Europa steht eine dramatische Woche bevor, in der die Selbstvergewisserung wie Glockengeläut klingen wird. Schon am Wochenende war zu beobachten, dass die EU-Größen versuchen, sich einen Rettungsring umzulegen und damit zur Schau zu stellen, auch wenn sie wissen, dass der aus Blei ist.
Es gibt eine eklatante Kluft zwischen der Beschwichtigungsprosa aus Brüssel und dem fallenden Ansehen einer „EU 28 minus 1“. Sicher in großer Not, aber ohne Gespür für die Situation und diplomatisches Geschick wird die britischen Regierung barsch aufgefordert, in Brüssel das Austrittsgesuch abzugeben und sich vom Acker zu scheren. Prompt ist eine Machtprobe ausgerufen, die keiner gewinnen kann, aber geradezu ins Bewusstsein hämmert, wie es um die Staatenunion bestellt ist, und wie miserabel sie geführt wird. Es war absehbar, dass sich die Regierung Cameron stur stellt und auf Souveränität pocht. Was kann ihr – so angeschlagen, wie sie ist – Besseres passieren, als sich in einen Stellungskrieg zu begeben und zu insistieren: Wann und wie wir uns trennen, wird nicht in Brüssel entschieden!
Generationen-Bashing
Auch die gerade von idealistischen EU-Träumern, die sich um ihr Wohlfühl- und Kuschelbiotop Europa gebracht sehen, lancierten Deutungen des Votum vom 23. Juni sind nicht hilfreich. Es ist tendenziös und gefährlich, wenn Ursachenforschung durch Generationenmobbing ersetzt wird, um zu suggerieren, die Bosheit der Alten in England und Wales habe jungen Briten die Zukunft verdorben.
Wer die Wahlanalysen aufmerksam liest, stößt darauf, dass schon in der Gruppe der 35- bis 44-jährigen Briten 48 Prozent für den Austritt gestimmt haben. Bei den 45- bis 54-Jährigen, die sich vermutlich nicht zu den „Alten“ rechnen, waren es immerhin 56 Prozent. Da hatte das Unbehagen augenscheinlich mehrere Generationen ergriffen. Trotzdem wird insistiert, jungen Briten seien um ihre europäischen Hoffnungen gebracht. Starke Worte, die gepasst hätten, aber nicht zu hören waren, als im Mai 2012 die ILO alarmierte, dass in der Eurozone jeder fünfte Unter-25-Jährige nach bezahlbarer Arbeit suche, in Spanien und Griechenland jeder zweite, in Portugal jeder dritter. Wie viel Hoffnung ging jungen Europäer da verloren? Woran sich seither substanziell wenig geändert hat.
Resteuropa reitet politisch und medial auf der Verstimmungswoge. Man fühlt sich länder- und lagerübergreifend von den Brexit-Briten brüskiert, die nur an sich denken. Und denen jedes Gefühl für Anstand und Solidarität abhanden kam. Es ereifern sich Politiker und Journalisten, die noch vor einem Jahr die Griechen hochkantig rauswerfen und ihrem Schicksal überlassen wollten. Wer fühlte im Sommer 2015 im Kabinett Merkel sein europäisches Herz schlagen, als gegenüber einer als aufsässig empfundenen linken Regierung ein Exempel statuiert werden sollte? Als jede Solidarität mit den „Pleite-Griechen“ als Schützenhilfe für hemmungslose Epikureer verschrien war?
Wilde Entschlossenheit
Cameron darf den Austritt nicht in die Länge ziehen, ist zum kontinentaleuropäischen Imperativ der Stunde avanciert. Um potenzielle Nachahmer abzuschrecken? Sicher auch das. Vor allen aber grassiert die Angst vor langen und lange offenem Austrittsverhandlungen. Bis die Trennungsmodalitäten fixiert sind, verharrt das EU-Wirtschaftssystem in einem Schwebezustand – mit Folgen für die Finanzmärkte, die Investitionsneigung, die Konjunktur und den Arbeitsmarkt. Nicht zuletzt für die Außenwirkung der Union, siehe Euro-Kurs, und ihr internationales Standing, siehe TTIP-Verhandlungen. Die wilde Entschlossenheit, die Briten nun schleunigst abzustoßen, erstaunt. Noch beim EUGipfel am 20. Februar wurden David Cameron so viele Privilegien eingeräumt, dass sie schon damals existierte – die EU der 27 und die EU Großbritanniens.
Sie müssen vorerst noch miteinander auskommen, zumal das moralisierende Empörertum reinem ökonomischen Pragmatismus geschuldet ist. Eine EU der strikten Markträson lebt nun einmal in steter Angst vor den Märkten und wird sich in dieser Konstitutioneher auflösen als zu verändern.
Warum sonst gab es das Treffen der EWG-Gründungsstaaten am Samstag in Berlin? Weil die Botschaft geboten erschien: Wir besinnen uns jetzt auf das Machbare, auf die erprobte ökonomische Rationalität einer EWG von 1957, auf die Freihandelszone und den Gemeinsamen Markt. Kerneuropa à la carte
Sozialdemokratischer Irrglaube
Jählings hat auch Sigmar Gabriel erkannt, es sei leider falsch gewesen, im Europa der EU unablässig vom Sparen zu reden, dasselbe zu predigen, durchzusetzen und zu übersehen, dass dadurch Millionen von Menschen ins soziale Abseits gestoßen würden. Vielfach zu einem Berufs- und Alltagsleben gezwungen sind, das permanent von der Drohung des Abstiegs überlagert ist, bis in die letzte Faser des Daseins hinein diszipliniert, aber ebenso gründlich verbittert. Allerdings waren es vorzugsweise sozialdemokratische Regierungen in Deutschland (Schröder) und in Großbritannien (Blair), die Ende der 90er Jahre dem Irrglauben erlagen, den Wohlfahrtsstaat mit den Instrumenten einer entgrenzten Finanzindustrie erhalten zu können. Wie sehr gerade die SPD zu deren Geisel wurde und sich politisch ruinierte, zeigte die „Agenda 2010“.
Nichts braucht der europäische Kapitalismus um seiner selbst willen dringender als den Wohlfahrtsstaat. Er besitzt mehr Systemrelevanz als jede Großbank. Geht er verloren, und werden seine Verheißungen nicht mehr geglaubt, lernen die Prekarisierten zu begreifen, dass sie abgeschrieben sind und bestenfalls noch alimentiert werden. Aufstände der Ohnmacht, der Würde und der Wut sind unausweichlich.
Sie kommen aus Verbitterungsmilieus, die keine Barrikaden brauchen, um sich Gehör zu verschaffen. Unter den britischen Arbeitern und Geringverdienern haben am 23. Juni 64,5 Prozent gegen die EU gestimmt, fast zwei Drittel. Die SPD dürfte wissen, dass sich dieser Unterbau der sozialen Demütigung auch in Deutschland regt. Also wird von der SPD-Spitze her die Spar- und Austeritätspolitik kurzerhand zum Übeltäter erklärt.
Gabriel und Tsipras
Man darf daran erinnern, wie sich Gabriel vor einem Jahr gegenüber der Regierung von Alexis Tsipras verhalten hat, als die versuchte, ihre Bevölkerung gegen erneute Spardiktate der Euro-Gläubiger-Kartells, besonders des deutschen Finanzministers, zu schützen. Gabriel nannte den griechischen Premier seinerzeit einen Dummkopf, der versuche, „die gesamte Eurozone auf den Kopf zu stellen“. Mitte Juni 2015 sagte der SPD-Chef in einem Interview mit der Bildzeitung: „Wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen.“ Es gibt nur wenig, was abstoßender ist, als solches Abfahren aufs gesunde Volksempfinden, um aus der Denunziation des politischen Gegners Kapital zu schlagen.
Als sich beim Referendum in Griechenland am 5. Juli 2015 eine klare Mehrheit gegen die absehbaren Zumutungen der Troika aussprach, befand Gabriel, Tsipras habe „letzte Brücken eingerissen, über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss zubewegen könnten.“ Bis heute ist das Gerücht nicht widerlegt, Gabriel habe sich intern für einen Grexit ausgesprochen, weil nicht der Eindruck entstehen sollte, die SPD sei zu nachgiebig in Finanzfragen und neige vielleicht gar zum Schuldenschnitt für Griechenland.
Inzwischen scheint Gabriel die Ahnung umzutreiben, dass der 5. Juli 2015 in Griechenland ein Vorläufer des 23. Juni 2016 in Großbritannien gewesen sein könnte.
In Maßen friedfertig
Das Klagen über den Zustand der EU schließt auch deren mutmaßlich friedensstiftende Wirkung in die Fürbitte mit ein. Worin besteht die? Es waren mehrheitlich EU-Staaten, die als NATO-Mitglieder im Frühjahr 1999 Serbien durch eine Aggression aus der Luft angriffen und den Tod Hunderter Zivilisten zu verantworten hatten.
Damals schien es richtig zu sein, eine neue politische Ordnung auf dem Balkan und die Veränderung von Grenzen durch den Gebrauch militärischer Gewalt durchzusetzen. Was im Übrigen der UN-Sicherheitsrates nicht absegnen mochte. Über die EU-Militärmissionen kann man gleichfalls geteilter Meinung sein, wenn sie wie in Mali Frankreich seine postkolonialen Enklaven sichern.
Das demnach nur in Maßen friedfertige Europa war seit den frühen 50er Jahren nicht das Werk pazifistischer Überzeugungstäter, sondern realpolitischer Tatkraft. Es gab nach 1945 bei allem erkennbaren Willen zur Versöhnung zugleich die Notwendigkeit, bellizistische Affekte aufzugeben, mit denen sich einstige Erz- und Erbfeinde wie Deutschland und Frankreich über die Jahrhunderte hinweg immer wieder begegnet waren. Westeuropäische Politiker wie Konrad Adenauer, Italiens Premier Alcide De Gasperi und der französische Außenminister Robert Schumann handelten etwa mit der Gründung der Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), einem EWG-Vorläufer, aus einem elementaren Bedürfnis des Selbsterhalts.
Deutschland und Frankreich konnten seit 1870/71 keinen vierten Krieg mehr gegeneinander führen, ohne Gefahr zu laufen, sich selbst zu zerstören. Man musste befürchten, der nächste Schlagabtausch endet, wo nichts mehr anfängt. Und beste Friedensgewähr neben dem Willen zum Überleben waren die Verflechtung ökonomischer Interessen und die Sicherung des herrschenden Gesellschaftssystems.
Warum sonst wurde der Osten Europas, speziell die Sowjetunion, von einer kollektiven Friedensordnung in Europa ausgeschlossen? Genauso, wie Russland 2001 die kalte Schulter gezeigt wurde, als Wladimir Putin bei einer Rede im Bundestag europäische Sicherheitspartnerschaft anbot.
Es ist Obacht nötig, wenn sich die EU Tugenden zuerkennt, die an Umstände und Interessen gebunden sind, nicht unbedingt an Überzeugungen.
Kommentare 55
"Resteuropa reitet politisch und medial auf der Verstimmungswoge. Man fühlt sich länder- und lagerübergreifend von den Brexit-Briten brüskiert ..."
Das ist für mich eine überraschende Sichtweise. Ich sehe medial eher Schadenfreue, nachdem sich abzeichnet (Schottland!), dass sich mit Cameron das "Vereinigte Königreich" insgesamt zerlegt. Und dass der Eindruck entsteht, die Briten würden von ihrem leave nun erschreckt.
Dass Resteuropa eine schnelle Trennung will, soll sicherlich weitere Austrittsgelüste dämpfen. Dazu ist es sinnvoll, wenn in GB sehr schnell negative Effekte des Brexit sichtbar werden. Es wäre für uns Rest-EU´ler kontraproduktiv, wenn sich EU-Gegner in einem nationalistischen Austritts-Erfolg sonnen könnten und sich über Monate hinweg in GB keinerlei ökonomische Nachteile zeigten.
Aus der Verstimmung resultiert die Genugtuung über die Schotten, meinte ich.
Die Neoliberalen in Europa bekommen Angst die Mehrheit zu verlieren. Ich hab mich als Progressiver (man sacht jetzt nicht mehr Linker) enorm gefreut über den erfolgreich gewählten Brexit! Jetzt klappt es, ohne die erzliberalen Briten, vieleicht doch noch z.B. mit der europaweiten Finanztransaktionssteuer.
Wer jetzt überrascht ist über riesige Welle an Wehklagerei, dem ist tatsächlich nur entgangen wie erschreckend unrepräsentativ viele Liberale seit Jahrzehnten in Politik und Presse das Tagesgeschäft betreiben.
Ich freu mich aber nicht nur, ich finde es auch besonders urkomisch/ironisch, wie der gleiche Medienmogul Rupert Murdoch, dem bekanntlich die halbe britische Presse gehört, der David Cameron einst maßgeblich zum Premierministerposten verhalf, ihn jetzt (als bekennender Brexitbefürworter) mithilfe seiner Medienmacht faktisch genau so maßgeblich auch wieder abgeschossen hat.
Hinter dem Versuch, den Menschen die Beschneidung der Kompetenzen Brüssels als Erfolg zu verkaufen, steckt die Krise der Konservativen in der gesamten EU, den neoliberalen Kurs der Torries möglichst auf ganz Europa verteilen zu wollen. Genau das ist mit dem Brexit gescheitert und kennzeichnet die Krise, in welche Merkel die Konservativen in England und im Rest der EU gebracht hat. Gerade der Deutsche Finanzminister lieferte den eigentlichen Kern des Widerstandes durch seine heftige Austeritätspolitik. Merkel befeuerte die Begründung durch ihre Flüchtlingspolitik, die ihren moralischen Anspruch durch die Anbiederung an einen Türkischen Despoten verlor. Der Wähler hat das abgestraft. Dass den Konservativen in allen Lagern das jetzt nicht passt ist nachvollziehbar. Gerade aber deshalb wird es leichter in der EU. Es wird leichter, den ohne den Britischen Widerstand ist eine gemeinsame Sozialpolitik, Außen und Verteidigungspolitik hin zu einem EU Staat durch setzbar. Der Bürger ist der Schlüssel für einen erfolgreichen EU Bundesstaat. Das wurde von den konservativen neoliberalen Politiker vergessen.
»Was kann ihr – so angeschlagen, wie sie ist – Besseres passieren, als sich in einen Stellungskrieg zu begeben und zu insistieren: Wann und wie wir uns trennen, wird nicht in Brüssel entschieden!«
Es mag de jure so sein, dass die Briten es sind die diesen Prozess nacht Artikel 50 einleiten. Ich bin allerdings der Meinung, es kann den diesen jetzt sehr wohl etwas Besseres passieren, als mit der EU jetzt immer noch aus der vermeintlichen Position der Stärke heraus zu verhandeln, die sie vorher Ihr Handeln, ihre Politik und ihre Taktik bestimmt hat. Die EU hat jetzt doch alle Trümpfe in der Hand und die Situation hat sich für die Briten geradezu umgedreht: Während diese vorher die EU mit ihrem Austritt dauererpressen konnte und das ja auch genau so immer wieder vorexerziert hat, ist es nun so, dass die EU zwar auch weiterhin kein Interesse an schlechten Bedingungen für Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu den Briten hat, aber das hatten die Briten vor dem Referendum ja auch nicht. Wenn die sich nun allerdings sperren, konstruktiv im Sinne einer auch weiterhin gemeinsamen Sache zu kooperieren, kann und sollte die EU ab sofort durchaus darauf hinweisen, dass es dabei schon jetzt auch um "das Verhältnis danach" geht, welches nicht zuletzt durch das bestimmt wird, was die Briten jetzt an Kooperationsbereitschaft und Verhalten an den Tag legen.
Schließlich ist das Dilemma oder zumindest dieser Erdrutsch, der da erfolgt ist, ja auf dem Mist gewachsen, den Cameron aus mehr oder weniger innenpolitischen Gründen nicht zuletzt auch der EU zugemutet hat. Und wenn dass kein Argument dafür sein kann, jetzt die Peitsche zu schwingen, so noch viel weniger dafür, dass diejenigen, die das als Auslöser auch zu verantworten haben, weiterhin wieder mit ihrem Fahrplan die gesamte Gemeinschaft dominieren.
Je weiter dieser Prozess nach hinten rückt, desto näher rückt er auch an die Präsidentschaftswahlen in Frankreich und an den Wahlkampf und die Bundestagswahlen in Deutschland. Das wird doch davon beeinflusst und ich denke, die sollte EU durchaus "Klartext" reden und auch im Sinne ihrer eigenen Interesse, die sich sich nun definitiv von denen der Briten in einigen Punkten mehr unterscheiden, klarstellen, dass die diese ab jetzt mit ihrem Verhalten auch die Bedingungen bestimmen, die das gegenseitige Verhältnis nach deren Austritt auszeichnen. Wenn man das nur unter dem Stichwort "Verstimmungswoge" abbucht wird man weder dem gerecht, was die Briten da abgeliefert haben noch der veränderten Rolle, die die EU ihnen gegenüber nun finden und spielen muss.
»Jählings hat auch Sigmar Gabriel erkannt, es sei leider falsch gewesen, im Europa der EU unablässig vom Sparen zu reden, dasselbe zu predigen, durchzusetzen und zu übersehen, dass dadurch Millionen von Menschen ins soziale Abseits gestoßen würden.
...
Inzwischen scheint Gabriel die Ahnung umzutreiben, dass der 5. Juli 2015 in Griechenland ein Vorläufer des 23. Juni 2016 in Großbritannien gewesen sein könnte.«
Ich bin völlig Ihrer Meinung, was die Rolle der Sozialdemokraten in diesem Drama betrifft. Sigmar Gabriel und die "Ahnung" die ihn nun umzutreiben scheint, wirken auf mich allerdings eher abstoßend und opportunistisch, gerade vor dem geschilderten Hintergrund, und dem was aus der SPD in den letzten Jahren an Politik und speziell von Gabriel auch an Äußerungen gekommen ist. Abstoßend ist eigentlich viel zu schwach, ich empfinde das als widerlich, aber egal...
Zum Thema "friedensstiftende Wirkung" der EU fällt mir ein, dass es so aussah, als ob der Wunsch Obamas nach einer Aufstockung des Wehretats, sofort nachdem er geäußert war, auch für die Bundeskanzlerin und unsere Verteidigungsministerin zu einem persönlichen Herzenswunsch wurde. In dem Zusammenhang nehme ich die Zunahme an Distanz zwischen der EU und GB, eher als Chance dafür wahr, dass sich in Europa andere Strategien durchsetzen können, als solche, die von Seiten der "Koalition der Willigen", zu denen die Briten immer gehört haben dominiert sind.
Cameron darf den Austritt nicht in die Länge ziehen, ist zum kontinentaleuropäischen Imperativ der Stunde avanciert. Um potenzielle Nachahmer abzuschrecken? Sicher auch das. Vor allen aber grassiert die Angst vor langen und lange offenem Austrittsverhandlungen. Bis die Trennungsmodalitäten fixiert sind, verharrt das EU-Wirtschaftssystem in einem Schwebezustand – mit Folgen für die Finanzmärkte, die Investitionsneigung, die Konjunktur und den Arbeitsmarkt.
GB ist machtpolitisch ein anderes Kaliber als Griechenland. Es befindet sich in einer Position, in der die verbleibende EU sich mit einem destruktiven "Rosenkrieg" genauso schaden würde wie dem Noch-Partner auf der anderen Seite des Kanals.
Und das ist gut so. Dass die EU ein Staatenverbund Gleicher wäre, müsste spätestens seit dem Waterboarding Griechenlands jedem denkenden Menschen als heuchlerische Legende aufgefallen sein.
" Es war absehbar, dass sich die Regierung Cameron stur stellt und auf Souveränität pocht." - Nein, Lutz Herden, das ist unlogisch, denn Cameron wollte, wie 3/4 aller MPs und seine Regierung, dass die Briten gegen den Brexit entscheiden. Weder er, noch seine Gegner, hatten irgendwelche Pläne, in ihrer monatelangen, jahrelangen, bei Farage gar Jahrzehnte alten, Haltung und Absicht.
Sein Kabinett und seine Regierung waren also völlig unvorbereitet und sie wollten das auch so!
Die Pro- Brexiteers hatten übrigens auch keine Pläne, nur einen Willen. So stehen sie nun und verlangen, wie die Kontra- Brexiteers, von der EU, ihnen ausreichend Zeit einzuräumen. Boris Johnson wird erst das Pferd besteigen wollen, wenn andere für ihn die Drecksarbeiten erledigt haben und Nigel Farage hat selbst schon seine Absichten als Wahllügen offenbart.
Haben Sie wirklich den Verdacht, es könne sich da auf der Insel so etwas wie die Analogie zur Deutschen Einheit ereignet haben? Das Gegenteil ist der Fall. Das ist ein GAU, ein Meltdown erster Güte.
Nachher benennen Sie ja die lange Liste der Leiden und Sünden. Zumeist sind die zwar mit den Briten und den anderen National-Regierungen, sogar völlig unabhängig von einer sozialistischen, sozialdemokratischen oder christlich genannten Parteiregierung verabschiedet worden. Zu Recht, fällt als besondere Perfidie dieses Letter of intent auf, das Griechenland akzeptieren musste.
Gut, dass Sie Sigmar Gabriel und der SPD die Leviten lesen. Aber es hat auch was von kreativer Zerstörung, bei der am Ende die Konservativen und Rechten (die Harten), als einzige politische Garanten, die noch was liefern, nämliche nationale Gefühle und Pflege der so erfolgreichen Konkurrenzwirtschaft, auch wieder in ganz Europa, übrig bleiben. - In Spanien, haben derzeit wieder die Alten gewonnen!
Noch ein Link zur Demografie des Brexit- Wahlausgangs, von einer, in GB von vielen Seiten anerkannten Autorität:
How the United Kingdom voted on Thursday… and why, by Lord Ashcroft
Interessant sind, neben den Alterskohorten, vor allem die Unterschiede bei Männern und Frauen und diejenigen, die sich aus dem Bildungsstatus ergeben.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Brexit à la Tsipras: Wie man Referenden ad absurdum führt
„Es ereifern sich Politiker und Journalisten, die noch vor einem Jahr die Griechen hochkantig rauswerfen und ihrem Schicksal überlassen wollten. Wer fühlte im Sommer 2015 im Kabinett Merkel sein europäisches Herz schlagen, als gegenüber einer als aufsässig empfundenen linken Regierung ein Exempel statuiert werden sollte? Als jede Solidarität mit den „Pleite-Griechen“ als Schützenhilfe für hemmungslose Epikureer verschrien war?“
Aber lieber Lutz Herden, was lamentieren Sie? Vielleicht wird der Brexit ja à la Alexis Tsipras durchgeführt! Ich darf erinnern:
Alexis Tsipras war durch seine Wahl im Januar 2015 mit einem komfortablen Mandat gegen die Austeritätspolitik ausgestattet gewesen und wurde durch das Referendum am 5. Juli 2015 hierin erneut überzeugend bestätigt.
Doch eine Woche später unterwarf sich Griechenlands Premier mit der "einstimmigen Einigung" vom 13. Juli 2015 völlig ohne Not wesentlich härteren Sparauflagen als jenen, die 61 Prozent der griechischen Bevölkerung in ihrem Referendum abgelehnt haben.
Alexis Tsipras selbst hatte dieses Referendum paradoxerweise selbst bewirkt und agitierte das griechische Parlament schließlich, dieses Ergebnis am 15. Juli 2015 zu ignorieren und stattdessen den Austeritätsauflagen von Merkel/Schäuble/Dijsselbloem & Co. zuzustimmen. Und – man höre und staune – das Parlament folgte seinen empörenden Empfehlungen! –
So etwas Ähnliches ist doch auch jetzt schon wieder im Gange. Auch in Großbritannien gibt es Vollblutpolitiker, die das dortige Referendum nicht umsetzen wollen. Politiker haben bekanntlich immer einen Trumpf in der Hinterhand. Es geht schließlich darum, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. – Respekt haben sie nur vor dem eigenen Jobverlust.
Und es geht weiter wie in Griechenland vor einem Jahr. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde gibt bereits die Marschrichtung aus. Sie erklärt „dass die weitere Entwicklung an den Börsen davon abhängig sei, wie London und Brüssel nun mit dem Referendum umgingen. Im Moment herrsche noch große Unsicherheit. Politiker und Institutionen müssten nun zusammenarbeiten, um die Auswirkungen des Brexit-Votums zu bewältigen.“
Das kennen wir alles bereits aus der Grexit-Diskussion 2015.
Ansonsten, verehrter Lutz Herden, imponiert mir Ihr engagierter Vortrag und dessen Aussage. Sie haben mir sehr aus der Seele gesprochen!
Lutz Herden möge es mir vergeben!
Angesichts der Wichtigkeit einer Diskussion wie dieser für Deutschlands Demokratie und die einer EU der Bürgerinnen und Bürger erlaube ich mir diesen Hinweis auf eine Kolumne von Jan Fleischhauer.
"Bend it like Tsipras."
"Wenn ich einen Vorschlag an unsere britischen Freunde machen darf", heißt es in einer Kolumne in der konservativen Tageszeitung "Kathimerini", dann würde dieser lauten: "Bend it like Tsipras."
In Griechenland hatte die Mehrheit der Bürger 2015 gegen neue Austeritätsauflagen gestimmt. Wäre Premier Alexis Tsipras diesem Bürger-Votum gefolgt, hätte der Austritt aus der Eurozone gedroht. Letztlich ignorierte der Regierungschef das Referendum und beraubte sich selbst aller Möglichkeiten. Nun empfehlen manche Kommentatoren den Briten, es Tsipras gleichzutun.
Hier ein Rückblick:
Alexis Tsipras war durch seine Wahl im Januar 2015 mit einem komfortablen Mandat gegen die Austeritätspolitik ausgestattet gewesen und wurde durch das Referendum am 5. Juli 2015 hierin erneut überzeugend bestätigt.
