AUKUS, nukleare U-Boote und Grenzziehung im modernisierten Kolonialstil.

"Mental mapping" im Pazifik. Die AUKUS-Verbündeten geben einen Plan zur Aufrüstung der australischen U-Boot-Flotte bekannt. Dadurch wird eine Projektion der Seestreitkräfte über den Pazifik und den Indischen Ozean ermöglicht, und über weite Teile des Südlichen Ozeans.

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AUKUS, nukleare U-Boote und die Kunst der 'neokolonialen Grenzziehung' in den Ozeanen der südlichen Erd-Halbkugel.

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Vor einigen Tagen gaben Australien und seine AUKUS-Verbündeten einen Plan zur Aufrüstung der australischen U-Boot-Flotte durch den Kauf von bis zu acht U-Booten mit Atomantrieb bekannt, ein Geschäft, das in den nächsten dreißig Jahren schätzungsweise 368 Milliarden US-Dollar kosten wird.

Dieses Abkommen wird Australiens Seemacht enorm stärken und, was noch wichtiger ist, eine langfristige militärische Beziehung zwischen den AUKUS-Staaten im Pazifik festigen. Es ist eine direkte Herausforderung für Chinas Flottenaufbau in der Region, und lässt auch Indien, die Antarktis und andere asiatische und pazifische Sub-Regionen nicht unberührt.

Warum ist das Abkommen politisch und militärisch wichtig?

Dieser Deal ist aus zwei Gründen wichtig:

Erstens, weil er die Fähigkeiten der australischen Marine und ihrer Bündnispartner erheblich verbessern wird.

Zweitens, weil es die Frage der nuklearen Proliferation aufwirft, denn obwohl diese U-Boote nuklear angetrieben sind; (zunächst?) nicht nuklear bewaffnet, besteht die Möglichkeit, dass Staaten außerhalb von AUKUS dieses Abkommen als eine Eskalation der nuklearen Proliferation betrachten.

Warum will Australien Atom-U-Boote?

Atom-U-Boote sind die mächtigsten Kriegsschiffe, die einer Marine derzeit zur Verfügung stehen. Geräuschlos, wenig sichtbar, patrouillieren sie weite Gebiete des Ozeans; sie sind sehr schwer zu finden und können Ziele in beträchtlicher Entfernung treffen. Sie können auch eine relativ hohe Geschwindigkeit entwickeln und haben damit Fähigkeit, schnell große Entfernungen bereitzustellen

Es ist sehr schwierig, gute Open-Source-Informationen über Atom-U-Boote zu erhalten, aber man weiß, dass moderne Klassen unter Wasser Geschwindigkeiten von 25 bis 30 Knoten aufrechterhalten können. Das sind ungefähr 45 – 55 km pro Stunde und es ist wahrscheinlich, dass sie tatsächlich schneller sind. Ihre Geschwindigkeit bedeutet, dass sie sehr schnell große Entfernungen zurücklegen und auch langsamere Überwasserschiffe jagen können.

Machtvolle Anwendungen auf einer Plattform.

Moderne U-Boote mit Atomantrieb sind große und komplexe Waffenplattformen mit einer Reihe von Waffen, darunter Torpedos, die andere U-Boote und Schiffe angreifen können; Langstrecken-Schiffsabwehrraketen wie ‚Harpoon‘ mit einer Reichweite von etwa 140 km. ‚Tomahawk‘-Marschflugkörper, die eine Langstrecken-Landangriffsfähigkeit darstellen und Ziele in einer Entfernung von etwa 1.600 km treffen können.

Ein wenig bekannter Vorteil von U-Booten ist ihre Fähigkeit zur Überwachung. Schall legt sehr große Entfernungen durch Wasser zurück, und die ‚Hydrophone‘ eines U-Bootes können die Aktivität über Hunderte von Kilometern (möglicherweise Tausende von Kilometern) in alle Richtungen über lange Zeiträume geräuschlos überwachen.

Bei Bedarf können ihre Masten über dem Wasser ausgefahren werden, um den Luftraum über ihnen mit Radar zu überwachen, oder Sonar könnte verwendet werden, um Ziele im Wasser zu verfolgen (obwohl diese beiden Überwachungsmaßnahmen die Position des U-Bootes offenbaren könnten).

Ein weiteres wichtiges Merkmal eines Atom-U-Bootes ist seine Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu einem Flugzeugträger benötigt es keine schützende Eskorte und keine Flotte von Hilfsschiffen, die Treibstoff für Flugzeuge und andere Vorräte transportieren.

