Karriere beim Wort nehmen

Leben&Arbeit "Karriere" bedeutet ursprünglich nicht den "beruflichen Aufstieg", sondern neutral den "beruflichen Werdegang" - also keinesfalls den "klar nach oben" führenden Weg.

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Das Wort „Karriere“ ist mehr als konsequent - es hat tatsächlich Karriere gemacht. Immer mehr kam es in den Vordergrund, immer stärker und öfter wurden seine Verwandten „Job“, „Beschäftigung“, „Beruf“, „Werdegang“ oder schlicht das alte gute Wort „Arbeit“ verdrängt. Nicht nur Ratgeber, Talkshows, Zeitungen und Magazine verhelfen dem Wort „Karriere“ zur weiteren Karriere. Selbst unter feministischen Eltern und trotzkistischen Studenten wird von „Karriere und Familie vereinbaren“ bzw. „die wissenschaftliche Karriere nicht verbauen“ gesprochen. Gibt es eigentlich noch jemanden, der schlicht einen Beruf ausüben will, der über seinen Werdegang spricht – oder einfach eine Arbeit hat? Allerdings hat auch „Beruf“ den ehrlichen Glanz der ursprünglichen Bedeutung verloren – oder wie viele von uns fühlen sich wirklich berufen, das zu tun, womit sie gerade ihren Lebensunterhalt verdienen? Man spricht schon eher von einem Job – welches wie eine einmalige (wenn auch länger dauernde) Aufgabe klingt, zu der man keine besonders emotionale Bindung hat – wie ein „Auftrags-Job“ oder eine Söldner-Tätigkeit.

Karriere bedeutet im eigentlichen Sinn auch nicht mehr als „beruflichen Werdegang“ - zumindest laut Wikipedia: „Die Karriere oder berufliche Laufbahn (von französisch carrière) ist die persönliche Laufbahn eines Menschen in seinem Berufsleben.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Karriere). Zumal das Wort dem Wortsinn nach schlicht „Fahrstraße“ (lateinisch carrus „Wagen“) bedeutet. Ein Weg kann nach vorne und wieder nach hinten führen, schnell oder langsam, hinauf oder hinunter. Leider wird nicht nur in der Umgangssprache (siehe oben) sogar selbst beim Duden diese neutrale Bedeutung von Karriere als „beruflicher Weg“ abgelöst von einer zwanghaften Fokussierung auf den Aufstieg: „1. Bedeutung = erfolgreicher Aufstieg im Beruf“. „Wir“ wollen immer erfolgreich sein, vorankommen, aufsteigen, mehr verdienen, mehr bedeuten, mehr leisten – und unsere Arbeitgeber wollen es auch. Wer beruflich von sich mal sagt: „Ich bin eigentlich mit dem beruflichem Status quo, also sowohl mit meinem Verdienst wie der Stellung, zufrieden.“ - gilt fast schon als fauler Sack ohne Willen und Visionen. Ja, das Nicht-Wollen einer (weiteren) Karriere, eines Aufstiegs – bedeutet nicht (was eine logische Folge wäre) eine Konstanz, ein Gleich-Bleiben – sondern den Abstieg. Dabei schätze ich weder meine Zahnärztin noch meine Bäckerin weniger, nur weil beide seit zehn Jahren (oder mehr?) dieselbe Tätigkeit ausüben...

Es ist verständlich, wenn sich ärmere Menschen oder jüngere Menschen am Anfang ihres Weges – auch des Lebensweges – einen Aufstieg wünschen, auch wenn dieser nur pekuniärer Natur wäre. Man will schließlich meistens von Mutti&Vati wegziehen (und dabei selber für die Miete aufkommen), vielleicht wünscht man sich Kind oder gleich fünf, und den Wunsch nach „einer gewissen Sicherheit“ vor dem ins Minus rutschenden Girokonto nimmt man jedem ab. Nur leider fällt es vielen Menschen schwer – sofern sie es auf diese ersten Stufen der „gesicherten Existenz“ schaffen – in Folge „Nein, danke, das reicht schon“ zu sagen. Diese Schwierigkeit liegt vor allem im Kopf. So wachsen die Wünsche weiter – ob Urlaub in Costa Rica, ob den zweite SUV, oder der Geigenunterricht für das dritte Kind – alles wird früher oder später zum „Grundbedürfnis“ - welches man sich leisten will (muß?). Und dafür – so viel ist den meisten „Bedürftigen“ klar – muss es eben mit der Karriere nach oben gehen. Daß dabei einige andere vielleicht weg geschubst werden – egal. Wird oft nicht mal wahr genommen. Genauso wie die eigentliche Bedeutung des Wortes „Karriere“ - bis der Tag kommt, an dem es – Sprachgebrauch hin oder her – doch nicht nur „nach vorne“, „nach oben“ geht...

Warum also nicht gleich das Wort „Karriere“ beim Namen nehmen – also als einen sich auf verschiedene Arten schlingenden (beruflichen) Weg – ohne dem Drang zu einem Aufstieg? Der nächste Schritt wäre, sich mehr als der Karriere – der Arbeit zu widmen. Nicht als Job, sondern als Beruf(ung). Oder, wie in einem meiner Versprecher: „dem Ideal, Karriere und Beruf zu vereinbaren“... Vielleicht wird dann auch klar, daß die „Balance zwischen Karriere und Familie/Privatleben“ nicht durch ein „Immer-Mehr“ gelingen muß und kann – da der Tag eben nur 24 Stunden hat, das Jahr 365,25 Tage, und das Leben selbst auch selten mehr als 80 Jahre. Entweder mehr Karriere, oder mehr Leben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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