Schon einmal wurde in Riad nicht lange gefackelt und kurzerhand interveniert. Es handelte sich seinerzeit statt gezielter Luftschläge wie jetzt im Jemen um einen Ausritt auf Panzerketten. Am 14. März 2011 marschierten saudische Verbände nach Bahrain, als dort eine schiitische Demokratiebewegung im Sog der Arabellion die Chalifa-Dynastie von Scheich Isa Al Chalifa ins Wanken brachte. Eine Republik sollte die Monarchie ablösen, womit zugleich die sunnitische Dominanz in Bahrain in Frage stand. Saudi-Arabien griff ein, um den Status quo zu sichern, und konnte sich auf den Zuspruch des Golfkooperationsrates wie der USA verlassen. In Bahrain liegen Basen der 5. US-Flotte, deren Schiffe im Persischen Golf patrouillieren und iranischer Regionalmacht Grenzen setzen.
War diese Invasion mehr eine Flurbereinigung vor der eigenen Haustür, um zu zeigen, dass für die Golfstaaten kein Arabischer Frühling anbricht, ist der Schlag gegen den Jemen von anderem Kaliber. Beteiligt sind außer Saudi-Arabien die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Katar und Kuwait. Ägypten bietet Bodentruppen an, während Jordanien und der Sudan die stillen Teilhaber geben.
Riad ist einmal mehr auf dem Sprung von der Regional- zur nahöstlichen Führungsmacht, um die abwartende Vorsicht der USA im Jemen zu kompensieren. Auch wenn sie die Luftangriffe logistisch unterstützen, fühlen sich die Amerikaner diesmal nicht zur diensthabenden Ordnungsmacht berufen – der jemenitische Konflikt hat das Zeug zum afghanischen Desaster.
Ein Stellvertreter-Krieg?
Der erst seit kurzem herrschende saudische König Salman scheint dagegen etwas riskieren zu wollen. Beim Gipfel der Arabischen Liga gerade eben im ägyptischen Sharm al-Sheikh züngelten hinter der Maske eisiger Selbstbeherrschung Passion und Machtwillen. Es soll nicht sein, dass jemenitische Huthi-Rebellen saudische Hegemonie am Golf unterlaufen. Kämen sie damit durch, wäre das ein Debakel, nachdem schon in Syrien zu viel aus dem Ruder lief. Vor vier Jahren entzündete sich der dortige Bürgerkrieg zwar an inneren Ursachen, erschien Riad aber geeignet, dem iranischen Erzrivalen in die Parade zu fahren. Durch einen Sturz des Assad-Regimes hätte Teheran seine wichtigste Bastion in der arabischen Welt und die Landbrücke zur verbündeten schiitischen Hisbollah im Libanon verloren. Dies ist unter anderem daran gescheitert, dass sich die dschihadistischen Akteure im Krieg um die Levante bis heute nicht als Werkzeug einer wahhabitischen Expansion verstehen, weder die Al-Nusra-Front noch der Islamische Staat (IS). In Syrien führen diese Lager so wenig einen Stellvertreter-Krieg unter saudischem Patronat, wie die Huthis im Jemen einem iranischen Schirmherrn zu Gefallen sind. Das mutmaßliche schiitische Glaubensband umschlingt keinen Glaubensbund. Die Huthis sind zunächst einmal Zaiditen, gehören wohl zum schiitischen Islam, stehen aber in ihrer religiösen Praxis dem sunnitischen Islam näher.
Zweifel sind angebracht, ob der Iran als Mentor und Mäzen den Huthi-Vormarsch befördert und Saudi-Arabien deshalb die Arabische Liga um sich schart. Welchen Sinn sollte es haben, den verjagten jemenitischen Präsidenten Rabbo Mansur Hadi wieder ins Amt zu bomben, wenn ihm das eigene Militär kaum mehr folgt? Statt des unsichtbaren Arms aus Teheran dürfte es König Salman und andere Golf-Potentaten mehr umtreiben, dass die Ansar Allah (Helfer Gottes), wie sich die Huthi-Kämpfer nennen, inzwischen das Gebiet an der Meerenge von Bab al-Mandab eingenommen haben. So beherrschen sie die Zufahrt zum Suez-Kanal und können Öltransporte aus dem Golf von Aden ins Mittelmeer kontrollieren. Das ist von strategischem Wert – auf der anderen, der afrikanischen Seite dieser Passage unterhalten die USA und Frankreich immerhin Militärbasen in Dschibuti.
