Privater Primat - oder: wer sich öffentlich zum Affen macht

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Es geht auch mal politisch zu in der Bar. Eigentlich sogar regelmäßig und ich habe mir ziemlich schnell angewöhnt, mich -wenn es sich vermeiden lässt- nicht in die Tresenpolitologie einzumischen. Ist gesünder.

Das fällt mir mitunter schwer. Muss ich wohl zugeben.

Nicht unbedingt, wenn sich die beiden BWL-Studenten über Eurobonds unterhalten. Auch nicht, wenn die da oben alle an die Wand gestellt (wahlweise auch in einen Sack gesteckt) werden sollen. Aber seit einigen Monaten gibt es immer mal wieder die Situation, dass ich sagen muss: warten wir es doch einfach mal ab.

Kachelmann zum Beispiel. Mittlerweile ein fast gelutschter Drops, aber die Debatte, die sich durch Fälle, wie diesen entwickelt steht wohl gerade am Anfang.

Wie oft ich mich in die eifrigen Spekulationen eingeklinkt habe, um zu sagen, dass es nun auch mal gut ist, kann ich gar nicht mehr zählen.

Zwei betrunkene Burschenschafter zum Beispiel, habe ich letztens hinaus gebeten, weil ich das Gelaber einfach nicht mehr ertragen konnte. Das hing in erster Linie mit Inhalt zusammen und erst in zweiter mit der Form.

Die kann ja viel erzählen

Die wollte sich doch rächen

Und die andere, mit diesem Franzosen, die will doch nur Kohle, kommt ja auch aus nem armen Land…

Da könnte ja jede kommen

Ich würd keine zum Blasen zwingen, das ist doch viel zu riskant (wehleidiger Blick nach unten)

Die Sache mit diesen Burschenschaftern ist ohnehin sehr kritisch. Es gibt von denen in dieser Stadt einige. Selten sind sie als solche erkennbar, weil es hier nicht ohne Weiteres möglich ist, in vollem Wichs durch die Straßen zu ziehen. Also, es ist möglich, kommt auch vor. Nur selten in der Innenstadt und noch seltener in öffentlichen Kneipen. Wir haben glücklicherweise die Anweisung von oben, Burschis in Montur gar nicht erst zu bedienen. Der Rest unserer Kundschaft steht eh nicht so auf die, das würde nur Stress bedeuten.

Erkennen kann man die Wachsjackenträger trotzdem recht einfach. Äußeres und Attitüde sind oft zu eindeutig.

Zwei Nächte nachdem ich die vor sich jammernden Burschis nun zum Gehen gebracht hatte kam eine Vierergruppe anderer Burschis. Zwei von ihnen waren so betrunken und pöbelig, dass sie vom Gruppen…ja,…führer sagt man da wohl, nach Hause geschickt wurden. Es gab wohl einen anderen Plan. Gut, Alphatier und Vizechief saßen nun also an meinem Tresen. Bestellten diverse CubaLibre, um mich dann zu fragen:

Sag mal, stimmt es was man sich über diese Bar erzählt?

Keine Ahnung, was erzählt man sich denn über diese Bar?

Naja, dass das eine homosexuelle Schwulenbar ist.

Was bitte soll denn eine homosexuelle Schwulenbar sein? Fragte ich mich und ihn

Naja, eine Bar, in der sich Männer treffen und dann miteinander nach Hause gehen.

Ich schaue mich um. Lächele. Das riecht nach Provokation.

Also Jungs, mir ist nichts dergleichen bekannt. Ich will aber nicht ausschließen, dass es hier den einen oder anderen interessierten Mann gibt. Also: tut Euch keinen Zwang an und fragt einfach, wenn ihr jemanden süß findet. Aber: nicht aufdringlich werden. Es gibt Leute, die wollen hier nur Bier trinken.

Die beiden werden blass und sehen auf einmal nüchtern aus.

Nein, nein! Also, wir wollten gar nicht…wir sind doch gar nicht…ähm…

Ist schon ok Jungs, wollt Ihr noch was trinken?

Wollten sie nicht. Sie gingen. Na, das hat doch mal Spaß gemacht.

Derartiges, also Sexismus und Homophobie, erlebe ich oft bei diesen Herren aus gutem Hause. Ich habe es woanders schon mal geschrieben: der brachialste Hells-Angels-Rocker hat mehr Respekt vor der Barkeeperin als jeder Burschenschafter. Ganz ehrlich: Wenn die DienstleisterInnen immer so behandeln (wovon ich ausgehe), dann will ich diese Leute nicht in einer Tabledancebar erleben. Geschweige denn mit einem Zimmermädchen im Hotel.

Das mit dieser allgegenwärtigen Debatte ist bei der Arbeit mitunter tatsächlich ein Problem. Die Grenze zu finden zwischen das geht Dich nichts an und so geht’s jawohl nicht ist nicht immer leicht. Im Netz ist das einfacher. Da schreiben Leute ihre Kommentare in aller Öffentlichkeit und wollen, dass andere diese zur Kenntnis nehmen und ebenfalls kommentieren.

Menschen am Tresen befinden in sich ja in einer eher privaten Situation und bis sie mich fragen: wie siehst Du das denn, geht es mich nichts an. Eigentlich. Aber zum Glück gibt es hier, in einigen Kneipen dieser Stadt, die Tradition, dass sexistisches und irgendwie diskriminierendes Gelaber keineswegs Privatsache ist.

Und so kann ich im Zweifel sagen: ihr habt doch sich schon mal den Begriff Hausrecht gehört, oder? Davon mach ich jetzt Gebrauch.

Rechtssicherheit ist in diesem Fall gegeben und äußerst praktisch. Gerade wenn so pseudointellektuelle Klugscheißer vor einem stehen, die sich vielleicht sogar schon als Juristen sehen, weil sie drei Semester Jura studiert haben.

Wenn es doch nur immer so einfach wäre, mit dem Recht und dessen Anwendung.

Gerecht? Das kommt dann wohl -wie oft auch im Gerichtssaal- auf die Perspektive an. Ich finde es äußerst gerecht, nicht jeden bedienen zu müssen. Ob es jeder gerecht findet, nachts in eine Innenstadt, in der keine andere Kneipe mehr geöffnet hat, geschickt zu werden, wo er nun auf dem Trockenen sitzt, ist ein anderer Schuh.

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Geschrieben von

luzieh.fair

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luzieh.fair

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