Man sage nicht, dieser Präsident sei ohne Chance, Präsident zu bleiben, und Angela Merkel mit ihrer Beihilfe zum Amtserhalt illusionärem Kalkül verfallen. Der Bewerber Nicolas Sarkozy hofft nicht grundlos auf den zweiten Wahlgang am 6. Mai, den es wohl geben wird. Auch wenn der Sozialist François Hollande Runde eins am 22. April für sich entscheidet – fünf Jahre im Elysée fest gebucht hat er damit noch nicht. In Zeiten der Krise schlägt die Stunde der Exekutive.
Seit einflussreiche Rating-Agenturen wie Standard Poor's bei Frankreichs Bonität an den Finanzmärkten auf schwindsüchtig plädieren, ist fast Unglaubliches geschehen. Dem Kreis der unsicheren Kantonisten in der Eurozone, deren Staatsanleihen sich nicht wie warme Semmeln verkaufen, winkt Zuwachs aus unerwarteter Richtung. Frankreich muss bis Ende 2012 auslaufende oder zu verlängernde Anleihen im Wert von 367 Milliarden Dollar refinanzieren. Mit welchem Erfolg? Zu welchem Zinssatz? Im Vorjahr verharrte das französische Wirtschaftswachstum bei etwa einem Prozent. Dazu war bei den Ausfuhren ein fortschreitendes Schrumpfen zu quittieren, so dass der Anteil am Welthandel auf 3,6 Prozent fiel und das Außenhandelsdefizit stieg.
Mit dem? Wieso denn?
In solcher Lage empfiehlt sich Sarkozy als Steuermann und Navigator, der die Brücke auf dem in schwerer See manövrierenden Staatsschiff nicht zu verlassen gedenkt. Wenn er die Franzosen jetzt nicht bitten wollte – räsoniert er zur besten Sendezeit im privaten Fernkanal TF1 – ihr Vertrauen in ihn als Staatschef zu erneuern, hieße das, sie im Stich zu lassen. "Ein starkes Frankreich" brauche den Schutz des erfahrenen Mannes ganz oben. Der Wahlbürger soll wissen, was er anrichtet, wenn er diesen Mann durchfallen lässt. Und was es mit einem solchen Präsidenten zu gewinnen gibt, falls man ihn gewinnen lässt. Wenigstens im zweiten Wahlgang, wenn die Wähler der Kandidatin Marine Le Pen vom ultrarechten Front National (FN) wohin bitteschön driften werden? Nicht unbedingt zum Sozialisten Hollande, eher vermutlich zum Konservativen Sarkozy, dem eine restriktive Einwanderungspolitik keinen Sinneswandel abverlangt und eine Ausländer feindliche Rhetorik alles andere als Gewissensqualen. Einem Protestvotum gegen die rechtsbürgerliche Regierung im Wahlgang eins folgt im Stechen am 6. Mai möglicherweise der Gesinnungstest, der Sarkozy mehr einbringt als seinem Konkurrenten, den die Milieus eines bodenständigen, verunsicherten oder verbockten Klein- und Wutbürgertums als kosmopolitische Zumutung empfinden. Mit dem? Der "Walderdbeere", wie ihn seine Kritiker nennen? Wieso denn?
Die verlässliche Radikalität des FN-Anhangs ist seit mindestens einem Jahrzehnt – seit der Stichwahl zwischen Jacques Chirac und dem damaligen FN-Chef Jean-Marie Le Pen im Frühjahr 2002 – stabile 12 bis 15 Prozent wert, mit denen Sarkozy größtenteils rechnen kann, wenn er sie einzusammeln gedenkt, indem er sich um diese Klientel bemüht. Niemand tritt ihm zu nahe, der annimmt, dies werde geschehen.
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