Ebenso sind konventionell angetriebene U-Boote durch ihre Reichweite sehr begrenzt und müssen betankt werden. Stattdessen kann ein Atom-U-Boot sofort eingesetzt werden und über lange Zeiträume in dem interessierenden Gebiet operieren, ohne dass eine lokale Basis oder ständige Nachschubversorgung erforderlich ist.

China fehlt noch die militärische Fähigkeit, U-Boote mit Atomantrieb auszustechen.

China hat Jahre damit verbracht, die Fähigkeit aufzubauen, Langstreckenraketen einzusetzen, um die Verteidigung gegen eine amerikanischen Flugzeugträger-Kampfgruppe zu ermöglichen. Gegenwärtig ist China in der chinesischen ‚Waffeneffektzone‘ wahrscheinlich in der Lage, eine Flugzeugträger-Kampfgruppe in Schach zu halten, aber China hat nicht die Kapazität, einen gegnerische U-Boot-Aktion auf die gleiche Weise ‚abzuschalten‘.

Durch den Kauf von Atom-U-Booten gewinnt Australien eine Fähigkeit, der China im Augenblick wenig entgegensetzen kann.

Historische Beispiele.

Einige historische Beispiele geben gute Hinweise über die Fähigkeiten von Atom-U-Booten:

Der Falklandkrieg von 1982 ist das einzige Beispiel dafür, dass Atom-U-Boote in einem konventionellen Seekrieg kämpften. Zwei U-Boote waren die ersten britischen Schiffe, die ‚auf Station‘ im Südatlantik gingen, wo sie schnell die beiden wichtigsten argentinischen Einsatzgruppen fanden und überwachten.

Dann wurde der argentinische Kreuzer ARA General Belgrano versenkt und die feindliche Flotte zurück in die Sicherheit ihrer Heimathäfen getrieben. Außerdem dienten sie als Radarposten nahe der argentinischen Küste, um frühzeitig vor Luftangriffen auf die britische Einsatzgruppe auf den Falklandinseln zu warnen.

Sowohl in den Kriegen von 1991 als auch von 2003 mit dem Irak setzten amerikanische und britische U-Boote riesige Mengen Marschflugkörper ein, um Landziele im Irak anzugreifen.

Taktisch werden von U-Booten abgeschossene Marschflugkörper häufig eingesetzt, um Luftverteidigungsradare anzuvisieren und zu kontrollieren, da sie sehr schwer zu entdecken sind. Ein Flugzeug, das einen Marschflugkörper abfeuert, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit auf dem Radar entdeckt als ein U-Boot.

Während des sogenannten "Krieges gegen den Terror" wurden von Atom-U-Booten abgefeuerte Tomahawk-Raketen ausgiebig gegen Ziele in Afghanistan eingesetzt. Ein Blick auf eine Karte zeigt, wie weit Afghanistan vom Meer entfernt ist, und wie weit die Tiefenangriffsfähigkeit von Tomahawk-Raketen reicht=.

Einfach ausgedrückt sind U-Boote mit Atomantrieb das ‚Schlachtschiff‘ einer modernen Marine, das wichtigste Schiff in der Flotte. (Daher werden ihre Namen in den US und in der UK Navy aus der Liste der historischen Schlachtschiffnamen genommen.)

Und, wie Schlachtschiffe sind sie das stärkste Kampfmittel der Flotte, das weite Bereiche des Ozeans beherrschen kann. Im Gegensatz zu einem Schlachtschiff ist ein U-Boot mit Atomantrieb jedoch ‚still und heimlich‘, kann sehr schnell große Entfernungen bewältigen, Informationen bereitzustellen, oder bei Bedarf sofort zu Kriegseinsätzen kommen.

Der AUKUS-Kauf wird für Australien eine neue und signifikante Steigerung der Marinekapazität bedeuten. Ein Leistungsniveau, das derzeit nur für die USA, UK, Frankreich, China und Russland erreichbar ist. Die U-Boote bedeuten eine sehr große Veränderung von Australiens Marinefähigkeiten.

Bedenken zur nuklearen Proliferation.

Der Atomwaffensperrvertrag von 1968 zielt darauf ab, die Verbreitung von Atomwaffen zu begrenzen und wurde seinerzeit unter den Vereinten Nationen ausgehandelt, sein Mandat umfasst etwa 190 Staaten.

Der Vertrag erlaubt den Transfer von Nuklearmaterial zwischen Ländern für friedliche Zwecke, und obwohl AUKUS eng mit der Internationalen Atomenergiebehörde zusammengearbeitet hat, um zu demonstrieren, dass das Abkommen keine eigentliche Waffentechnologie beinhaltet, wird es dahingehend interpretiert und kritisiert.

