Sicherheitspolitik Auf der 50. Münchener Sicherheitskonferenz kann sich die Bundesregierung ihren Willen zur Hegemonie bei einer integrierten EU-Sicherheitspolitik absegnen lassen
Bei soviel Prominenz in München beginnen die Anti-Terror-Einsätze bereits vor der Tür des Hotels "Bayrischer Hof"
Foto: Thomas Kienzle / AFP - Getty Images
Erstmals eröffnet mit Joachim Gauck ein Bundespräsident die Münchener Sicherheitskonferenz im "Bayerischen Hof". Zur Debatte steht eine offensivere deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, die im Augenblick einer „global führenden Wirtschaftsmacht nicht entspricht“, wie es der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe (1992 bis 1998 im Amt) in einem am 21. Januar in der FAZ abgedruckten Artikel beklagt hat. Wohin dieser Abschied von der „Passivität“ führen soll, werden außer Gauck Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier mit ihren Statements andeuten.
Dabei dürften Überraschungen ausbleiben. Die schwarz-rote Bundesregierung übermannt das Bedürfnis, mehr internationale Ver
ürfnis, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen und weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht auszuschließen – wie das im Fall Mali bereits vorexerziert wird und in der Zentralafrikanischen Republik nach dem Beschluss der EU-Außenminister vom 20. Januar ansteht.Die amerikanischen Gäste des Münchner Forums – Außenminister John Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hugel – werden dagegen wenig bis nichts einzuwenden zu haben und Afrika gern der EU, besonders Deutschland und Frankreich, überlassen. Die USA wollen sich mehr denn je dem asiatisch-pazifischen Raum zuwenden und der Konkurrenz mit China stellen. Und wer weiß schon, wie viel militärische Nachsorge nach dem ISAF-Exit Ende 2014 in Afghanistan als unabdingbar empfunden und auch geleistet wird? Hegemonie und Diktat„Deutschland muss führen, damit Europa nicht schwächer wird“, hat Volker Rühe seinen FAZ-Aufsatz überschrieben. Diesem Auftrag dürfe man sich nicht entziehen, meint denn auch der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Da könne man nicht einfach mit den Schultern zucken und sich weg ducken, seien es doch gerade die Partner in der EU, die von Deutschland erwarteten, dass seine Führungsformat in der Eurokrise in mehr „europäischer Gestaltungskraft“ bei der Verteidigungspolitik übergehe. Es würde zu weit führen, hier zu erörtern, warum es Euro-Krisenstaaten nicht als höchstes Glück empfanden, wenn sie deutsche Führungskraft durch Spardogmen zu spüren bekamen und die Erfahrung machten, wie gut in der EU Führung, Hegemonie und Diktat miteinander können und ineinander übergehen. An der Schwelle zu einer deutschen Sicherheitspolitik der globalen Zuständigkeit sollte Zeit für eine zumindest kurze Rückschau sein, auch in den kommenden Tagen auf den Münchener Podien. Es geht um eine unvoreingenommene Analyse von Umständen und Motiven, die in jüngster Vergangenheit zu einer lavierenden, auf Vorsicht und minimale Risiken bedachten Berliner Politik geführt haben, wenn militärische Interventionen in Krisenstaaten anstanden. Man denke an die Stimmenthaltung vom März 2011, als der UN-Sicherheitsrat die Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen beschloss. In Nachhinein könnte man sagen, in weiser Voraussicht blieb Deutschland neutral. Schließlich wurde die UN-Resolution 1973 von der NATO als Vorwand für eine Intervention aus der Luft und einen von außen forcierten regime change missbraucht. Die angesichts dieses Vorgehens zu erwartende Kritik aus Berlin an den beteiligten NATO-Partnern blieb aus. Stattdessen gab es maximalen politischen und propagandistischen Beistand für das "Unternehmen Gaddafi-Sturz". Wozu also hatte sich Deutschland in der UNO der Stimme enthalten? Offenbar auf keinen Fall aus der Überzeugung heraus, dass ein durch Gewalt von außen erzwungener Regimewechsel unterbleiben sollte, weil damit Völkerrecht gebrochen wird, sondern aus Rücksicht auf die Stimmung im eigenen Land, innenpolitische Unwägbarkeiten und möglicherweise den Parlamentsvorbehalt für die Mandatierung bewaffneter Auslandseinsätze. Die Phantom-KanzlerinNoch krasser war das Lavieren der Kanzlerin, als die US-Regierung im September 2013 einen Militärschlag gegen Syrien führen wollte. Merkel erklärte zwar auf dem G20-Gipfel in Petersburg, wenn die Assad-Armee Chemiewaffen eingesetzt habe, müsse das Konsequenzen haben. Doch welche, das sagte sie nicht. Obama Angriffspläne wurden weder unterstützt noch abgelehnt, ja nicht einmal als solche erwähnt. Angela Merkel ignorierte, was sie nicht kommentieren wollte. Sie handelte wie ein Phantom, das in einer Parallelwelt lebt, die den Kontakt zum realen Sein verloren hat. Ein Paradebeispiel für die inzwischen gern verfolgte Außenpolitik nach Gefühl und Gemenge, die eine in Deutschland verbreitete Skepsis gegenüber allzu forschem Interventionismus reflektiert. Um seine grüne Anhängerschaft für die NATO-Luftschläge während der Kosovo-Krise 1999 zu gewinnen, griff der damalige Außenminister Fischer auf Auschwitz zurück, um so etwas wie einen gesinnungsethischen Imperativ zu beschwören.Strategische TiefeEs liegt auf der Hand, dass Merkels Fahren auf Sicht nicht eben die Aura des Strategischen anhaftet, sondern des taktischen Schwankens, um die Kollateralschäden eines globalen Interventionswillens einzugrenzen. Die afghanischen Jahre sind nicht überstanden, die toten Soldaten weder vergessen noch verkraftet, da gerät Afrika in den Blick, um sich dort ordnungsmächtiger, militärisch gefärbter Missionen zu versichern. Deren Ausgang ist in Mali so ungewiss wie die Dauer einer über 2014 hinausreichenden Bundeswehr-Präsenz um Hindukusch. Deshalb richtet sich der Blick von Merkel, von der Leyen oder Steinmeier nicht auf Afrikas große Schädelstätten wie Somalia, Südsudan, Darfur oder Ostkongo, um dort den Menschenrechten zu dienen. Das wäre zu gefährlich und könnte so enden wie die US-Mission in Somalia 1992/93. In einem blutigen Fiasko nämlich. Angenommen werden halbwegs überschaubare und einzuhegende Konfliktherde, besser Bamako und Bangui als Mogadishu und Juba. Man wird das schwerlich Strategie nennen können. Die wäre an der Reihe, sollte sich die EU an den globalen asymmetrischen Krieg wagen, für den Afrika ein ideales Terrain wäre, allein was den Einsatz von Drohnen betrifft.Man wird sehen, inwieweit sich die Münchener Debatten dieser Konsequenz stellen.
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