Wenn die Huthis am „Tor der Tränen“ stehen, wie Bab al-Mandab übersetzt wird, zeugt das auch von ihrem Staatsanspruch, den sie über Jahrhunderte hinweg einlösen konnten. Erst als 1962 sunnitische Offiziere mit ihrem Aufstand die zaiditische Monarchie zerschlugen und im Norden die Jemenitische Arabische Republik (JAR) ausriefen, war es mit aller dynastischen Präsenz vorbei. Da sie jedoch glauben, ein historisches Recht darauf zu haben, attackieren die Huthis seither jede jemenitische Zentralmacht – nicht mit Instruktion aus Teheran, sondern um sich selbst zu dienen.
Bündnis mit Saleh
Wenn ihnen das im Moment mehr denn je gelingt, dann auch deshalb, weil Ex-Staatschef Ali Abdullah Saleh mit ihnen koaliert. Der musste 2012 abdanken, als die Arabellion den Jemen streifte. Offenbar hofft Saleh, sein Sohn Ahmad könne Präsident werden, um den Staatsverfall aufzuhalten. Die Familie stammt aus dem Clan der Sanhar und zählt zum Stammesverband der Haschid, die sich schon des Öfteren als staatstragend erwiesen haben. Die Huthi-Soldaten wiederum brauchen einen solchen Alliierten, sie werden als militärische Kraft auf Dauer zu schwach sein, um sich im Süden zu halten, auch wenn sie mit den Städten Aden und Taizz Ende März zwei Domänen erobert haben. Danach übrigens ordnete das US-Verteidigungsministerium den Abzug der letzten US-Spezialkräfte aus dem Jemen an. Auch das dürfte in Riad den Willen genährt haben, in die Bresche zu springen.
Wohl erkennen die Vereinten Nationen Mansur Hadi noch als jemenitischen Präsidenten an, doch seine Legitimation wird schwinden, sollte er als Domestik der Saudis politisch überleben. Zudem sind die Huthis ein Feind der Al-Qaida-Filialen in ihrem Land, deren Schlagkraft trotz etlicher US-Drohnenangriffe ungebrochen scheint. Will heißen, wer den Huthis schadet – ob militärisch oder diplomatisch –, stärkt jene Glaubenskrieger, die schon manche Schneise in die jemenitische Stammesgesellschaft geschlagen haben.
Mit dem Eingreifen Saudi-Arabiens und den Beschlüssen der Arabischen Liga in Sharm al-Sheikh wird der Bürgerkrieg im Jemen zu einem internationalen Konflikt ausgeweitet. Doch wäre es ein Trugschluss, vom irrlichternden Phänomen eines Stellvertreter-Krieges zu sprechen, um zu deuten, was geschieht. Vielmehr wird durch eine Aggression Völkerrecht verletzt und der Tod unbeteiligter Zivilisten verschuldet. Eine Allianz autokratisch regierter Staaten maßt sich an, über die Zukunft des Jemen zu entscheiden. Nicht zu Unrecht hat Abdelmalik al-Huthi, Führer der Ansar Allah, in seinem TV-Kanal erklärt, Saudi-Arabien und die USA bedrohten den Jemen mit einem „libyschen Szenario“.
Invasion
Unterstützt von anderen Golfstaaten, greifen Verbände der saudischen Luftwaffe Ziele im Jemen an. Das Regime in Riad will einen Machtgewinn der Huthi-Rebellen nicht hinnehmen. Das Armenhaus Arabiens driftet ab in Zerstörung und steten Staatszerfall
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