Ihr seid immer so streng, ihr Feministinnen - Gendertrouble in der Bar

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Gestern Nacht um 23h machte ich mich auf zur Nachtschicht. Es war ein schöner Tag und ich nutze die Spätsommersonnenstrahlen am See, versuchte Luke das baden in der Tonkuhle schmackhaft zu machen und las meinen BegleiterInnen das Horoskop aus einer sehr schlechten Klatschzeitung vor.

Von Sonne und Schwimmen merklich geschafft, macheich mich also auf den Weg. Die Müdigkeit und die Aussicht auf eine Wochenendnachtschicht nagen an meiner Laune, und nun hat diese aufgegeben und verdient nicht einmal mehr das Prädikat mies.

In den letzen Tagen habe ich viel zu viel Zeit am Arbeitsplatz verbracht und die Nachtschicht am Donnerstag war noch mieser als meine derzeitige Laune. Wenn ich heute wieder die Polizei rufen muss, wechsel ich die Branche.

Es dauert ein bisschen, aber ich komme ganz gut rein. Das Publikum ist noch übersichtlich und besteht fast ausschließlich aus Stammgästen. Die Fragen meines Kollegen, der nur Vertretungsweise eingesprungen ist, lenken mich von meiner Laune ab und ehe ich mich versehe, es ist jetzt etwa halb eins, habe ich zwischen CubaLibre und Pils gar keine Zeit über diese nachzudenken, geschweige denn ihr sonstwie Beachtung zu schenken.

Drei junge Männer Mitte 20 kommen rein, bestellen zwei Pils und ein Weizen und gehen damit vor die Tür. Da wir um Mitternacht die Außenbestuhlung abbauen müssen und in diesem Zusammenhang auch dafür Sorge zu tragen haben, dass es vor der Bar einigermaßen ruhig zu geht, gehe ich nach der zweiten Runde raus und weise die Jungs darauf hin.

Außerdem: hier Leute, wenn ihr schon rausgeht mit den Getränken, dann bringt doch bitte die Gläser, wenn ihr wieder bestellt einfach wieder mit rein.

Könn wa die nicht einfach auf die Fensterbank stellen?

Nee, guckt mal, ich bin ganz alleine hier und muss alles im Blick haben, da wär es nett, wenn ihr einfach den Kram zum Tresen nehmt, wenn ihr bestellt, ok?

Ich drehe mich um, weil ich keine Zeit für Diskussionen habe und höre noch ein flüsterndes was war das denn?

Dieselben jungen Männer sitzen etwa eine halbe Stunde später am Tresen.

Du, sorry, aber der Platz ist besetzt. Da sitzt der Typ mit dem Cap, der kommt gleich wieder.

Dann steh ich dann auf.

Alles klar, sage ich, lächele und arbeite weiter. Nach einer weiteren halben Stunde schläft einer der drei am Tresen ein. Ich lasse ihnen fünf Minuten, manchmal kümmern sich Freunde ja um einander, ticke dann den Schlafenden an: wenn Du pennen willst, musst Du nach Hause gehen, das geht hier nicht.

Was hat die gesagt, lallt es

Du sollst nach Hause gehen, lallt’s zurück.

Nein, ich hab gesagt, dass du hier nicht schlafen kannst.

Der wachere Laller schaut mich an und gibt mir zu verstehen, dass er sich ungerecht behandelt fühlt: ihr glaubt wohl alle ihr seid ober cool, weil ihr hier arbeitet, was?

Keine Ahnung, ob Du schlechte Erfahrungen mit meinen Kollegen gemacht hast, aber du solltest das nicht persönlich nehmen. Ich versuch nur dafür zu sorgen, dass es jedem hier gut geht. Inklusive mir.

Er jammert, ich habe ihnen verboten draußen zu trinken, ihn vom Platz verwiesen und jetzt schmeiße ich auch noch seinen Kumpel raus. Mir reicht’s.

Bist Du bescheuert?! Hör mal auf mich zu nerven und halt lieber Deinen Freund wach!!!

Ich gehe einen Meter nach rechts und verdrehe die Augen.

Machen die Stress, fragt der Typ mit dem Cap (ein dicker Skin, der angsteinflößend wirkt, aber niemandem was tut, es sei denn, man sagt was gegen Pauli). Soll ich die rauswerfen?

Nee, lass mal, die sind harmlos. Die nerven nur.

Ich erzähle die Geschichte und höre ein Lachen. Der stille Feierabendabsinthtrinker, der zwischen Skin und Jungs sitzt, grinst: Ja, das ist genau das Problem von solchen Typen: Du bist eben wirklich cool, damit kommen die nicht klar.

Ich bin besänftigt und habe ohnehin so viel zu tun, dass es mir leicht fällt, die Typen, genau wie meine Laune von vorhin, zu ignorieren.

Als der Morgen buchstäblich graut, es regnet, hat sich das Publikum reduziert. Ich mache sauber, verkünde die letzte Runde um halb sieben und genehmige einer Gruppe 20 Jähriger eine Ausnahme.

Fünf Jägermeister!

Letzte Runde war schon, hab ich doch gesagt.

Och komm schooooon…

Naja, Schnäpse sind ja schnell weg.

Ok...Fünf?

Vier nickende Köpfe und einer, der die Symmetrie stört. Das Mädel in der Gruppe schüttelt den Kopf.

Also vier, merke ich an.

Protest!

Nee, mach mal fünf…

Einer redet auf sie ein, sie lächelt und schüttelt den Kopfe erneut.

Wer nichts will, bekommt auch nichts, hier, vier Stück.

Nach der Runde kommt einer der Jungs zum Tresen, zwinkert mir zu und meint:

Ich hätte den schon getrunken

Naja, das weiß man nie, es geht ja ums Prinzip. Keiner wird zum Trinken gezwungen, wenn meine Öhrchen in der Nähe sind.

Er zwinkert wieder: dass ihr aber auch immer so streng sein müsst, ihr Feministinnen.

Gut erkannt, zwinkere ich zurück, aber das mache ich immer so, da bin ich gendermäßig voll auf der Höhe.

Ein letzes Zwinkern und dann: gute Nacht. Auf der anderen Seite des Tresens eine letzte Diskussion um die Zustände der linken Szene dieser Stadt und: die letzten Reste auch noch raus gefegt.

Als ich im Bett liege, nachdem Luke noch seine Morgenrunde eingefordert hat, zeigt der Wecker 08:54h an. Das ist auch der Grund, warum ich diesen Beitrag um diese Uhrzeit verfasse. Der Rhythmus ist aus dem Takt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

luzieh.fair

work in progress

luzieh.fair

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