Geordnete Insolvenz statt GREXIT

Griechenland Als Alternative zum GREXIT sollte man sich an Philipp Röslers Vorschlag einer "geordneten Insolvenz" erinnern. Die Ausführung allerdings der SYRIZA überlassen.

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Nächsten Sonntag wird in Griechenland das nationale Parlament gewählt, und vieles deutet darauf hin, daß die SYRIZA-Partei diese gewinnt – mehr oder weniger deutlich. Somit ist wahrscheinlich, daß der nächste griechischer Premierminister Alexis Tsipras heißen wird. Zum Schrecken der EU, des IWF und der EZB, und wohl zur Freude der meisten Griechen. Kaum wurde am 29. Dezember 2014 die Wahl ausgerufen, regnete es Warnungen, düstere Prognosen oder gar Einschüchterungen: dies wird Griechenland in ein Elend stürzen, das Land wird pleite gehen, und muß wohl die EURO-Zone und gar die EU verlassen („GR-EXIT“). Ich hoffe, daß sich diesmal die griechische Demokratie nicht unter Druck setzen läßt – wie bei angekündigem und kurz darauf abgesagtem Referendum über das Hilfspaket ende 2011.

Es ist schwer vorauszusehen, ob und wie SYRIZA regieren würde, wie und ob Griechenland mit der EU, der EZB und dem IWF verhandeln würde.

Eines muß man aber gleich klar stellen: eine mögliche Pleite des griechischen Staates ist keinesfalls gleichbedeutend mit dem Verlassen der EURO-Zone oder gar der EU. (Wobei es gemäß der EURO-Verträgen, leider, doch stimmt, daß kein Land die EURO-Zone verlassen kann, ohne die EU als ganzes zu verlassen. Präziser: da es keinen Passus über das Verlassen des EURO-Raumes gibt, ist der einzige Weg ein EU-Austritt!).

Es gibt für Griechenland allerdings keinen Grund, Bankrott hin oder her, den EURO-Raum zu verlassen. Im Gegenteil. Ob mit oder ohne Pleite, mit oder ohne Schuldenschnitt: Eine Rückkehr zu eigener Währung würde zu Folge eine deutliche Abwertung dieser Währung haben. Dies wiederum würde die ausstehenden Schulden – die in Euro ausgenommen wurden und abbezahlt müssten – nur erheblich verteuern. Und auf einen möglichen Export-Effekt durch die abgewertete eigene Währung könnte Griechenland lange warten, jedenfalls würde dies nicht die Verteuerung der Schulden wettmachen.

Der Verbleib im EURO-Raum und natürlich auch in der EU schließt wiederum weder einen Schuldenschnitt, noch eine Pleite aus. Kein Land kann aufgrund von erfolgter Zahlungsunfähigkeit aus der EU oder dem EURO-Raum gegen seinen Willen rausgeschmissen werden – auch dies ein Versehen oder Absicht der Verfasser der EU- und EURO-Verträge. Es ist nicht mal möglich, dessen Waren- und Personenverkehr oder die Mitbestimmung im EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission, ja nicht einmal in der EZB zu beschränken. Und zahlungsunfähig wäre ein Staat wie Griechenland entweder, wenn man sich über einen Schuldenschnitt nicht einigt, oder wenn es schlicht nicht zahlen kann.

Aus meiner Sicht ist das erste genau das, was SYRIZA machen sollte: Den Staat Griechenland als zahlungsunfähig zu erklären und von sich aus alle Schulden für null und nichtig zu erklären. Eigenhändig alle Schulden streichen – also ca. 320 Mrd. Euro. Gewissermaßen frei nach Philipp Röslers Vorschlag der "geordneten Insolvenz" - wobei die Regeln dieser "Ordnung" nicht von Außen, sondern von den Griechen selbst kommen sollten. Denn es ist klar, daß jegliche „Griechenland-Hilfspakete“ nur folgendes zur Folge hatten: In Griechenland leichte, sanfte Steuererhöhungen und radikale Ausgabenkürzungen des Staates, in Folge Verelendung großer Teile der griechischen Gesellschaft, bei gleichzeitiger Erhöhung der Staatsverschuldung als Anteil am BIP von ca. 120% vor der Schuldenkrise 2009 auf 170% 2014.

Die Sparkur hatte allerdings einen Vorteil, und diesen sollte SYRIZA nutzen: den schon 2013 erreichten primären Haushaltüberschuß, also den Überschuß der Staatseinnahmen über die Staatsausgaben ohne Zinszahlungen für Schuldtitel. Genau damit kann Griechenland alle Forderungen und Drohungen jeglicher Gläubiger aushebeln. Denn die Drohgebärden heißen immer: Wenn ihr eure Schulden nicht brav bedient, bekommt ihr keine neuen Kredite – ob von privaten Finanzinstitutionen, ob von EZB oder IWF. „So what?!“ - könnte SYRIZA dank der primären Haushaltsüberschusses antworten. Wir brauchen keine neuen Kredite!

Und die armen Gläubiger mit ihren dann verpufften Milliarden, tun die keinem Leid? Nein. Die privaten Gläubiger haben sich an den griechischen Krediten Jahrzehnte das mehrfache dessen verdient, was ihnen heute entgehen würde. „Heute“ - denn dank der „Hilfspakete“ wurden deren Kredite zum großen Teil auf den IWF, EZB, EFSF (ESM) und die EU „umgeschichtet“. Somit, ja, - auf uns. Und da wir Regierungen und Politiken duldeten und dulden, die solche „Hilfspakete“ für die eigenen privaten Banken (meist in Deutschland, Frankreich, Italien, Großbrittanien) ersonnen und durchgezogen haben, ist es durchaus gerechtfertigt, wenn uns als Steuerzahler diese Rechnung präsentiert wird.

Bleibt noch das Schicksal der griechischen Privatbanken, die zum Teil immer noch griechische Staatsanleihen halten. Pech gehabt, euer Schicksal wird das der zypriotischen Institute sein: Verstaatlichung und Abwicklung. Der „gewöhnliche“ griechischer Sparer, sofern er noch etwas auf dem Konto hat, kann ruhig schlafen: bis zu 100.000 Euro gilt ja die EU-Bankgarantie. Noch so eine schöne gemeinnützige Versicherung gegen privat eingegangene Risiken.

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Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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