Wenn in Deutschland über die Einsparung von Kohlenstoffdioxid diskutiert wird, geht es vor allem um die Stromproduktion. Der Kohleausstieg muss her, wird dann zu Recht angemahnt, und die Energiewende müsse wieder mehr Schub bekommen. Tatsächlich machen die sogenannten energiebedingten Emissionen mit etwa 85 Prozent den Großteil der deutschen Treibhausgase aus. Auf die Energiewirtschaft entfällt davon allerdings nur die Hälfte. Die andere Hälfte verteilt sich auf andere Bereiche: Der Verkehr ist mit 20 Prozent dabei, die Industrie mit 15 Prozent, hinzu kommen die privaten Haushalte (10 Prozent) sowie der Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor mit 5 Prozent.
Wo also sollte man beim CO₂-Sparen als Erstes ansetzen? Auffällig ist, dass es einen einzigen Sektor gibt, der in den vergangenen Jahren gar nichts zu den Emissionsminderungen beigetragen hat: der Verkehr. Der dort anfallende Kohlenstoffdioxidausstoß stagnierte auf hohem Niveau und steigt inzwischen sogar wieder an.
Deutschland bleibt offenbar ein Autoland, Dieselskandal, Verstädterung und der wachsenden Carsharingflotte zum Trotz.Im Jahr 2016 gab es laut Kraftfahrtbundesamt 3,4 Millionen Autozulassungen, knapp fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Und die Entwicklung der Elektromobilität? Vernachlässigbar. Gerade einmal 11.500 Elektrofahrzeuge und 50.000 Hybridautos wurden zugelassen, Diesel und Benzin dominieren den Automobilmarkt weiterhin.
Diese Zusammensetzung der Antriebstechniken müsste sich ändern, wenn die EU-Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden sollen. Das gilt auch im Hinblick auf die in Paris beschlossenen Klimaziele, die ohne rasches Handeln im Verkehrssektor unmöglich zu erreichen sind.
Bislang tut sich jedoch fast nichts. Zwar hat die Effizienz von PKW und LKW in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. Pro Kilometer verbrauchen die Fahrzeuge heute viel weniger Sprit und verursachen geringere Emissionen. Doch gleichzeitig gibt es den sogenannten Rebound-Effekt, der diese Erfolge neutralisiert.
Der Ökonom William Stanley Jevons beobachtete schon im 19. Jahrhundert, dass der Kohleverbrauch in England mit Einführung einer effizienteren Dampfmaschine stieg, statt zu sinken. Technische Innovationen, die eine effizientere Rohstoffnutzung erlauben, führen letztlich also zu höherem Verbrauch. Und der Mehrkonsum frisst die Effizienzgewinne.
Ähnliches lässt sich heute im Autosektor beobachten: Zwischen 1995 und 2014 sanken die PKW-Emissionen pro Kilometer zwar um 13 Prozent. Da aber auch immer mehr gefahren wurde, blieb der CO₂-Ausstoß aus dem PKW-Verkehr insgesamt ungefähr konstant. Ohne politische Vorgaben zum Gesamtausstoß setzt sich der Rebound-Effekt immer wieder durch.
Die fehlenden CO₂-Einsparungen bei der Mobilität werden zunehmend zu einem Problem. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu mindern – ein kaum mehr erreichbares Ziel. Im Verkehrssektor wurden bis 2014 nicht mal drei (!) Prozent eingespart, ein Armutszeugnis.
Auf die Energiewende muss eine ambitionierte Verkehrswende folgen. Dabei geht es um viel mehr als nur Elektromobilität. Carsharing muss sinnvoll ausgebaut und in ländlichen Regionen mit dem öffentlichen Nahverkehr kombiniert werden. In deutschen Innenstädten hingegen kann sich das Teilen von Autos sogar negativ auswirken, wenn Pendler statt Bus, Bahn oder Fahrrad zum Auto wechseln. In der Regel überwiegen aber die Vorteile des Carsharings, auch weil die Quote von Elektrofahrzeugen in den Carsharingflotten um ein Vielfaches höher ist als bei Privatautos.
Der Gesetzgeber kann den Ausbau solcher Angebote durchaus fördern. Im September ist das Carsharinggesetz vollständig in Kraft getreten. Es erlaubt den Bundesländern etwa, bei diesen Fahrzeugen auf Parkgebühren zu verzichten.
Pendler versus Planet
Gleichzeitig müssen die Städte fahrradfreundlicher werden. Der „Fahrrad-Monitor“ des Verkehrsministeriums belegt: Jeder dritte Bundesbürger nutzt das Fahrrad regelmäßig als Verkehrsmittel, doch die Hälfte aller Radfahrenden fühlt sich dabei nicht sicher. Die meisten Befragten sind unzufrieden: 87 Prozent meinen, die Bundesregierung tue zu wenig für den Radverkehr. Diese investierte in den vergangenen zehn Jahren etwa 877 Millionen Euro in den Bau und Erhalt von Radwegen – allerdings ausschließlich an Bundesstraßen. Ansonsten bleibt die Erweiterung der Radinfrastruktur Ländern und Kommunen überlassen.
Damit die Verkehrswende gelingt, genügt es aber nicht, umweltfreundliche Mobilität zu fördern, auch umweltschädliche Subventionen gehören abgeschafft. Dieselkraftstoff wird heute mit 20 Cent pro Liter immer noch weniger besteuert als Benzin. Grund für die Einführung der Subvention waren die damals vergleichsweise geringeren Kohlendioxidemissionen – ein Vorteil, der inzwischen nicht mehr gilt, weil die Benziner effizienter geworden und Dieselfahrzeuge im Schnitt schwerer sind. Allein diese Subvention kostet die Steuerzahler knapp 7,5 Milliarden Euro, jedes Jahr.
Die Entfernungspauschale, auch als Pendlerpauschale bekannt, schadet der Umwelt ebenfalls, indem sie zu höherem Verkehrsaufkommen und zur Zersiedlung der Landschaft beiträgt. Mit der Pauschale können Fahrtwege zwischen Wohn- und Arbeitsort steuerlich geltend gemacht werden. Auf den ersten Blick erscheint dies als sozial, sind es doch häufig Geringverdiener, die sich teure Innenstadtwohnungen nicht mehr leisten können. Doch Haushalte mit hohen Einkommen werden durch die Pauschale weitaus stärker begünstigt als Bezieher geringer Einkommen. Schließlich unterliegen die Besserverdiener einem höheren Steuersatz und haben in der Regel höhere Werbungskosten, sodass sie den Pauschbetrag von 1.000 Euro überschreiten und mit der Entfernungspauschale zusätzlich Steuereuros sparen können.
Dem Fiskus dagegen entgehen durch die Pendlerpauschale jährlich mehr als fünf Milliarden Euro. Modellrechnungen zeigen, dass eine Abschaffung dieser Pauschale die Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 2,6 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren könnte. Um nicht die einkommensschwachen Haushalte zu treffen, müsste mit der Senkung der entsprechenden Einkommenssteuersätze gegengesteuert werden. Damit wäre nicht nur dem Klima geholfen, sondern auch der sozialen Gerechtigkeit Genüge getan.
Doch das Autofahren wirkt leicht gegen das tatsächliche Klimaverbrechen: das Fliegen. Ein Flug von Berlin nach New York verursacht laut der Kompensationsfirma Atmosfair rund 2,5 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Person. Um korrekt zu sein: Nur beim kleineren Teil dieser Menge handelt es sich um reines Kohlenstoffdioxid. Hinzu kommen jedoch sogenannte CO₂-Äquivalente, die nicht durch das Verbrennen von Kerosin entstehen, sondern durch Ozonbildung und Kondensstreifen in großer Höhe. Auch diese Nebeneffekte tragen zum Klimawandel bei und werden daher in CO₂-Äquivalenten ausgewiesen. Wer seinen Mittelklassewagen 12.000 Kilometer im Jahr durch die Gegend fährt, verursacht zwei Tonnen Kohlenstoffdioxid. Ein einziger New-York-Urlaub ist also klimaschädlicher, und zwar ohne Rückflug.
So dramatisch die Umweltwirkungen des Fliegens sind, so rasant entwickelt sich die Zahl der Flugreisenden. Im Jahr 2016 wurden auf deutschen Flughäfen 223 Millionen Passagiere gezählt, sieben Millionen mehr als im Vorjahr. Umso fataler ist, dass Kerosin beim Fliegen komplett von der Energiesteuer befreit ist – im Gegensatz zu den Kraftstoffen für Auto und Bahn.
Es gibt noch weitere Gründe für die absurde Tatsache, dass die Bahnfahrt zum Flughafen oft teurer ist als der Flug selbst. Der Bau von Flughäfen wird oft mit öffentlichen Geldern gefördert – auch, oder gerade dann, wenn Flughäfen Defizite machen. Der BER in Berlin ist das bekannteste Beispiel für gigantische öffentliche Investitionen und die Verflechtung von Staat und Wirtschaft. Doch auch in Hahn, Lübeck oder Aachen werden die Airports subventioniert.
Die Politik braucht wohl noch etwas Zeit, um zu begreifen: Ohne eine Verkehrswende ist durchgreifender Klimaschutz unmöglich. Die Zeit wird knapp. Sehr knapp.
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