Doch eine Woche später unterwarf sich Griechenlands Premier mit der "einstimmigen Einigung" vom 13. Juli 2015 völlig ohne Not wesentlich härteren Sparauflagen als jenen, die 61 Prozent der griechischen Bevölkerung in ihrem Referendum abgelehnt haben.
Alexis Tsipras selbst hatte dieses Referendum selbst bewirkt und agitierte das griechische Parlament paradoxerweise schließlich, dieses Ergebnis am 15. Juli 2015 zu ignorieren und stattdessen den Austeritätsauflagen von Merkel/Schäuble/Dijsselbloem & Co. zuzustimmen. Und – man höre und staune – das Parlament folgte seinen empörenden Empfehlungen! –
Allerdings mit einem alles schicksalhaft veränderndem Wermutstropfen: insgesamt 39 Parlamentarier der SYRIZA-Fraktion verweigerten die Zustimmung, während die früheren Regierungsparteien Tsipras zur Mehrheit verhalfen.
Alexis Tsipras war u. a. ausgezogen, um die Gläubiger-Troika wegzujagen, kam stattdessen jedoch mit einer Institution-Quadriga zurück. Tsipras hat sich entgegen seiner vorlauten Ankündigung deren Kuratel unterworfen. Die griechische Regierung muss ihre Hausaufgaben also weiterhin unter Oberaufsicht der Gläubiger-Quadriga verrichten – welch eine Demütigung. Sie ist zudem lt. Erklärung des Brüsseler Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 ab sofort verpflichtet, "die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf zu konsultieren und sich mit ihnen abzustimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird." – Welch eine Demütigung! Wolfgang Schäuble hat uns in diesem Zusammenhang wissen lassen, dass er eher zurücktrete, als dass er gegen seine Überzeugungen handelt. Nicht so Alexis Tsipras, der vollzieht lieber einen Salto.
Salto für eine Politik, von der Tsipras selbst vorgibt, dass er nicht hinter ihr steht! Ein schmutziger Salto mortale für seine SYRIZA-Partei, mit dem er sie konfrontierte, skrupellos überforderte und sprengte.
Eigenwillig bemühte er dafür eine pathologische Deutungsakrobatik: Die Entscheidung von 32 parteieigenen Parlamentariern, gegen die Gläubigervereinbarung zu stimmen, sei unsolidarisch und bedeute, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Sie »erzeugt eine offene Wunde« in der Partei.
Alexis Tsipras verhalf und verhilft der Verarmungs-Politik jener Politiker auf die Sprünge, die er bis zur Wahl bekämpft hat. Damit war er zum braven Untertan der Institutions und des IWF mutiert, zum Verwaltungsstellenleiter des griechischen Protektorats von Merkel/Schäuble & Co.
Folgerichtig brach er in einem zweiten Schritt mit gleichgesinnten, jedoch kritischen Parteigenossen und machte sein Kabinett stromlinienförmig. "Ich mache ohne sie weiter ... Keiner kann beanspruchen, mehr links als ich zu sein", so sein hochfahrendes Credo.
Propagandistisch hatte man die Parteimitglieder auch schon klassifiziert, nämlich in "proeuropäische Realisten" und in "rebellische Abweichler" und "linke Rebellen". Wie unanständig ist das denn! - Alexis Tsipras muss wohl einer Gehirnwäsche unterzogen worden sein. So geht man nicht mit Parteigenossen und auch nicht mit den Bürgerinnen und Bürgern um. – Das ist ganz einfach unanständig!
Auch dieser Hoffnungsträger entpuppte sich also als das, was wir seit Langem von den allermeisten Politikern kennen. Sie sind opportunistische politische Wendehälse und Statthalter von Big Money, die die Bürger verarmen. – Für so etwas braucht man keine SYRIZA-Regierung! Das haben die Vorgängerregierungen viel unaufgeregter hingekriegt. Tsipras, ein zweiter Papademos!
Klug wäre gewesen, die SYRIZA-Regierung hätte für Griechenlands Verbleiben in der EU-Zone von vorneherein Bedingungen formuliert, die Austeritätspolitik "zu vermenschlichen" und sich die Möglichkeit des Ausscheidens nicht als Niederlage, sondern als Ergebnis ihres engagierten Einsatzes für die Bevölkerung und gegen deren „humanitären Katastrophe“ offengehalten. Großbritannien hat über all die Jahre immer wieder Extrawürste gebraten bekommen. Stattdessen haben Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis einen Grexit dilettantisch von vorneherein immer und immer wieder regelrecht aufdringlich ausgeschlossen und sich damit erpressbar gemacht. Herr Schäuble hat die Steilvorlage auch skrupellos genutzt.
Sie hätten den sogenannten Grexit zu ihrem Trumpf machen und die devoten Vasallen des Großkapitals an deren eigenen Argumenten ersticken lassen sollen. Wenn das Horrorszenario wirklich ein Horrorszenario ist, dann werden Merkel/Schäuble & Co es ebenso fürchten, wie sie uns damit verängstigen wollten. – So aber haben die neoliberalen Despoten der EU, der Troika und des IWF die SYRIZA-Regierung damit erstickt und mit ihr werden es die griechischen Bürgerinnen und Bürger. - Welch geniale Leistung!
Europäische Union und Nordatlantikpakt [NATO]
Jede Geo- und Militärpolitik ist zugleich auch ein wesentlicher Teil der Wirtschaftspolitik, weltweit. So auch für die führende geo-militärische Rolle der Vereinigten Staaten und für die wirtschaftliche und militärische Existenz und Rolle der Europäischen Union. Und so auch vor allem ihrer GB-Nuklearmacht in EU-Europa - und weltweit.
Großbritanniens unbotmäßiges "Brexit" bewegt vor allem auch die Geo- und Militärpolitik der NATO und [nicht nur deren, sondern auch der anderen weltweiten] Nuklarmächte.
Auch Großbritannien befindet sich innerhalb des Nordatlantikpaktes, einschließlich seiner wirtschaftlichen Dimension, in der EU wie weltweit, unter geo- und militärpolitischer Führung der Vereinigten Staaten von Amerika.
Im "Kleinen Politischen Wörterbuch", der 1989/1990 -wirtschaftlich und militärisch- implodierten DDR, aus dem Dietz Verlag Berlin, heißt es richtig:
"Die NATO ist das Kernstück des imperialistischen Kriegspaktsystems: sie ist ein in sich geschlossener Mechanismus und erstreckt sich unter zentraler Leitung der USA über die ganze kapitalistische Welt." -
"Mit Hilfe der NATO gelang es den USA, das westeuropäische ökonomische, wissenschaftliche und militärische Potenzial ihrer Globalstrategie unterzuordnen."
Auch die Existenz der Europäischen Wirtschafts- Union ist ein Teil der geo- und militärpolitischen Globalstrategie, aktuell gegenüber der Russischen Föderation, insbesondere aber auch der Entwicklung und Militärpolitik in 'EU-Osteuropa, in NAHOST und Nordafrika.
Insofern entscheidet die NATO-Militärstrategie und -Politik auch darüber, ob es beim "Brexit", der GB-Militär- und -Nuklearmacht, deren untergeordneten EU-Wirtschaftsmacht, nur bei einer "demokratischen" Fassadenmalerei -ohne Wert- bleibt.
Die Tatsachenbeschreibung von Lutz Herden gilt auch weiterhin für die Militärpolitik [- und Wirtschaftspolitik] nicht nur für Europa: "Es waren mehrheitlich EU-Staaten, die als NATO-Mitglieder im Frühjahr 1999 Serbien durch eine Aggression aus der Luft angegriffen und den Tod Hunderter Zivilisten zu verantworten hatten." =
Diese objektive Wahrheit dürften auch die unter den Freitag-LeserInnen verbliebenen Kalten Krieger und Antikommunisten nicht leugnen wollen, auch wenn vom sozialistischen Versuch nichts mehr in Europa und in der Welt existiert! (?)
[Auch für die Finanz- und Monopolbourgeoisie und deren politischen Administration, - sowohl in der EU- und deren NATO-Strategie, steht der Hauptfeind weiterhin "Links" und in der kapitalistisch-imperialistischen Konkurrenz: zu anderen kapitalistischen Staaten und Staatenbündnissen, weltweit.]
[- stets unvollständig.]
Westliches Angriffsbündnis
Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft haben sich längst zu einem supranationalen Angriffsbündnis zusammengetan.
Joachim Gauck und Angela Merkel nennen es heuchlerisch hochmoralisch "westliche Wertegemeinschaft", die in Wahrheit ein westliches Angriffsbündnis darstellt und das wie ein Kameleon agiert, mal als EU, mal als NATO, mal als Coalition Of The Willing, augenblicklich als Internationale Allianz gegen den Islamischen Staat auftretend.
Dabei mit von der völkerrechtswidrigen Partie die europäischen Staaten Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern.
..."Inzwischen scheint Gabriel die Ahnung umzutreiben, dass der 5. Juli 2015 in Griechenland ein Vorläufer des 23. Juni 2016 in Großbritannien gewesen sein könnte. "...
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Sollte das so sein, dass er und andere das jetzt erst ahnen: Prost Mahlzeit.
Die Briten haben gewählt, nicht mehr und nicht weniger.
Und die Franzosen werden wählen und die Italiener werden wählen und die Spanier werden wählen und die Deutschen werden wählen und die Bulgaren werden wählen und die Ukraine wird wähle: sie werden maw alle wählen und das ist auch gut so - womit wir beim kleinsten gemeinsamen Nenner angekommen sein dürften auf den sich die Rechte, die ja das Wählen nachgeradezu erfunden zu haben scheint, angelangt sein dürften: die Pest in Zeiten der Cholera wird Hofstaat machen - so ganz besorgt demokratisch mit allen Mitteln moderner Technik - na das wird aber ein demokratischer Spaß werden, der uns allen schlimmstenfalls ziemlich übel aufstoßen wird.
Später dann können wir wieder lernen, dass wir das alles doch so garnicht gewußt hatten...
Demokratie Defizit & Brexit-Schock
Eigentlich war das ein Streit in der britischen Oberschicht, der zum Brexit-Referendum geführt hatte. Nun wurde das durchgeführt und das Ergebnis offenbart erhebliche Defizite im Verständnis der Demokratie in GB selbst und in der gesamten EU.
Was wurde denn abgestimmt?
26.06.16 Unfassbar niedrige Wahlbeteiligung junger Briten
Wahlergebnisse: So haben die Briten abgestimmt
52% für einen Brexit bei einer Wahlbeteiligung von 72%
Das sind aufgerundet 38% der Wahlberechtigten. Nach der Statistik der Wahlbeteiligung haben sich vor allem die jungen Leute in GB einen Dreck um diese Abstimmung geschert - und jetzt heulen sie auf, weil sie sich von der EU durch die Senioren abgehängt sehen.
Demokratie und vor allem direkte Demokratie lebt vom Mitmachen, und daran hat es gemangelt. Jetzt in GB und in D sowieso. Hier wählt "das Volk draußen im Lande" alle paar Jahre wieder - und soll dort gefälligst auch bleiben. Für sehr wichtige Fragen ist das Referendum ein guter Gradmesser, für Alltagsfragen ganz sicher nicht. Den täglichen Politikbetrieb wird ein Parlament besser bewältigen, als ein Referendum.
Vergleichen wir die beiden Instrumente in einer Demokratie miteinander, dann hat ein Parlament eine Geschäftsordnung und bewährte Methoden; ein Referendum wird wohl formal nach Regeln abgehalten, die Wähler und Wählerinnen kennen diese aber meist gar nicht.
Eine Regel im Parlament lautet:
Wichtige Entschlüsse von Verfassungsrang werden nur ab einer 2/3 Mehrheit angenommen - und bei diesen Abstimmungen ist das Parlament vollzählig im Plenarsaal.
Der Brexit hat einmal läppische 38% der Wahlberechtigten eingefahren.
Damit soll tatsächlich ganz GB auf den Kopf gestellt werden?
Schottland plant ein weiteres Referendum zur Abspaltung von GB. Die Sicherheitsarchitektur in Nordirland ist in Gefahr und auch hier kann es zu einem Austritt aus GB kommen. Von Gibraltar ganz zu schweigen.
Das ist mit Verlaub lächerlich.
Das Parlament in GB ist gut beraten, wenn es dieses Referendum, ohne ein weiteres abzuwarten, einfach kippt und zur Tagesordnung übergeht, die da lautet:
Der Sonderweg von GB wurde bereits im Februar 2016 mit der EU ausgehandelt und läßt genügend Spielraum auch für alle anderen EU.Staaten, ihren ganz persönlichen Sonderweg mit der EU zu vereinbaren.
Die Briten haben's nicht eilig, das von den EU-Granden verlangte Austrittsverlangen abzufassen und nach Brüssel zu schicken und hält sich so alle Türen offen. Und Merkel stützt das durch ihre Untätigkeit. Beide, Merkel wie Cameron spielen auf Zeit.
Ihrer beider in der Öffentlichkeit zur Schau gestellte Unaufgeregtheit sollten Politiker und Medien sehr bald übernehmen, denn sollte das UK in der EU bleiben, weil jemand glaubt, daß das Referendum die Regierung nicht bindet oder die Regierung das Referndum wiederholen läßt, dann war die Erregung nur ein Akt der Lächerlichkeit.
Wenn Cameron aus irgendwelchen Gründen vor dem von ihm angekündigten Zeitpunkt zurücktreten sollte, wird die neue Regierung sich die Zeit nehmen, sich einzuarbeiten. Niemand wird eine britische Regierung gegen ihren Willen in der EU halten können. Die Frage bleibt, wie weit die britische Regierung, zum Brexit steht und die Zeit. Vielleicht ist das Spielen auf Zeit auch ein Versuch abzuwarten, zu beobachten, wie groß die Bereitschaft amerikanischer Banken ist, in London zu bleiben oder nach Frankfurt zu gehen!
So ist das Schweigen, das Stillhalten Camerons, Merkels und Obamas könnte darauf schließen lassen, daß die Operation "Saving Great Britain" hinter den Kulissen im Gange ist.
..." ihren ganz persönlichen Sonderweg mit der EU zu vereinbaren." ...
Nicht nur Polen fängt damit schon mal an: mit dem Zündeln an der ungeliebten EU.
Womit ggf auch die Überlegung freigegeben wirken könnte die Destrukteure der EU hätten irgendwas mit GS ea zu tun - was ja schon deswegen nicht sein könnte, da sowas ja vollkommen unmöglich...
Nicht dass die EU der letzten Weisheit Schluss ist: Man sehe sich nur an, worauf ihre Gegner zu spekulieren wirken mit GS ea
und die polnische Rechte weiß wovon sie redet, wenn sie ihre eigene Volxwirtschaft GS zu opfern wirkt - imao
Noch einige Überlegungen zum Hintergrund:
Breaking News: Brexit, Großbritannien (das Vereinigte Königreich) draußen! https://wipokuli.wordpress.com/2016/06/24/breaking-news-great-britain-the-united-kingdom-out-der-knall-die-briten-das-vereinigte-koenigreich-draussen/
Andreas Schlüter
Soziologe
Berlin
Ich hab mich als Progressiver ...
Was bedeutet eigentlich progressiv für Sie?
Gehört man als "Progressiver" zu den "fortschrittlichen Kräften", die - nach langer Pause - kürzlich vom SPD-Vorsitzenden beschworen werden?
Wenn man die britische Regierung und ihre Bürger weiterhin ernst nehmen soll muß das Ref. umgesetzt werden. Die Briten versuchen nun zu verzögern um entweder erneut Druck auszuüben bei Verhandlungen oder sich einen günstigen Zeitpunkt in Monaten oder Jahren auszusuchen.
Das kann die EU schnell zerreißen. Insofern ist ein Drängen auf zügige Umsetzung unter Umständen lebenswichtig.
GB möchte alle Vorteile aber keine Pflichten. Dazu kann man nur sagen: Entweder rinn oder raus. Und sonst nüscht.
An Heinz 27.06.2016 | 22:56
Lieber Heinz, wo haben Sie eigentlich die letzten 15 Jahre gelebt?
„Den täglichen Politikbetrieb wird ein Parlament besser bewältigen, als ein Referendum.
Vergleichen wir die beiden Instrumente in einer Demokratie miteinander, dann hat ein Parlament eine Geschäftsordnung und bewährte Methoden; ein Referendum wird wohl formal nach Regeln abgehalten, die Wähler und Wählerinnen kennen diese aber meist gar nicht. Eine Regel im Parlament lautet:
Wichtige Entschlüsse von Verfassungsrang werden nur ab einer 2/3 Mehrheit angenommen - und bei diesen Abstimmungen ist das Parlament vollzählig im Plenarsaal.“
Sie können sich gut mit Gregor Gysi und Rebecca Harms zusammentun!
Kein Plebiszit oder doch nur unter Politiker-Vorbehalt, keine EU-Bürgerabstimmung über einen EU-Verfassungsvertrag. – Abgehobene Politiker entscheiden hierüber.
Ist Ihnen das entgangen? – Das „Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE“ im Deutschen Bundestag verfügt seit 18 Jahren über eine Mehrheit von 80 Prozent der Stimmen. Es stimmt nicht nur über die Höhe der Roaminggebühren oder die Sexualpräferenzen von Ampelmännchen ab, sondern befürworten auch völkerrechtswidrige Angriffskriege unter Beteiligung Deutschlands. Und sie betreiben konzertiert systematischen Besitzstandsklau und Prekarisierung der Bevölkerung, während es Finanzwirtschaft und multinationalen Konzernen gleichzeitig devot die Wege für deren Beutezüge ebnet.
Wie kennzeichnete der "Stern"-Kolumnist Micky Beisenherz Gesinnungen wie Ihre? "Demokratie ist eine feine Sache. Das Dumme daran ist nur, dass die Doofen mitmachen dürfen."
Dieser Artikel behandelt den Brexit und mein Kommentar berücksichtigt das Ergebnis, die rechtliche Situation in GB und die politische Folgen in GB.
Seit wann sitzt Gregor Gysi im britischen Unterhaus?
Wenn du den Kommentar einmal ganz gelesen hast, triffst du auf eine kleine Marginalie, in der ich auf die deutschen Verhältnisse eingehe:
»Demokratie und vor allem direkte Demokratie lebt vom Mitmachen, und daran hat es gemangelt. Jetzt in GB und in D sowieso. Hier wählt "das Volk draußen im Lande" alle paar Jahre wieder - und soll dort gefälligst auch bleiben. «
Das bezieht sich natürlich auf das hohle Gwschwätz von deutschen Politiker.Innen, die als selbst ernannte elitäre politische Klasse lieber ungestört unter sich bleiben wollen.
Es wird keinen Brexit geben. Das hat Cameron doch schon ganz großartig gezeigt, denn sein Rücktritt, der natürlich logisch ist, da er als Regierungschef das Referendum "verloren" hat, ist terminiert auf Oktober, damit er sich in Ruhe zurück ziehen kann. Bis dahin wird es genug Ideen geben, die der Regierung es ermöglichen, sich gegen das Volksvotum stellen zu können, und gleichzeitig das Gesicht zu wahren.
Jeder Nachfolger wird den Teufel tun und den Brexit in der EU anzukündigen, denn das ist ebenso politischer Selbstmord. Der Wähler wird diesen Regierungschef nicht mehr wählen. Vielleicht wir der Wähler aber die Ignoranz eines Volksentscheides entschuldigen.
Nein, GB kann es sich nicht leisten, aus der EU auszuscheiden. Die EU müsste in diesem Fall tatsächlich, um nicht noch mehr Mitgliedsstaaten zu verlieren und den europäischen Wirtschaftsraum aufrechterhalten zu können, GB harte Regeln auferlegen, damit ein Austritt nicht schmackhaft werden kann. Der freie Zugang zum EU-Binnenmarkt müsste die EU deutlich erschweren, die einzige Machtoption der EU, die weiterhin nur ein Wirtschaftsraum ist und keine gesellschaftliche Vereinigung.
GB wird sich für den Verbleib in der EU große Zugeständnisse der EU sicher sein können. Denn die EU hat auch kein Interesse, dass GB ausscheidet. Die Folge wäre auch eine Destabilisierung GBs, Schottland will austreten, die Vereinigung Irlands mit Nordirland scheint heute noch keine Option, aber im Laufe etwaiger Austrittsverhandlungen der Briten mit der EU lassen auch dort keinen anderen logischen Schluss zu - gerade weil Schottland mit hoher Wahrscheinlichkeit GB verlassen und unabhängig sein wird.
Lassen Sie uns wenig überrascht sein, wenn im Herbst wieder ein Grexit offen debattiert wird, damit der Brexit still und leise verabschiedet werden kann. Schäuble & Merkel werden sich andere Sündenböcke suchen, um GB in der EU zu halten. Dabei werden sie vom Vollmitglied GB auch voll unterstützt werden.
Lassen wir den ersten "Schock" der Märkte verdauen. Die Wetten laufen schon wieder und das Geld wird wieder umverteilt zu einigen wenigen, die von der gesamten Situation profitieren. Die Märkte werden mitverantwortlich sein für eine Abkehr vom Brexit.
An Heinz 28.06.2016 | 11:12
Danke vor allem für den letzten Satz!
Vor allem das aktuelle Gesülze von Mamma Dilemma verdeutlicht die permanenten Defizite an demokratischer Methodik.
Mit dem Beitritt in die EU oder Austritt aus der EU werden Hoheitsrechte verändert. Mit dem Zerfall von GB in seine einzelnen Landesteile sowieso. Das kann nicht so ohne weiteres mit einem jämmerlichen Ergebnis von 38% der Wahlberechtigten beim Referendum in GB durchgezogen werden.
Diese Änderungen der Hoheitsrechte sind sehr tiefgreifend haben darum Verfassungsrang. Sowas erfordert auf jeden Fall eine 2/3 Mehrheit des Parlaments und auch eine 2/3 Mehrheit aller Wahlberechtigten.
Das Referendum in GB ist ein guter Gradmesser für Volkes Stimme und bestätigt den eingeschlagenen britischen Sonderweg in der EU. Nun muß die Regierung oder deren Nachfolgerin nur noch umsetzen, was im Februar 2016 mit der EU ausgehandelt worden ist.
Richtig! Und als die Franzosen unter de Gaulle diese Spiel kaputtzumachen drohten, haben die USA die Engländer zum Beitritt gedrängt.
Es waren dann sie, die - mit Hilfe der seit Mitterand immer stärker werdenden "Atlantisten" in Frankreich - zuerst jedes wirksame soziale Kapitel in der Europäischen Verfassung (dann Vertrag von Lissabon) verhinderten und und auch die vollständige Nato-Integration der EU - bis an die Grenzen Russlands - vorantrieben.
Es wäre logisch gewesen, wenn die Gründungsstaaten der EWG (dann EG) zuerst eine Verfassung verabschiedet hätten und erst dann die Engländer und einige (Retourfaschisten-) Staaten die den USA vollständig untergeben sind - Polen, Kroatien, Ungarn etc. - auf Basis dieser Verfassung zugelassen hätten.
Damit hätte man vielleicht die thatchersche Perversion zum totalen Neoliberalismus und folgliche Verarmung ganzer Volksschichten eindämmen und die idealistischen Werte wie Völkerverständigung und Kriegsverhinderung, die ja auch in der Gründungszeit mitschwangen, weiter verfolgen können.
Wessen Hoheitsrechte
An Heinz 28.06.2016 | 12:19
„Diese Änderungen der Hoheitsrechte sind sehr tiefgreifend haben darum Verfassungsrang. Sowas erfordert auf jeden Fall eine 2/3 Mehrheit des Parlaments und auch eine 2/3 Mehrheit aller Wahlberechtigten.“
Sagen Sie doch bitte mal, wessen Hoheitsrechte hier angetastet wurden! – Nach meiner Wahrnehmung haben die Briten mit der Durchführung dieses Referendums lediglich ihre eigenen Hoheitsrechte autonom wahrgenommen (Oder sollten Sie die fraglichen Hoheitsrechte der EU meinen).
64 Millionen Briten waren aufgerufen, im Rahmen ihrer bestehenden gesetzlichern Regelungen ihre Stimme abzugeben – und mehr haben sie nicht getan. 72,2 Prozent haben an dieser Abstimmung aktiv teilgenommen, 27,8 Prozent haben das passiv getan.
Wenn man mit viel Akrobatik argumentiert, aktuell hätten nur 38 Prozent der Briten für den Brexit gestimmt (Sie nannten das ein „jämmerliches Ergebnis“), darf man nicht unterschlagen, dass es sogar nur 35 Prozent waren, die gegen den Brexit votierten.
Ich weiß also nicht, was so eine Diskussion soll. Meine Wahrnehmung ist, dass hier vorgebliche Demokraten den Versuch unternehmen, das demokratisch herbeigeführte Ergebnis dieser Brexit-Abstimmung zu diskreditieren.
Wir sollten dieses Referendum als ein Highlight demokratischen Gebarens feiern, statt es abenteuerlich zu kritisieren.
Die vielen Spekulationen über die dynamischen Abläufe, die sich in diesem Forum breitmachen, sind allesamt nicht verifizierbare Fantasien.
Nach, wie vor hat das Referendum zum Brexit keine verpflichtende Wirkung für das Parlament. Abgestimmt haben die Briten und damit ein Stimmungsbild gegeben für ihr eigenes Land.
»Sagen Sie doch bitte mal, wessen Hoheitsrechte hier angetastet wurden! – Nach meiner Wahrnehmung haben die Briten mit der Durchführung dieses Referendums lediglich ihre eigenen Hoheitsrechte autonom wahrgenommen (Oder sollten Sie die fraglichen Hoheitsrechte der EU meinen).«
Das scheint mir eine willkürliche Projektion zu sein. Im weiteren Text des Kommentars wird klar dargelegt, welche Hoheitsrechte das sein könnten.
Neben denen von Hebel und Misik nun der dritte hervorragende Kommentar zum Brexit.
