Mit der Cohabitation in Warschau ist es vorbei. Bis zu den Parlamentswahlen 2012 wird es sowohl im Amt der Premiers wie auch des Präsidenten Politiker der Bürgerplattform (PO) geben. Donald Tusk und Bronislaw Komorowski gelten als Pro-Europäer. Doch werden sie die verhaltene Europa-Skepsis bei einem Teil der Wähler, wie sie in den 47,3 Prozent für Jaroslaw Kaczynski zum Ausdruck kommt, nicht vollends ignorieren können. Zumal die Implementierung des Lissabon-Vertrages mit dem Phänomen verbunden sein wird, dass sich Polen im Europäischen Rat hin und wieder majorisieren lassen muss.
Mitentscheidend für den – mit einer Zustimmungsquote von fast 53 Prozent letztlich überzeugenden – Triumph des bisherigen Parlamentspräsidenten dürfte der Umstand gewesen sein, dass Grzegorz Napieralski von der Linksallianz SLD – Drittplatzierter beim ersten Wahlgang mit fast 14 Prozent – keine klare Empfehlung für einen der beiden Bewerber abgab. Damit war Jaroslaw Kaczynski um eine Vorlage gebracht. Er konnte nicht ernsthaft suggerieren, sich eines Mitte-Links-Bündnisses erwehren zu müssen, das vor allem eines bewirken werde, die Vision von der IV. Republik und das Vermächtnis seines toten Bruders Lech in Frage zu stellen. Was habe man denn erreicht an Abkehr vom Kommunismus, wenn die Linke letzten Endes den Ausschlag gebe, wer zum Staatsoberhaupt gewählt werde? Diese Frage erübrigte sich durch Napieralskis Satz: Nicht er, seine Wähler wüssten am besten, für wen sie optieren wollten. So blieb das nationalkonservative Lager in seiner Angriffslust eher gebremst und den großen Durchbruch schuldig. Bei einer Wahlbeteiligung von etwas mehr als 55 Prozent zog der Ex-Ministerpräsident bestenfalls 25 Prozent der wahlberechtigten Polen auf seine Seite. Das scheint nach der – alle nationalen Mythen bedienenden und weckenden – Beisetzung seines Zwillingsbruders Lech Kaczynski in der Krakower Königs- und Helden-Krypta am 18. April kein herausragendes Ergebnis zu sein. Es lässt offen, ob der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zur Sejm-Wahl in zwei Jahren eine Renaissance widerfährt, auf dass sie Donald Tusks Bürgerplattform erfolgversprechend herausfordern könnte.
Der Spitzenkandidat für diese Konfrontation dürfte mit Jaroslaw Kaczynski bereits designiert sein. Allerdings wird Polen in gut zwei Jahren gerade letzte Vorkehrungen treffen, um der für 2015 angestrebten Einführung des Euro näher zu sein als je zuvor. Dann Europa-Defätismus oder gar EU-Nihilismus zu pflegen, wird sich Jaroslaw Kaczynski zweimal überlegen müssen. Es blieben allein Themen wie sozialer Ausgleich und regionale Balance zwischen West- und Südpolen einerseits sowie dem Osten des Landes andererseits, um sich Alleinstellungsmerkmale zu verschaffen und nicht im pluralistischen Brei der Bürgerplattform herum waten zu müssen. Dieses Thema freilich wird sich auch die Linksallianz nicht nehmen lassen.
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