Gerupfter Lorbeer im zerzausten Haar

Der Euro Als die Europäische Währungsunion ins Leben trat, glaubte man, auf eine Politische Union verzichten zu können. Das rächt sich jetzt, wie der Fall Irland zeigt

Viel spricht dafür, dass die deutsche Kanzlerin wusste, was sie tat, als sie beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel bei Stützungsaktionen für hochverschuldete EU-Mitgliedsländer und deren Bankensysteme anregte, private Anleger und Investoren an den Kosten zu beteiligen. Warum nur die öffentlichen Haushalte bemühen und damit den Steuerzahler? Das klang einleuchtend, war nur leider zu populistisch, um wirtschaftlich realistisch und vor allem rational zu sein. Die Gläubiger Irlands – aber auch Spaniens und Portugals – reagierten umgehend. Sie mussten das als Signal verstehen – sie konnten gar nicht anders, als Vorsorge zu treffen, um gegen schmerzhafte Abschreibungen gefeit zu sein. Und sie wussten, ihnen winkt die größte Sicherheit, falls sich Irland unter den EU-Rettungsschirm stellen muss. Warum nicht dafür sorgen, dass es dazu kommt? Die Finanzmärkte reagierten prompt und wie erwartet, indem die Risikoaufschläge für irische Staatsanleihen, deren Verkauf zur Refinanzierung von Schulden gebraucht wird, erst einmal ordentlich nach oben gingen.

Auch wenn Angela Merkel inzwischen beteuert, sie habe eine Praxis ansprechen wollen, die erst 2013 zum Tragen komme, ist trotzdem klar: Wer im Herbst 2010 so laut vorausdenkt, der alarmiert alle Finanzinstitute, die ihr Geld unsicheren Kantonisten geliehen haben. Müssen Banken irgendwann selbst für ihre Kredite aufkommen, anstatt Tilgung und Zins zu genießen, treffen sie logischerweise Vorkehrungen, nicht geschädigt zu werden. Und das sofort.

Wie vorherzusehen war, können die irische Regierung und die irischen Banken das erschütterte Vertrauen der Außenwelt in ihre Satisfaktionsfähigkeit nicht wiederherstellen. Das Herdenverhalten der Märkte sorgt dafür, dass sie erst einmal überrannt werden und sich wohl dem Druck der EU-Finanzminister beugen müssen, den Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen – bei allen Verlusten an wirtschaftspolitischer Souveränität, die das mit sich bringt. Der Euro-Rettungsfonds wird zum Vehikel einer EU-Wirtschaftsregulierung im Interesse all jener Staaten, die wie Deutschland den stabilen Euro brauchen. Nur ist eine solche Stabilisierung dazu angetan, das ökonomische Gefälle zwischen den Euroländern zu verstärken. Sicher, es ist für Großschuldner wie Griechenland und Irland oder auch Portugal vorbei mit einem auf Pump – sprich: durch Kredite – finanzierten Konsumrausch. Aber es wird auch gefährlich für EU-Staaten wie Deutschland, die in diese aufgedunsenen Kaufkraftblasen hinein exportiert und die Gewinne als Kredite zur Aufblähung dieser Blase verwendet haben.

Die jetzt zum Schutz des Euro verordneten Sparauflagen lassen Binnenmärkte nicht ungeschoren. Wer dort verkaufen will, stößt auf weniger Käufer. Wer dort verkaufen muss wie die deutschen Exporteure, wird Feder lassen. Wie sich zeigt, braucht der Euro nicht nur einen synchronisierten Währungs-, sondern auch einen ebensolchen Wirtschaftsraum. Sich über dieses ökonomische Gesetz hinweg lavieren zu wollen, läuft darauf hinaus, sich darüber hinweg zu lügen. Es ist vollkommen unbestreitbar, dass die Regierung Merkel dies erkannt hat und über den Weg der für Griechenland und Irland erzwungenen Haushalts-Askese den Euro-Raum zu stabilisieren sucht. Mit anderen Worten, Deutschland gibt die europäische Ordnungsmacht, weil es ein ordnungsmächtiges Europa nicht gibt. Als die Währungsunion auf den Weg gebrachte war, glaubte man im Europäischen Rat, auf eine Politische Union verzichten zu können. Das rächt sich jetzt.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden