Oliver Welkes Sprung in die Stille

Stichproben Sind Bücher von TV-Komikern und Radiomoderatoren wirklich ein Gewinn für die Menschheit? Zwei Neuerscheinungen aus dem Rowohlt-Verlag im Test

Hape Kerkeling, Dieter Hildebrandt oder auch das deutsch-österreichische Duo Stermann und Grissemann: Schon viele haben als Komiker und Satiriker aus Radio und Fernsehen den Sprung in die Stille gewagt und mehr oder weniger erfolgreich Bücher geschrieben. Nun sind wieder zwei Bände erschienen, in denen Funk- und Fernsehkomiker das Medium wechseln. Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer präsentieren das zweite Begleitbuch zur Heute Show: Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk – Deutsche Helden privat. Weil es so viele dieser Helden gibt, wird es auf dem grell-gelben Cover eng: Angela Merkel natürlich, Alice Schwarzer sowieso, Jogi Löw klar, und Kurt Beck ist bekanntlich ein dankbares Opfer. In „77 Kurzporträts“ (Haha, Schnapszahl!) erzählen die beiden Moderatoren die „Geheimnisse und düstersten Wünsche“ der deutschen Prominenz aus Politik, Sport und Unterhaltung. Und die sehen so aus: Bettina Wulff ist „kurz davor, Jörg Kachelmann den Allzeit-Award für die größte Verschwendung öffentlicher Aufmerksamkeit streitig zu machen.“ Günter Grass will endlich zum Greis werden: „Als Greis darf man argumentationsbefreit rumstänkern, nörgeln und Kinder mit dem Spazierstock vermöbeln.“ Und Dieter Bohlen, man ahnte es, benimmt sich noch im Altersheim wie ein übler Chauvinist. Es sind eine Menge „You’re my ass, you’re my hole“-Plattheiten, über die man hinweglesen muss, bevor es doch noch kurz lustig wird wie beim philosophischen Hahnenkampf zwischen Precht und Sloterdijk. Zwar werden Politiker und Promis auch im Buch tendenziell dort angefasst, wo es wirklich weh tut. Während aber in der Show die Pointen funktionieren, etwa wenn Welke vor Lachen oder Schrecken über einen Fauxpas wie Vettels peinlichen Versprecher über die Menschenrechte in Bahrain fast über seinen Moderatorentisch robbt. Bei der stillen Lektüre fehlt dann aber der halbe Witz.

Das Leben als Autor

Mit vielen Vorbehalten nähert man sich da dem zweiten Buch: Das erste Mal – Küssen, Fliegen, Siegen und andere Debüts von Robert Skuppin und Volker Wieprecht. Die beiden lernten sich in den neunziger Jahren bei Radio Fritz kennen und moderierten bis 2011 gemeinsam die Sendung on air. Wieprecht moderiert bis heute weiter “Der Tag” und “Die schöne Woche”, während Skuppin als Programmchef von Radio Eins tätig ist. Die beiden veröffentlichten bereits Das schöne Buch und drei Lexika.

„Das erste Mal“ in rosa Lettern, die Radiomoderatoren im freien Fall auf dem Cover, das stinkt nach seichter Comedy. Aber dann wird die Frage gestellt, woran ein menschliches Leben gemessen werden kann. An der Intensität seiner Erfahrungen, allen voran der Ersten Male, an der Quantität und Qualität dieser oft lang herbeigesehnten, in die oft irrtümlich hineingerutschten Erlebnisse, würden die beiden Autoren wohl sagen, jedenfalls belegen sie diesen Umstand anekdotenreich.

Skuppin erzählt von seinem ersten Wagen, ersteigert von der Deutschen Bundespost. Zwar funktionierte die Elektronik des Käfers nicht, und es gab keine Rückbank, wohl aber eine Rechtsschaltung (was einem Postboten das Briefkastenentleeren enorm erleichtert) und das Gefühl zum ersten Mal unabhängig zu sein. Prägend war für Wieprecht die Ernüchterung auf der Abenteuerreise allein mit Rucksack durch Italien. Ohne Sprachkenntnisse mit einem aufdringlichen Truckfahrer im Führerhaus gefangen, erkannte er den Sinn der trockenen Lateinstunden, als er den Perversling verzweifelt anschrie: „Non sum Homo!“

Bei Das erste Mal… entfalten sich die Lacher aus Lebenserfahrung. Es ist eine lebendige Sprache, gespickt mit philosophischen Anleihen und historischem Bildungsfaktor für jene, die das letzte Jahrhundert nur noch gestreift haben. Und wie Wieprecht seine venezolanische Freundin 1989 fragte, als er zum ersten Mal in Lebensgefahr schwebte: „Esto es una broma?“, antworten auch die Autoren: Nein, das ist kein Witz, das sind die Geschichten, die das Leben schreibt. Und die funktionieren auch ohne große Show.

Das erste Mal – Küssen, Fliegen, Siegen und andere Debüts Volker Wieprecht, Robert Skuppin Rowohlt 2013, 304 S., 18,95 € Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk – Deutsche Helden privat Oliver Welke, Dietmar Wischmeyer Rowohlt 2013, 320 S., 16,95 €

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden