Verena Becker & Helmut Kohl: Schweigen als eine Frage der Ehre

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Es gibt Augenblicke in denen stille, unerwartete Gefühle in meinem Inneren aufkeimen: die des Verständnisses gegenüber Menschen, die mir ansonsten nicht besonders nahe oder sympatisch wären.

So im Fall Verena Becker und ihres beharrlichen Schweigens über den Buback-Mordes.

So aber auch vor Jahren im Fall Helmut Kohl und seines beharrlichen Schweigens zum Ursprung der Gelder im CDU-Spendenskandal.

In beiden Fällen hege ich keinerlei Sympathie, nicht einmal Verständnis für beide Personen und für beide kriminellen Taten, die ich aber auch nicht miteinander vergleichen möchte.

Was ich auf eine Stufe setze, und wofür ich Verständis habe – ist das Schweigen der Angeklagten. Es ist die Standhaftigkeit dem Gericht, der Öffentlichkeit, dem Staat nicht alle Fragen beantworten zu wollen. Und in beiden Fällen ist es das Prinzip der Ehre – das meine ich jetzt ohne Ironie – durch eine Aussagenverweigerung seine Freunde (auch wenn es Mittäter sind) nicht in Schwierigkeiten zu bringen.

Ich muss zugeben, es geht weiter. Je vehemmenter der Staatsanwalt, das Gericht, die Öffentlichkeit, die Medien in beiden Fällen eine Aussage (= einer Belastung), oder gar „die Wahrheit“ verlang(t)en – desto mehr hatte ich das Bedürfnis, beide Angeklagten & Täter innerlich zu unterstützen, ihnen zuzuflüstern: „Bleib standhaft, lass dich nicht beirren, bleib bei deinem ehrenhaften Schweigen!...“

Wahrheit und Gerechtigkeit sind wichtige Werte. Wichtige Werte sind jedoch auch Prinzipientreue, Freundschaft, und Selbstbestimmung (z.B. das Recht, darüber zu entscheiden, was man sagen will oder nicht). Und je mehr ein Einzelner vom Staat dazu gedrängt wird, die letzteren zugunsten der ersteren aufzugeben, desto mehr solidarisiere ich mich mit dem Einzelnen. Auch im Wissen, daß er/sie ein – inzwischen jedoch verurteilter! - Verbrecher ist. Denn Wahrheit und Gerechtigkeit sind wenig wert, wenn der Weg zu ihnen erzwungen wurde.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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