Chinas UN-Delegation erklärte: „Die Atom-U-Boote im von AUKUS veröffentlichten Kooperationsplan sind ein eklatanter Akt, der ernsthafte Risiken der nuklearen Proliferation darstellt, das internationale Nichtverbreitungssystem der Technologie untergräbt, das Wettrüsten anheizt und Frieden und Stabilität in der Region beeinträchtigt.“

Obwohl Australiens U-Boote nur nuklear angetrieben werden; nicht nuklear bewaffnet (derzeit?), argumentiert China, dass sie ein Beispiel dafür sind, wie die US und die UK die Verbreitung von nuklearem Material und nuklearer Technologie zulassen, die für Waffen verwendet werden könnten.

Auch James Acton vom 'Carnegie Endowment for International Peace' fasste zusammen: „Meine Befürchtung war nie, dass Australien diesen Brennstoff missbrauchen würde, sondern dass sich andere Länder auf AUKUS als Präzedenzfall für die Entfernung von Kernbrennstoff als Sicherheitsvorkehrung berufen werden.“

Wie das Programm realisiert wird.

Die Lieferung von U-Booten mit Atomantrieb nach Australien wird in vier Phasen erfolgen:

Zuerst werden sich die Australier mit dem Betrieb von Atom-U-Booten vertraut machen müssen, indem sie in den UK und den US trainieren und arbeiten; und indem entsprechendes Personal aus diesen Staaten in Australien stationiert wird. US und UK Atom-U-Boote werden ihre Besuche in Australien verstärken und dort praktiseh angepasste Ausbildungsmöglichkeiten anbieten.

Ab 2027 werden die US und die UK an Australien U-Boote mit Atomantrieb zum Trainieren leihen. Das wird bis zu vier U-Boote betragen, bereits eine signifikante Anzahl.

Australien plant, etwa anno 2030, zwischen drei und fünf weitere Atom-U-Boote der Virginia-Klasse von Amerika zu kaufen.

Später, in den 2040er Jahren, sollen für die Vertragspartner U-Boote einer speziellen AUKUS-Klasse entwickelt werden.

Keine zuverlässige Lösung zur radioaktiven Abfallbeseitigung.

Wie überall in der Atomindustrie gibt es auch bei Atom-U-Booten keine zuverlässige Lösung zur radioaktiven Abfallbeseitigung. Von der finalen Lagerung, der sogenannten 'Entsorgung‘ im 'Endlager' der Reaktorteile und Brennstäbe einmal ganz zu schweigen.

Die Diskussion darüber hat in Australien gerade angefangen.

https://www.abc.net.au/news/2023-03-15/aukus-nuclear-submarines-reactor-disposal/102092146

https://www.smh.com.au/politics/federal/states-baulk-at-storing-radioactive-waste-from-nuclear-submarines-20230315-p5csdg.html

Zusammenfassung:

In Bezug auf die Sicherheit und Stabilität im Indo-Pazifik und den südlichen Ozeanen sind die wichtigsten Punkte:

1. In fünf Jahren wird Australien eine Flotte von Atom-U-Booten betreiben.

2. Dies wird die Flottenkapazität Australiens erheblich erhöhen und eine glaubwürdige Projektion der Seestreitkräfte über den gesamten Pazifik (Nord und Süd) und den Indischen Ozean ermöglichen, und über weite Teile des Südlichen Ozeans (und damit der Antarkis).

3. Darüberhinaus kann China wahrscheinlich (derzeit) keine starken Gegenmaßnahmen zum Einsatz moderner U-Boote mit Atomantrieb ergreifen.

4. Der Vertrag zementiert eine langfristige Militärbeziehung zwischen den USA, der UK und Australien in der Region.

5. Er stellt sicher, dass mittelfristig eine große Flotte von AUKUS-U-Booten in jedem zukünftigen Pazifikkonflikt zur Verfügung steht.

6. Selbstverständlich ist China besorgt über die Zunahme der militärischen Fähigkeiten Australiens und die längerfristige militärische Beziehung, die sich zwischen den AUKUS-Staaten entwickelt.

7. Es gibt keinerlei realistische Vorhaben zur radioaktiven Abfallbeseitigung. Die Folgen einer möglichen kriegerischen Zerstörung eines Atom-U-Bootes, oder eines zivilen Unfalls, werden unzureichend thematisiert.

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Zur räumlich-geographischen Orientierung:

https://cdn.onestopmap.com/wp-content/uploads/2014/08/175-map-world-political-shaded-relief-robinson-asia-australia-centered.jpg

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(Überarbeitet aus dem Englischen, z.B. Ben Morgan, TDB März 2023)

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„Wenn einer, der mit Mühe kaum, gekrochen ist auf einen Baum, schon meint, daß er ein Vogel wär, so irrt sich der.“ ... permakultur@startmail.com

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