Symbol der Fruchtbarkeit? Symbol des Lebens? Nein, lecker Frühstückchen. Guillotiniert und mit einer Prise Salz gewürzt, steht das Ei frühmorgens dottergelb auf Millionen Tischen. Zum Start in den Tag gehört es wie das Bettenlüften und Zähneputzen. Selbst chronische Muffelköpfe lächeln milde, wenn ihnen das Protein schlonzig über den Gaumen rutscht. Eier schmecken wunderbar und machen ein angenehm cremiges Mundgefühl. Die Deutschen lieben Eier, sie verputzten im Jahr 2016 pro Kopf genau 235 Stück, drei mehr als 2015. Das ist im Vergleich zum Mexikaner, der als Weltmeister 350 Eier weglöffelt, noch ziemlich moderat.
Eier sind ein universales Lebensmittel, sie werden weltweit geschätzt: gesund, billig, stets vorrätig. Global wurden zuletzt 69,8 Millionen Tonnen Eier im Jahr produziert. In Deutschland legen 45 Millionen Legehennen 13,1 Milliarden Eier im Jahr, weitere sechs Milliarden werden importiert, größtenteils aus Holland.
Vergleicht man den heutigen Eierkonsum mit dem der 1950er Jahre, erkennt man den dramatischen Anstieg. Von 90 auf 235 Eier in etwas mehr als einem halben Jahrhundert. Zu bewältigen war dies nur mit dem Turbohuhn und einer Verdoppelung der Legeleistung. Heutige Hochleistungshybride legen 300 Eier im Jahr. Und: Unsere Eierlust hatte Millionen Hühner hinter Gitter gebracht – lebenslänglich. Bis sie am 6. Juli 1999 vom Bundesverfassungsgericht doch noch aus dem engen Käfig befreit wurden. Legebatterien sind Tierquälerei, sagte Karlsruhe. Basta! Seitdem gibt es außerhalb der Boden- und Freilandhaltung nur noch die Kleingruppenhaltung von Legehennen, so eine Art Wohngemeinschaft im gestalteten Käfig mit Sitzstange, Trinknippeln, Nest und Einstreu.
In solchen Käfigen werden aber nur rund neun Prozent unserer Eier produziert. Die meisten kommen heute aus Bodenhaltung (63 Prozent) und aus Freilandhaltung (28 Prozent, davon rund zehn Prozent Bio).
In der Regel merken wir gar nicht, wie viel Eier wir essen. Eier verstecken sich gern, nicht nur an Ostern. Morgens ein Stück Kuchen, mittags Pasta, abends Kartoffelsalat mit Mayo und ein Tiramisu. Schon sind fünf, sechs Eier gegessen, ohne dass wir ein einziges zu Gesicht bekommen hätten. Vor allem Backwaren, Eiernudeln und Desserts sind potente Eierpakete.
Der Ruf hat gelitten
Rein biologisch betrachtet, verspeisen wir mit dem Ei die weibliche Fortpflanzungszelle der Gattung Gallus domesticus, unseres Haushuhns. Im Eierstock der Henne warten mehrere tausend Eizellen auf ihre Reifung. In sieben bis elf Tagen wird aus der Eizelle eine Dotterkugel, die dann im Dottersack mit Eiklar und Schale bestens verpackt wird. Am Ende liegt ein perfektes Nahrungsmittel im Nest. Eier sind so lange haltbar, wie das Küken zum Schlüpfen braucht: etwa 20 Tage. Eier sind gehaltvoll, die Wertigkeit ihres Proteins übertrifft das von Milch, Fleisch und Fisch, dazu enthält es viele Vitamine und Mineralstoffe.
Eier sind ein großartiges Lebensmittel. Trotzdem hat ihr Ruf gelitten. Vor allem, seitdem uns klar geworden ist, dass die Legehennen-Produktion barbarisch ist. Millionen „unbrauchbare“ männliche Küken werden direkt nach dem Schlüpfen geschreddert oder vergast.
Als Billigprodukt, dessen Preis in Relation zum Einkommen seit mehr als 50 Jahren kontinuierlich gefallen ist, wird das Ei vom Verbraucher fast ein wenig als minderwertig beäugt. Eier kosten nichts mehr: Für 1,20 Euro bekommt man beim Discounter zehn Stück, da wird eine ganze Familie satt. Für den angeknacksten Leumund haben auch die Mediziner gesorgt. Seitdem sie mit Cholesterin-Tabellen wedeln, reden Frauen ihren Männern ins Gewissen. Spiegeleier mit knusprigem Speck sind zur Mutprobe avanciert. Auch die deutsche Gesellschaft für Ernährung, Magenpförtner der Republik, mahnt, Eier nur maßvoll zu essen.
Eine lange Liste von Eierskandalen
Jetzt wird der Ruf des Hühnereis abermals ruiniert: Millionen von Eiern, die größtenteils aus Holland importiert wurden, sind mit dem Insektizid und Nervengift Fipronil belastet. Die Servicefirma „Chickenfriend“ (Hühnerfreund!) soll beim Reinigen von Ställen das verbotene Insektizid eingesetzt haben. Das dabei gegen Parasiten verwendete, rein pflanzliche Mittel Dega-16 war offenbar mit Fipronil gepanscht worden, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Fipronil ist bei Tieren, die Lebensmittel liefern, streng verboten. Es tötet Läuse, Flöhe, Milben, Zecken und andere Parasiten. Wegen seiner starken Bienentoxizität und umfangreichen Schadwirkung auf andere Organismen ist das Mittel umstritten.
Nach spektakulären Eier-Rückrufaktionen und der Schließung von 180 holländischen, vier norddeutschen und auch einigen belgischen Legebetrieben wird nun über Risiken, Schnellwarnsysteme, Schadenersatz (für die Hühnerhalter, nicht für die Verbraucher) und die industrielle Eierproduktion in monströsen Riesenställen gestritten. Auch CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ist unter Druck geraten. In den sozialen Medien wird schon über eine Obergrenze für holländische Eier gespottet und über Herdprämien für jedes gebratene echt deutsche Ei.
Der Fall Fipronil reiht sich ein in eine lange Liste von Eierskandalen. Mehrfach waren Eier mit Rückständen des Ultragifts Dioxin aufgetaucht: Hühnerfutter war mit Altöl verlängert worden. Dazu Millionen Bio-Eier, die gar keine waren. Und Jahr für Jahr sterben vor allem alte Menschen in den Heimen an Eiern, die mit Salmonellen verunreinigt sind. Gemeinsame Ursache: Die Agrarindustrie mit ihren Monsterställen produziert Lebensmittel wie Ziegelsteine. Kollateralschäden inbegriffen.
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