, sondern nur am Management desselben. Der Erfolg dieses Treffens lag darin, dass alle 49 Gäste angereist kamen. Niemand erwartete irgendeinen Fortschritt. Ehud Olmert war innenpolitisch zu schwach, um Konzessionen zu machen – die Arbeitspartei von Ehud Barak und die National-Religiösen lehtnen jeden Kompromiss ab. Das rechte Lager verweigerte Verhandlungen sowieso, von Zugeständnissen gegenüber den Palästinensern ganz zu schweigen. Das Scheitern von Annapolis war nicht nur programmiert, es ist realiter auch eingetreten.

Auch zu dem am 27. Dezember entfesselten Krieg Israels gegen die Hamas im Gaza-Streifen schweigen die USA. Im UN-Sicherheitsrat enthielten sie sich als einziger der Stimme. Auch die einseitige Schuldzuweisung an Hamas geht an der Wirklichkeit vorbei. Der Waffenstillstand wurde am 4. November von Israel gebrochen, als die israelische Armee in den Gaza-Streifen einfiel und fünf Palästinenser erschossen hat. Daraufhin nahm Hamas den Beschuss der Stadt Sderot wieder auf. Der Einsatz der gesamten Militärmaschinerie Israels ist völlig unverhältnismäßig und hat zu über 950 Toten und über 4.000 Verletzten geführt. Erste Stimmen werden laut, die eine internationale Untersuchung und eine Anklage der Verantwortlichen in Den Haag verlangen.

Eine substantiell neue Nahostpolitik ist von Obama nicht zu erwarten

Bisher hat sich Barack Obama nicht zu diesem Krieg geäußert. Ob er sich aus den Verpflichtungen und politischen „Fesseln“ seines Vorgängers befreien kann, muss abgewartet werden. Eine substantiell neue Nahostpolitik ist nicht zu erwarten, dafür bürgen schon die „alten Bekannten“ aus der Clinton-Regierung. Was sich ändern wird, das sibnd der Stil und die Rhetorik. Die USA werden weiterhin mit Israel politisch durch Dick und Dünn gehen, wie dies beim Krieg im Gaza-Streifen zu besichtigen ist, und auf die legitimen Rechte der Palästinenser und der arabischen und muslimischen Welt wenig Rücksicht nehmen, wenn es ihren Interessen nicht dient.


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