Es mag nicht nur de jure so sein, dass die Briten es sind die diesen Prozess nacht Artikel 50 einleiten. Es i s t auch de jure so! Aber was kann den denen jetzt noch etwas viel Besseres passieren, als mit der EU jetzt immer -ja immer noch-noch aus der vermeintlichen Position der Stärke heraus zu verhandeln, die sie vorher Ihr Handeln, ihre Politik und ihre Taktik bestimmt hat. Die EU hat jetzt doch alle Trümpfe in der Hand und die Situation hat sich für die Damen und Herren Engländer geradezu umgedreht: Während diese vorher die EU mit ihrem Austritt dauererpressen konnte und das ja auch genau so immer wieder vorexerziert hat, ist es nun so, dass die EU zwar auch weiterhin kein Interesse an schlechten Bedingungen für Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu den Briten hat, aber das hatten die Briten vor dem Referendum ja auch nicht.-Ja, soweit sehe ich es auch so.Doch weiter im Text:
Je weiter dieser Prozess nach hinten rückt, desto näher rückt er auch an die Präsidentschaftswahlen in Frankreich und an den Wahlkampf und auch an die Bundestagswahlen bei uns in Deutschland. Das wird doch davon beeinflusst und ich denke, die sollte EU durchaus "Klartext" reden und auch im Sinne ihrem eigenen Interesse. Genau das! Bye bye- oder?
Nehmen wir einmal an, die Stimmung in GB kippt, die Initiatoren der Abstimmwiederhol-Petition kriegen Oberwasser. Nach einigen innen- und außenpolitischen Turbulenzen wird – sagen wir in zwei Jahren – ein neues Referendum angesetzt, dass eine klare Mehrheit für die Wiederaufnahmewunsch in die EU bringt.
Schön, mustergültig europäisch, nur: Würde nicht gehen. Abgestimmt ist abgestimmt; die Briten müßten draußen bleiben. Jedenfalls dann, wenn es nach dem Willen des Bundesfinanzministers geht. Schäuble hält den BREXIT nach dem Referendum a) für unumgänglich, b) für nicht irreversibel. Begründung; da ist die schwäbische Hausfrau eisenhart: »Das hätten sie sich vorher überlegen sollen.«
Wolfang Schäuble mag – anders als etwa Angela Merkel oder auch der Vorsitzende der polnischen Regierungspartei, Jaroslaw Kaczynski – in dem Punkt die Hardliner-Fraktion vertreten. Allerdings scheint mir die Zusammensetzung des antibritischen Wolfsrudels, das sich aktuell formiert, kein Zufall zu sein. Auffällig ist, dass der stärkste Druck auf die Briten a) von deutschen EU-Politikern ausgeht, b) von der vergleichsweise deutschnahen EU-Spitzenkamarilla rund um Jean Claude Juncker. Flankiert werden dürfte diese Linie, sofern dies nicht schon der Fall ist, durch Leute aus dem EZB-Umfeld und der Geldbewirtschaftung.
Dass Hollande und Renzi (wenn auch, wie mir scheint, eher etwas widerwillig) bei der Isolierung des kranken Manns an der Themse nunmehr mitziehen, scheint meine These zwar zu widerlegen, derzufolge eine maßgebliche Politikfraktion aus Berlin + Brüssel den BREXIT zum Anlass nimmt, die Briten ganz aus Europa rauszukicken und die deutsche Vorherrschaft noch stärker auszubauen. Umgekehrt denke ich allerdings, dass Hollande und Renzi schon längst an Schäubles langer (oder auch kurzer) Leine laufen und nicht mehr Herr ihrer Entscheidungen sind. (»Schlagendstes« Beispiel: das derzeitige Durchsetzen der französischen Agenda 2010 mit dem Polizeiknüppel – obwohl François Hollande eigentlich intelligent genug ist, um zu wissen, wer nächstes Jahr dafür die Ernte einfahren wird. Aber vielleicht spekuliert er ja auch darauf, dass ihm Marie Le Pen »seinen« EU-Austritt abnehmen wird.)
Mit anderen Worten: Je größer der zeitliche Abstand zum Referendum wird, desto deutlicher wird, dass der Ausstieg der Briten aus der EU dem deutschen Machtzentrum äußerst gelegen kommt.
Mich darüber aufregen, dass das Gebahren von Schäuble, Schulz, Junker & Co. jeglicher Idee von Europa eine schallende Ohrfeige verpasst, will ich an der Stelle nicht. (Die richtigen Schlussfolgerungen hat DIEM-25-Mitgegründer Yanis Varoufakis in seiner Einschätzung bereits recht gut auf den Punkt gebracht.) Fazit: Das neudeutsche Imperium (mit einer Kanzlerin, die zwar den Ausgleich in Person zu sein scheint, bei Fortschreiten der Entwicklung jedoch – die Option ist zwischenzeitlich todsicher in der Pipeline – durch eine Schäuble-nähere Variante ausgetauscht werden kann) schreitet Schritt für Schritt voran.
Diesmal ohne Weltkrieg. Allerdings: Mit einer sogenannten »europäischen Idee« hat das Ganze recht wenig zu tun.
»(…) für nicht irreversibel«
muß natürlich »reversibel« heißen.
Ich beanspruche keine Definitionshoheit. Jedenfalls bin ich kein (Achtung Oxymoron) konservativer Linker und ein Parteibuch habe ich auch nicht (mehr).
Progressiv bedeutet für mich in diesem Zusammenhang besonders sich von solchen ideologischen Debatten wie der Markenpflege abzusetzen und lieber konstruktive Vorschläge zu erarbeiten wie es nu weitergehen soll.
Ob die SPD-Führung da was anbietet finde ich grundsätzlich spannend, zumal sie ja mitregieren, aber ich neige da auch mehr zur Ironie als zur Hoffnung.
"... konstruktive Vorschläge zu erarbeiten wie es nu weitergehen soll..."
Das finde ich auch viel interessanter, als den Dingen von vorgestern nachzuhängen. Ich bin neugierig, welche politischen Akteure in Berlin und Brüssel klare Ziele und Schritte aufzeigen können.
Nur ein Donnerwetter kann etwas verändern
Habt ihr eigentlich immer noch nicht verstanden? "... konstruktive Vorschläge zu erarbeiten wie es nu weitergehen soll...", heißt nichts anderes als „weiter so wie bisher“. Diese Mentalität begünstigt, bestehende Verhältnisse zu konservieren und den bisherigen politischen Akteuren ihre bisherigen Schmutzigkeiten konsequenzlos nachzusehen. Sie haben dann überhaupt keinen Grund irgendetwas zu verändern – Anderen Vorstellungen als ihren gegenüber sind sie resistent.
Es geht ihnen ausschließlich darum, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. – Respekt haben sie nur vor dem eigenen Jobverlust.
Substanzielle Veränderungen sind nur mit anderem politischen Personal möglich.
Wer auf der richtigen Seite der Geschichte stand wird sich erst noch zeigen. Die willigen EU-Bürger werden es sicher nicht sein. Freiwillige Sklaven einer EU-Diktatur können keine Gewinner sein.
Die Jungen wissen gar nicht mehr wie man ohne Konsum glücklich sein kann. Sie haben immer alles bekommen was sie sich wünschten.Alles war vorbestimmt. Das einzige Abenteuer, der erste Schulweg ohne Auto, alleine.
So gefangen in einer Gesellschaft in der alles geregelt ist hat man Angst vor freien, individualistischen Entscheidungen.
Der Käfi EU macht Angst, gibt aber auch Sicherheit, die Alten werden es schon richten. Die haben "Erfahrung"!
Dabei übersieht amn leicht, die sind auch nicht frei in ihren Entscheidungen. Die haben sich abhängig gemacht von noch mächtigeren. Nicht aus Angst, aus Gier, wonach und womit sei dahingestellt.
Eine Gemeinschaft kann nur funktionieren wenn alle Menschen die gleichen Rechte und Pflichten haben.
Deshalb wird dieses Europa nie funktionieren.
Nicht einmal Kerneuropa.
Den neueingegliederten Oststaaten müsste eigentlich langsam aufgegangen sein dass sie nur wegen des neuen Krieges mit Russland dazugehören DÜRFEN. Wenn sie politisch nicht ganz blind sind.
Die westlichen europäischen Länder, die nicht zu Kerneuropa gehören müssten langsam kapieren dass sie von ihren Politikern verraten wurden.
Europa der mißbrauchte Kontinent.
Europa, der missbrauchte Kontinent.
Sehr schön auf den Punkt gebracht! – Und Respekt denjenigen, die mit diesem Brexit-Ergebnis dagegen aufbegehrten!
Was nun konkret?
konkret: ein Referendum 51,9:48,1.
klarer Sieg vor dem allen das Herz in die Hose rutscht und schlimmer noch als Kricket: die anderen wollen da auch noch mitspielen...
so ernst war das doch garnicht gewählt...
hoppala
Konkret: ein Referendum 51,9:48,1 – An „konstruktiven Vorschlägen“ mangelt es nicht!
