Laotische Gaststudenten in der DDR

POLITISCHER HINTERGRUND Die Verpflichtung zur Rückkehr nach Laos und der Verzicht auf Beziehungen in Deutschland waren die Bedingungen für das Stipendium

Zwischen 1979 und 1990 kamen insgesamt etwa 2.000 Laoten zum Studium in die DDR. Sie studierten den ganzen Fächerkanon, den hiesige Universitäten zu bieten hatten: Medizin, Landwirtschaft, Germanistik, Ingenieurstudiengänge oder Politische Ökonomie.

Das DDR-Studium war ein Privileg. Man durfte mehrere Jahre im Ausland wohnen und sich Bildung aneignen, zu der es in Laos keinen Zugang gab. Neben Funktionärssöhnen wurden auch Söhne von Lehrern und Bauern in die DDR geschickt, die bis zum Abitur zur Schule gehen konnten. Selbst Waisen, die an einer buddhistischen Pagode hatten lernen dürfen, waren darunter. Frauen jedoch kaum, weil in Laos kaum Mädchen höhere Schulen besuchten. Das Abitur war eine Voraussetzung für ein Studium in der DDR. Wer das Studium schaffte, kehrte als gemachter Mann nach Laos zurück. Eine Studie der Berliner »Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte GmbH« belegt, dass ein Großteil der praktizierenden Ärzte in Laos, einige Staatssekretäre, Hauptabteilungsleiter und Firmenchefs einst zwischen Elbe und Oder studierten.

Doch das Privileg hatte einen Preis. Wer in die DDR wollte, musste seine Unterschrift unter eine Erklärung der laotischen Regierung setzen: Er werde auf jeden Fall nach Laos zurückkehren und sich in der DDR ausschließlich dem Studium widmen. Feste Beziehungen zu deutschen Frauen waren ebenso verboten wie gemeinsame Kinder mit ihnen. Wer dagegen verstieß, wurde bis 1988 vorzeitig zurückgeschickt und bestraft. War die Strafe etwa eine Einberufung in die laotische Armee zum Dienst an der chinesischen Grenze, dann konnte sie einem Todesurteil auf Zeit gleichkommen.

Um ihren Geliebten davor zu bewahren, haben deutsche Frauen den Vater ihres Kindes meist verheimlicht. Sie zahlten dafür mit einem Verzicht auf Unterhaltszahlungen und mit oft noch heute währenden Identitätsproblemen ihrer Kinder. Unter den laotischen Studenten sorgten einige Funktionäre des Jugendverbandes für Denunziationen. Die laotische Botschaft mahnte zudem auf den jährlich veranstalteten Politschulungen die Einhaltung der Spielregeln an.

Es kann nur spekuliert werden, ob das Heirats- und Kinderverbot der laotischen Regierung von der DDR unterstützt oder gar gefordert wurde, wie dies beim Kinderverbot für vietnamesische Vertragsarbeiterinnen der Fall war. Eine wissenschaftliche Studie oder auch nur eine Dokumentenedition über Laoten in der DDR gibt es nicht. Die DDR war an einer Ausbildung von Fachkräften für Laos interessiert. Südöstliche Werte sollten über sie nicht in die DDR-Gesellschaft einfließen.

Heute leben etwa 40 Teenager in den neuen Bundesländern, die eine deutsche Mutter und einen laotischen Vater haben, den sie jedoch zumeist verleugnen mussten. Keiner der Männer durfte in der DDR bleiben. Erst Anfang 1989 wurden die Zügel etwas gelockert. Es waren verlängerte Aufenthalte möglich, die schließlich über die Wende hinüberreichten.

Die meisten Beziehungen sind durch die Trennung zerbrochen. Eine Frau aus Thüringen konnte 1990 ihren jahrelangen Geliebten aus Laos holen, mit dem sie heute zwei gemeinsame Kinder hat. Drei Frauen wurde es zu DDR-Zeiten gestattet, ihren Männern nach Laos zu folgen, wo sie noch heute leben. Sie arbeiten als anerkannte Fachkräfte bei internationalen Firmen oder Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit.

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