Der britische Finanzminister George Osborne erwartet einen griechischen Offenbarungseid für Anfang Mai, weshalb ihm niemand schwarze Prophetie vorwerfen kann. Bestreiten lässt sich das nicht. Es sind in Kürze wieder Zahltage für die Regierung von Premier Alexis Tsipras anberaumt, um Gläubiger zu bedienen. Am 1. Mai werden 202 Millionen Euro an Zinsen für den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig, am 8. Mai müssen Staatsanleihen im Wert von 1,4 Milliarden Euro refinanziert werden, vier Tage später will – wieder beim IWF – ein Kredit von 770 Millionen Euro abgelöst sein, am 15. Mai laufen Staatsanleihen für 1,4 Milliarden Euro aus.
Allein für diese Verbindlichkeiten werden 3,77 Milliarden Euro gebraucht. Solange die Euro-Partner Athens die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro aus dem bisherigen Kreditprogramm verweigern, erscheint nicht sicher, ob sich diese Schuldenlast völlig abtragen lässt.
Das Treffen der Euro-Gruppe am 24. April in Riga dürfte Athen kaum zum erhofften Liquiditätspolster verhelfen, solange Finanzminister Yanis Varoufakis keine Selbstkasteiung betreibt und zur fatalen Agenda der Spardogmen zurückkehrt. Lieber an den abtrünnigen Griechen ein Exempel statuieren als gestatten, dass die das Exempel statuieren, sich einer zerstörerischen Politik wirksam widersetzt zu haben, so die Devise in der EU, von IWF und EZB. Der Umgang mit Griechenland ist längst mehr eine politische als ökonomische Frage. Will heißen, ein erzwungener Grexit wäre für die Währungsunion ein politisches, aber kein ökonomisches Desaster. Freilich sind in der EU nicht alle dieser Ansicht, für George Osborne jedenfalls ist es keineswegs auszuschließen, dass die Euro-Ökonomien erneut in einen Krisensog geraten wie 2011, als Athen schon einmal in die Pleite zu rutschen drohte.
Die vorerst entscheidende Frage wird sein, was aus der Emergency Liquidity Assistance (ELA) wird – jener Notfall-Liquiditätshilfe, die es griechischen Geldhäusern erlaubt, ihre Wertpapiere bei der nationalen Notenbank einzureichen, um sich im Gegenzug mit Bargeld zu versorgen. Dadurch werden auch Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit bedient, die außerhalb Griechenlands nicht mehr zu refinanzieren sind. So fungiert die griechische Notenbank momentan als Lender of last resort (Kreditgeber der letzten Zuflucht) des griechischen Staates. Gegen diese „siamesische Nähe“ könnte die EZB einschreiten, da sie mit ihren Liquiditätshilfen die ELA-Kredite ermöglicht, doch braucht es dazu eine Zwei-Drittel-Mehrheit im EZB-Rat, die bislang fehlt. Käme sie zustande, wäre Griechenland matt gesetzt, sofern keine neuen Kreditgeber – China, Russland oder wer sonst – auftauchen. Es ist so, wie von Alexis Tsipras beschrieben: „Die EZB hält immer noch das Seil, das um unseren Hals liegt.“
Auch deshalb, weil seine Regierung keine Reformprogramme vorlegen will? Das Gegenteil ist wahr – Syriza hält in Maßen an Teilprivatisierungen fest, etwa bei den 14 Regionalflughäfen, die der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport übernehmen kann. Der Hafen von Thessaloniki soll zu 49 Prozent veräußert werden, aber nicht vollends der Hand des Staates entgleiten. Als Kompensation für die auslaufende Immobiliensteuer sind höhere Abgaben auf große Vermögen vorgesehen. Durch eine Amnestie für Steuersünder hofft man auf Einnahmen von einer Milliarde Euro bis Ende 2015. Hinzu käme die Vergabe von Lizenzen an Online-Glücksspiel-Anbieter, um etwa 500 Millionen Euro für die Staatskasse zu akquirieren. Im Einzelfall sind drei Millionen für eine fünfjährige Lizenz fällig. Was Syriza verweigert, das sind noch mehr gestrichene Stellen im öffentlichen Dienst, um Gehälter zu sparen, Rentenabschläge beim Vorruhestand, ein angehobenes Renteneintrittsalter sowie ein liberalisierter Arbeitsmarkt.
Dass sich Athen so unbeirrbar dem Austeritätsdiktat widersetzt, gilt im Euroraum als geradezu paradigmatischer Störfall. Dadurch wird eine von Deutschland seit 2010/11 verfolgte Gesamtstrategie durchkreuzt, die Kreditwürdigkeit über alles stellt. Griechenland wurde nicht geholfen, um den Griechen zu helfen, sondern das Vertrauen der Finanzmärkte in die Eurozone zu erhalten. Es heißt im Statut des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), Euroländer sollten nur dann von außen unterstützt werden, wenn deren Finanzlage die Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt gefährde. Und es ist nur logisch, wenn ein sich darauf berufendes Austeritätsgebot um so radikaler durchgesetzt wird je offensichtlicher sein Scheitern ist. Diese Radikalität schließt ein, Griechenland notfalls zum Ausstieg aus dem Euro zu zwingen, wenn es sich nicht fügt wie die Vorgänger von Tispras, Varoufakis und Syriza.
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