Danach ein „Relaunch“ der EU auf der Basis demokratischer Legitimation aller EU-Institutionen.
„... konstruktive Vorschläge erarbeiten, wie es nun weitergehen soll...“.
„Das finde ich auch viel interessanter, als den Dingen von vorgestern nachzuhängen. Ich bin neugierig, welche politischen Akteure in Berlin und Brüssel klare Ziele und Schritte aufzeigen können.“
Sie geben vor, sich progressiv und konstruktiv zu verhalten und sorgen in Wahrheit doch nur dafür, dass sich nichts verändert.
Diese Kurzkonversation verdeutlicht die Ausreden, mit denen ihre Autoren die systemische Betrachtungsweise des politischen Gegenwartsgeschehens verweigern. Sie mögen keine Gesamtwürdigung. Sie möchten Phrasen! – An „konstruktiven Vorschlägen“ mangelt es in Wahrheit nämlich nicht!
Es ist die vielmehr die gewissenlos/ skandalöse, weil bürgerverachtende Gesinnung der Politiker, die eine demokratische Erneuerung im Wege steht und eben die brave und konservierende „Status quo“-Gesinnung o. g. Autoren.
Es sind die Vertreter dieser Denkschule, die den expansiv/aggressiven politischen Status von Bundesrepublik und EU der letzten 25 Jahre begünstigten und aktuell erhalten. – Sie wollen nichts anderes!
Sie haben gewählt - nicht irgendwelche "Politiker".
Beim Wählen geraten Flegel immer durcheinander, beim Flagellantentum...
Theokratie ist ja keine Denksc hule, sondern wirkt lediglich wie eine höhgereSchule des Schimpansentums aus dem man Zivilisiertheit ableiten möchte ohne es zu können.
daran werden auch keine selbsmordanschläge irgendwas ändern können.
Was wir aber alle von Theokraten lernen: ihre eigene Jugend abzuknallen wie abknallen zu lassen für einen Scheiß, der selbst 999 Jungrauen nicht wert wirken kann.
und was Theokratien aus Gott fabrizieren: das vollendete Grauen.
Menschenverachtenderes wird es vmtl kaum geben.
Wobei: Theokratien wird eine ernüchternde Einsicht bevorstehen: mit den Robotern, die sie selbst vorbereitet hatten für die digitale Revolution werden sie sich als Komplizen einer Revolution begreifen müssen die sie selbst noch nicht begriffen zu haben scheinen.
oremus
löschen wir einfach mal erwinoo7 aus
Cameron hat mit seinem Referendum nach allen Seiten hin gezockt. Bei den Verhandlungen mit der EU als Druckmittel, innerparteilich, um den Anti-EU-Flügel kaltzustellen, parteipolitisch, um UKIP abzukanzeln. Er hat verloren und mit ihm GB. Denn jetzt ist die Katze aus dem Sack und wird nicht wieder hineinkommen.
Im Grunde bleiben GB nur noch zwei Optionen: entweder sie schließen sich der Efta an, wo sie dann gemeinsam mit Island, Schweiz und Norwegen den Vorhof der EU bestellen. Das wäre wohl die einfachste Lösung, doch wirklich gewonnen haben die Briten nichts dabei. Denn die Personenfreizügigkeit ist zurecht unverhandelbar. Falls die britische Regierung, von der niemand weiß wie sie zukünftig aufgestellt sein wird, die Bedingungen der Efta-Mitgliedschaft ablehnt, bleiben nur noch bilaterale Abkommen für jedes einzelne Land in Europa, egal ob in oder außerhalb der EU, also so ungefähr 40 (?), inklusive der Kleinststaaten. Da werden die Spanier auf die Rückgabe von Gibraltar pochen, jeder hat dann sein eigenes Süppchen. Na ja, viel Spass bei den Verhandlungen.
Ich denke, der Brexit ist endgültig. Denn zum einen ist es ein Tabu, das britische Referendum zu ignorieren, Cameron als Sprecher der Tories versprach hoch und heilig, dass es bindend wäre und der Anti-EU-Flügel der Tories wird doch jetzt nicht hinschmeißen. Zum anderen besteht ein Interesse der EU-Staaten an einem Brexit: keine Hängepartie jetzt, eine Verschiebung der Euroachse nach Süden, Anteilübernahme an der Finanzindustrie, kein nerviges Kind mehr mit Extrawurstwünschen, um nur ein paar zu nennen.
Sicherlich ist die EU alles andere als perfekt und der Konflikt zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten spitzt sich weiter zu. Doch ich finde so Errungenschaften wie die Personenfreizügigkeit sehr essentiell. Ich möchte keine Grenzen in Europa, sondern selbst entscheiden können, wo ich lebe, arbeite, wohne. Bisher war für die Gründungsmitglieder der EU und die Euroländern die Personenfreizügigkeit unverhandelbar, ich halte es für ausgeschlossen, dass dieses Fundament zerlegt wird. Insofern birgt der Brexit die Gefahr, dass sich GB und die EU auf der Handelsebene zerfleischen werden. Die damit einhergehenden Wohlstandsverluste dürften sich auch global auswirken. Es wurde ja bedauert, dass mit den Briten eine angenehm nüchterne Realpolitik gehen würde. Nun, das Referendum war alles andere als eine angenehm nüchterne Realpolitik, sondern bestenfalls politisches Rumtaktieren, Traumtänzerei und Protestwahl gegen alles. Ich kann nicht erkennen, wo GB als EFTA-Staat gewinnt gegenüber einem EU-Staat. Oder können die neuen Tories das ihren Wählern als Erfolg verkaufen? Der Brexit wird wohl noch ganz zäh!
Ich kann auch die Nichtwähler des Referendums sehr gut verstehen, ich weiß auch nicht, ob ich gewählt hätte. Denn das Referendum war im Grunde ein Torie-internes, Camerons Taktiererei hat die ganze britische Bevölkerung in Geiselhaft genommen. Ich hätte es fairer gefunden, wenn die Tories erst ein Parteireferendum abgehalten hätten und mit dem Ergebnis in die Parlamentswahlen gegangen wären. Mag sein, dass das am Ergebnis nichts geändert hätte. Doch diese Geiselnahme der Bevölkerung von einer Partei, die gespalten ist, halte ich für keine demokratische Grundlage für ein bindendes Referendum mit solcher Tragweite.
4711_Please, ich verstehe Ihr Problem nicht. Freizügigkeit in Europa und der Welt hat nichts mit der EU zu tun. Die gab es schon vor der EU, zugegebenerweise in der einen Halbwelt nicht. Und die vielen Ministerialbeamten werden mit der Computertechnik und der Software "Cut und Pas" leicht ein paar neue Verträge aufsetzen können . Wenn das nicht reicht, macht Reisen auf Dienstauftrag auch noch Spass. Viel bedeutungsvoller sollte doch der Brexit-Schuss gen Brüssel sein. Aber da habe ich so meine Zweifel, wenn völlig instiktlos Herr Junker verkündigt, CETA an allen nationalen Parlamenten vorbei schleusen will. Es ist nur noch zum K..., wenn dieser Mann mit der höchsten Machtbefugnis in der EU weiterhin Steuerparadiese in seinem Herkunftsland deckt und Menschen, die dieses aufdecken mit Gefängnis bestraft werden.
Vortrefflich schwadroniert, Herr Herden. Bei Iher Tour d'Horizon fehlt nur noch der Hinweis darauf, dass 1968 die Natinale Volksarmee fast in die CSSR einmarschiert wäre.
die Personenfreizügigkeit ist ein Essantiel in den EU-Verträgen, das gibt es sonst so nicht. Vielleicht haben Sie das ganze Visumstamtam und die Grenzkontrollen bei Reisen außerhalb der EU nicht erlebt, oder es ist Ihnen egal. Fakt ist, dass die Verträge der EU den Menschen innerhalb der EU die weltweit einmalige supranationale Chance bietet, EU-international die gleichen Freiheiten zu haben wie national. Sind Sie sich dessen gar nicht bewußt?
»Europa der mißbrauchte Kontinent.«
Dem Kontinent und den Ländern ist das sicher alles schnurz. Wir meinen natürlich die Europäer und die Menschen in den Ländern. Die verallgemeinerte Abstraktion ist schnell dahergesagt oder geschrieben, obwohl überall Menschen leben, die unterschiedlicher Meinung sind.
Die Gefahr der Verallgemeinerung besteht gerade darin, zu glauben, die Politiker.Innen seien das Land. Die Bürger und Bürgerinnen (nur) Bestandteil und Verfügungsmasse einer willkürlichen Politik.
Die Bürger und Bürgerinnen sind nicht der Staat und sie sind auch nicht das Land, sondern Mitglieder der Gesellschaft und Eigentümer der Gemeingüter - die Politiker.Innen nur treuhänderisch verwalten.