An diesem Ort schwören sie sich ein

Sicherheitskonferenz in München Putin aber greift an, und Tausende Demonstranten "stiften Unfrieden"

"Bitte, Bob, Du hast das Wort." - "Danke, Horst." Der ans Rednerpult tretende Bob ist US-Verteidigungsminister Robert Gates, Nachfolger von Rumsfeld. Horst ist Teltschik, der Organisator und Moderator der Sicherheitskonferenz Globale Krisen, globale Verantwortung. Beide führen gern ihre Freundschaft vor. Gates erklärt gut gelaunt, er freue sich über die Offenheit, die auf dieser Konferenz herrsche: Spione würden eine klare Sprache führen.

Gates war CIA-Chef, Putin machte Karriere im KGB und hatte am Vortag die Amerikaner und ihre Verbündeten mit seiner scharfen Rede erstarren lassen. Weltherrschaft sei zwar ein in der Geschichte bekanntes Streben, so fing er an, aber es sei zerstörerisch für alle, selbst für den Herrschenden. Die monopolare Struktur sei ein Verhängnis, ebenso das neue Wettrüsten und die ungezügelten Militäreinsätze, auch die Verachtung des Völkerrechts wie im Irak. Die NATO errichtet entgegen einer Zusage von 1990 Stützpunkte an Russlands Grenze. Zum ersten Mal spricht ein russischer Präsident auf der Sicherheitskonferenz - und alle haben wohl eher werbende Töne erwartet.

Putin ist fast der einzige, der das Thema Irak anspricht, Gates wie auch die anderen Hauptredner bringen es fertig, den Irakkrieg auszuklammern. Stattdessen schwört man sich gegenseitig darauf ein, einen "nuklear bewaffneten Iran" nie hinzunehmen, feiert Kongo, Bosnien und Kosovo als Erfolge und will mit China "in aller Offenheit reden", unter anderem über das Vorgehen in Afrika. Es klingt wie ein gewaltiger Chor für atlantische Partnerschaft, NATO und Kampf gegen Terrorismus. Kanzlerin Merkel, zur Zeit auch Präsidentin der G 8 und des EU-Rates, entwirft mit Außenminister Steinmeier eine eigene Variante des Vorgehens: die "vernetzte Sicherheit" oder auch ein "zivilmilitärisches Konzept". Gemeint ist einfach die Kombination von militärischem und zivilem Eingreifen. Afghanistan sei dafür der Prüfstand. Das alte Misstrauen zwischen Militärs und humanitären Nichtregierungsorganisationen (NGO) gehöre der Geschichte an, verkündet Merkel, das sei ein echter "zivilisatorischer Fortschritt". Die US-Vertreter hören die versteckte Kritik huldvoll an. NGO-Aktivisten aber wird schaudern bei der Vorstellung, nun so unverhohlen in das strategische Konzept der NATO eingebunden zu werden.

Der Bayerische Hof ist als Konferenz-Ort weiträumig abgesperrt. Die Demonstranten sammeln sich hinter Gittern und einer Kette von 3.500 grünen Polizisten, sie haben sich zuvor schon bei Treffen der Internationalen Friedenskonferenz, einer Gegenveranstaltung zur Sicherheitskonferenz, mit der NATO-Doktrin, mit deutschen Tornados für Afghanistan, Kriegsplänen gegen Iran und Vorschlägen zur Deeskalation befasst. Auf dem Platz steht ein LKW mit Lautsprechern, Musik dröhnt, Grauhaarige stehen neben Punks, einer bunten Samba-Gruppe, große Transparente werden aufgerollt "Kein Krieg gegen den Iran", andere halten selbst geschriebene kleine Tafeln: "Deutschland wird am Hindukusch beschädigt".

Der Andrang zur Sicherheitskonferenz scheint groß, Horst Teltschik darf entscheiden, wer Zutritt hat, und wer nicht. Er wird in den Medien als ehemaliger Kohl-Berater vorgestellt, während seine Rolle als Stratege aus dem Hintergrund beim Anschluss der DDR an die BRD vergessen scheint. Im Bayerischen Rundfunk lässt er seinem Ärger über den Protest, der vor fünf Jahren noch verboten worden war, freien Lauf: "Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren." Das findet der Polizeipräsident "wenig hilfreich", und Münchner Politiker von SPD bis CSU erregen sich. Teltschik ficht es nicht an, er setzt am folgenden Tag nach: Die Demonstranten "stiften Unfrieden", er werde "keinen Kotau machen".

Teltschik prahlt, er hätte gezielt Personen eingeladen, die kritische Fragen zu stellen wagten. Die Linkspartei hat er ausgeschlossen. Auf der Konferenz bleiben die Fragen zahm und bewegen sich innerhalb der "westlichen" Logik. Nur ein einziges Mal hagelt es scharfe Fragen von allen Seiten: Sie gelten Putin.

Vom LKW aus spricht der Ägypter Magdi Gohary zu den Demonstranten: Der Krieg im Irak und der Libanon-Krieg hätten den USA und Israel die Grenzen ihrer Militärmacht gezeigt. Dennoch würden sie die Militäraktivitäten weiter steigern und zugleich eine "Konfessionalisierung" der Konflikte betreiben. "Das ist für die arabische Welt ein schreckliches Unglück. Ich frage die Herren nebenan im Bayerischen Hof, wie sie den Geist, den sie aus der Flasche entweichen ließen, jemals wieder bändigen wollen!"

Der Demonstrationszug schwillt an. Junge Leute, viele sicher Schüler, laufen in dichten Reihen, als hielten sie sich an einander fest. Es sind doppelt so viele Teilnehmer wie im vergangenen Jahr, erklärt auch die Polizei. Die Zuschauer am Rande sind aufmerksam und zugewandt wie selten. Die Polizei begleitet den Zug konstant, er wird ständig angehalten, ein stockendes, Stunden dauerndes Vorankommen. Später ist in der Süddeutschen Zeitung zu lesen: "46 Festnahmen bei der Friedens-Demo", offenbar immer nur ein kurzes Herausholen von Leuten aus den Reihen und Festhalten ihrer Personalien wegen Bagatellen wie das Hochhalten eines "Seitentransparents". Gefilmt wird von Polizeiseite ständig und offen.

Auf der Abschlussveranstaltung der Internationalen Friedenskonferenz kommt dann endlich wieder die andere, die humane Logik zu Wort: der Physiker Hans-Peter Dürr fordert strikte Gewaltlosigkeit bei Konflikten in der Welt. Und wenn Verhandlungen scheitern, erklärt er, dann gäbe es nur eines: Weiter verhandeln. Nie sei ein Krieg gerechtfertigt.


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